AboAbonnieren

Neues Programm im Schauspiel KölnWarum Stefan Bachmann sich für Transparenz einsetzt

Lesezeit 5 Minuten
Köln, RSK, PK Schauspiel, mit Stefan Bachmann

Stefan Bachmann spricht über seine Pläne für die kommende Spielzeit.

Zum letzten Mal, bevor er nach Wien wechselt, stellt Intendant Stefan Bachmann einen Spielplan für das Schauspiel Köln vor.

Am Anfang saß man in einer kalten, zugigen Halle, später auf einer Probenbühne, zwischendurch sogar mal in den entkernten Opernterrassen – wenn Stefan Bachmann eine neue Spielzeit vorstellte, lud er an einen anderen Ort, um einen Einblick in die manchmal schwierigen, aber immer herausfordernden Bedingungen zu gewähren, unter denen er mit seinem Team arbeitet.

„Weil Theater immer in der Kneipe endet“, begrüßte er für seine letzte Spielplan-Pressekonferenz ins „Offenbach“, Café, Bistro und Kantine und nicht wegzudenkender Teil des Depot-Komplexes.

Den Termin nutzt Bachmann, der ab der Spielzeit 24/25 das Wiener Burgtheater leiten wird, für eine erste Bilanz. Das Publikum beschert derzeit eine Auslastung von 87 Prozent, sei „bunt und gemischt“ , eher „spontan“ in Sachen Kartenkauf, aber auch „das Standing Ovation freudigste der ganzen Republik“.

Für die kommende Spielzeit stellt Chefdramaturg Thomas Jonigk, der ebenfalls mit nach Wien gehen wird, ein Programm vor mit einer Mischung aus Ur- und Erstaufführungen, Romanadaptionen und Klassikern.

Köln, RSK, PK Schauspiel, mit (v.r.) Stefan Bachmann, Hanna Koller, Thomas Jonigk, Richard Siegal

Schulterschluss (v.l.): Choreograf Richard Siegal, Chefdramaturg Thomas Jonigk, Tanzkuratorin Hanna Koller und Intendant Stefan Bachmann.

Der Auftakt

Die Spielzeit beginnt am 1. September mit „Im Anfang war der Zaun“. Im Depot 2 beschäftigen sich María F. Giacaman und ihr Kollektiv „what about: fuego“ 35 Jahre nach dem Mauerfall mit den verschiedenen Formen von Abgrenzungen – von der Chinesischen Mauer bis hin zum angedachten Zaun zwischen Mexiko und den USA. Am Tag danach geht es im Depot 1 um nichts Geringeres als die Leiche eines Königs: „Yazdgerds Tod“, 1979 vom persischen Autor Bahram Beyzaie geschrieben, geht der Frage nach, wie dieser Herrscher 651 n. Chr. ums Leben gekommen ist, aber auch, wer wie Geschichtsschreibung beeinflusst. Die Inszenierung von Mina Salehpour ist auf Farsi, Deutsch und Englisch.

Adaptionen

Schon in dieser Spielzeit sollte Pinar Karabulut Franz Kafkas „Der Prozess“ Premiere feiern, diese wurde allerdings aus Krankheitsgründen absagt und wird am 30. November nachgeholt. Ende Januar 2024 folgt „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Es sei schön, so Heinrich Böll noch einmal auf der Bühne zu haben, so Thomas Jonigk. Bastian Kraft inszeniert ein rein weibliches Ensemble.

Ein deutsch-koreanisches Team stellt Regisseurin Marie Schleef für „Kim Jiyoung, Geboren 1982“ zusammen. Das Buch von Cho Nam-Joo verkaufte sich rund 2,5 Millionen mal und erzählt die Geschichte einer Koreanerin, die aus ihrer Rolle als devote Mutter, Ehe- und Hausfrau ausbricht (Premiere: 14. Oktober 2023).

„Die letzten Männer des Westens“ hingegen ist ein Sachbuch, für das Tobias Ginsburg in Günter Wallraff Manier undercover in rechte Netzwerke eintauchte. Für die Bühnenfassung von Rafael Sanchez liefert Ginsburg ein aktuelles Update (Premiere: 22. März 2024).

In den letzten Jahren etablierte sich Nuran David Calis mit Stücken wie „Die Lücke“ als Fachmann für die theatrale Verarbeitung aktueller politischer Geschehnissen. Mit „Ein von Schatten begrenzter Raum“ bringt er den aktuellen Roman von Emine Sevgi Özdamar auf die Bühne. Die Büchner-Preisträgerin lässt darin eine Schauspielerin auf die griechisch-türkische Geschichte zurückblicken (Premiere: 8. Mai 2024).

Uraufführungen

Im Auftrag des Schauspiels entstanden die Stücke „Eigentum „Let’s face it we’re fucked)“ und „Akins Traum“. Letzteres – Stefan Bachmanns einzige Regiearbeit in dieser Spielzeit – erzählt eine weitere Geschichte, die Wurzeln im Nahen Osten hat und einen jungen Filmemacher in einen Strudel aus Vergangenheit und Gegenwart katapultiert (Premiere: 23. Februar 2024).

In „Eigentum“ schlägt Thomas Köck den Bogen von Besitzansprüchen der Kolonialisten über Immobilienbesitzer der Gegenwart bis in eine Zukunft mit von Menschen gezeugten Cyborgs. Marie Bues gibt mit dieser laut Jonigk „Komödie“ ihr Kölner Regiedebüt (Premiere: 29. September 2023)

In „Soko Tatort“ beschäftigt sich Autorin Nele Stuhler, die auch Regie führt, mit dem Thema „Polizei“ und damit, wie eine Welt ohne sie beschaffen sein müsste (Premiere: 7. Dezember 2023).

Klassiker

„Gespenster“, eine düstere Familiengeschichte von Henrik Ibsen, inszeniert Thomas Jonigk selbst (Premiere: 1. Februar). Und „Sommernachtstraum“ ist nicht nur Stefan Bachmanns „Lieblingsstück“ und das Werk, „das ihn zum Theater gebracht hat“. Zum Abschluss seiner Ära überlässt er nun Jan Bosse die berühmte Shakespeare-Komödie. Das Stück läuft vom 17. Mai bis 9. Juni en suite, damit, so Bachmann, das Team möglichst viel Kapazität hat, um den Umzug an den Offenbachplatz zu stemmen.

Tanz

Richard Siegal führt mit seinem Ballet of Difference mit „Noise Signal Silence“ drei ältere Arbeiten auf, erfüllt sich damit aber den Traum, diese drei Arbeiten zum ersten Mal für einen Abend zu vereinen (Premiere: 27. Oktober). Für die insgesamt acht Gastspiele holt Kuratorin Hanna Koller einmal mehr Ultima Vez, Peeping Tom oder die Batsheva Dance Company ins Depot. Aber sie gibt auch Neulingen eine Chance, wie Oona Doherty, hochgelobte Choreografin aus Belfast.

Die Frage der Nachfolge

„Zum Glück nicht“ lautet Stefan Bachmanns Antwort auf die Frage, ob er für die Findungskommission für seine Nachfolge angefragt worden sei. Er „hätte es aber schöner gefunden, wenn es transparenter wäre. Das schafft nur unnötige Aufregung.“ In der Findungskommission am Burgtheater seien im Gegensatz zu Köln eine Ensemblevertretung gewesen, man habe hier „zu Unrecht Angst davor“. Mit einer interimistischen Leitung hätte man seinen „jähen“ Abgang „abfedern können“. Aber es sei „nachvollziehbar“, dass die Stadt mit einer neuen Person starten will. „Aber es wird eng!“