Serie „Warum machen Sie das?“Rafael Sanchez über seinen Beruf als Regisseur

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„Inszenieren ist viel toller als spielen“: Rafael Sanchez gehört zum Stamm der Hausregisseure am Schauspiel Köln.

„Inszenieren ist viel toller als spielen“: Rafael Sanchez gehört zum Stamm der Hausregisseure am Schauspiel Köln.

  • „Warum machen Sie das?“ Eine einfache Frage, die wir Künstlerinnen und Künstlern stellen und sie von ihrer Arbeit und ihrer Motivation erzählen lassen.
  • In der ersten Folge befragt Axel Hill den Regisseur Rafael Sanchez.

Warum führen Sie Regie? Das ist eine gemeine Frage. In der Inszenierung entsteht eine Welt, die – einigermaßen – in sich stimmt, die eine Klarheit hat und klärt, was sonst so auf der Welt unklar ist. Und man versteht dann vielleicht ein paar Dinge, die man im sonstigen Chaos nicht versteht.

Und war das immer schon der Berufswunsch?

Eigentlich wollte ich Schauspieler werden. Aber ich bin bei meinen Versuchen in Bern und Zürich nicht angenommen worden.

Warum haben Sie sich nur dort beworben?

Ich konnte mir nicht vorstellen, nach Deutschland zu ziehen.

Wirklich?

Ja, die Schweizer sind schon sehr, sehr arrogant, was Deutschland betrifft. Wir denken wirklich, dass wir es richtig machen – ganz ironiefrei – und alles besser. Aber man verwechselt sauber mit besser. (lacht)

Zur Person

Rafael Sanchez wurde 1975 in Basel geboren, seine Familie hat spanische Wurzeln. Seit Beginn der Intendanz von Stefan Bachmann gehört er zum festen Stamm der Hausregisseure am Schauspiel Köln.

Bisher inszenierte er unter anderem „Tod eines Handlungsreisenden“, „Reise der Verlorenen“, „Troilus und Cressida“ oder „Hiob“. Aktuell als Stream zu sehen: „Früchte des Zorns“ und „Stefko Hanushevsky erzählt ,Der große Diktator’“. Auch als Schauspieler stand er auch in Köln auf der Bühne: in „How to date a feminist“ zusammen mit Yvon Jansen. Die beiden sind verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder. (HLL)

Wie kam der Wechsel zur Regie?

Ich habe am Jungen Theater Basel gespielt, wo die Leiterin Heidi Fischer mir vorschlug, ein Stück zu inszenieren. Und ich habe gemerkt, dass es viel, viel toller ist als zu spielen – und im Sitzen zu arbeiten ist auch toll (lacht). Kurz darauf wurde ich Regieassistent am Stadttheater Basel.

Was für ein Regisseur sind Sie?

Ich bin sehr abhängig von den anderen Mitspielenden. Ich habe die Szene nicht zu Hause schon völlig skizziert.

Also nicht A kommt von links, B von rechts?

Ich habe einen groben Entwurf, aber ich bin sicher, dass es das nicht sein wird am Ende. Weil ich es viel zu interessant finde, was die anderen noch anbieten. Wenn ich etwas Neues sehe, finde ich das immer besser als das, was ich mir überlegt hatte – schon weil es neu ist. Davon bin ich sehr abhängig, und das geht halt nur in einer guten Stimmung. So dass man miteinander kreativ werden kann.

Stichwort „gemeinsam“?

Ja. Als Assistent habe ich oft genug mitbekommen, wie unterschiedlich in der Probe, hinter der Bühne oder in der Kantine gesprochen wird. Das hat mich schon immer gestört. Warum kann man in der Probe nicht das besprechen, was man hinter der Bühne bespricht.

Pınar Karabulut hat mir im Interview erzählt, von Ihnen habe sie gelernt, „wie man mit Menschen umgeht und eine warme Atmosphäre schafft“.

Und die Atmosphäre ist mir manchmal wichtiger als das Resultat. Ich merke zwar bisweilen, ich müsste jetzt eine Grenze überschreiten, machttechnisch, mit Anschreien oder mit Gewalt. Aber die überschreite ich sehr, sehr selten. Manchmal aus Feigheit, aber manchmal auch, weil ich denke, das ist es mir jetzt nicht wert, wenn ich da vielleicht jemanden verletze.

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Das hört sich danach an, dass Sie sich selber oder vielleicht auch den Beruf nicht so wichtig nehmen? Es scheint mir fast zu bescheiden.

Das ist auch manchmal ein Problem. Manchmal ist es auch Faulheit, weil man auf Konflikte keinen Bock hat. Doch manchmal geht es auch nicht anders. Meine Schwiegermutter hat das mal bei einer Endprobe mitbekommen, dass ich auch so sein kann – und war ganz stolz auf mich. (lacht) Generell geht es sicher schneller, mit Macht einzugreifen.

Aber das sind Sie nicht?

Nein, auf keinen Fall. Am Ende bleibt es zwar eine Machtposition. Aber ich gehe nicht über Leichen.

Sind Sie bei jeder Arbeit davon überzeugt, dass Sie gut ist?

Das ist jetzt keine Koketterie: Aber ich denke jedes Mal, dass es nicht gut ist. Man guckt es sich acht Wochen an, in den Endproben zwei Wochen lang die Durchläufe. Du siehst jeden Fehler, das Licht ist zu spät, der Ton zu laut, da wurde ein Satz vergessen, ein Kostüm ist falsch. Du drehst durch!

Wo sind Sie bei der Premiere?

Ich schaue sie mir an. Und dann gucke ich noch mal anders drauf, durch die Brille des Publikums.Und da bin ich auch „käuflich“: Wenn das Publikum reagiert, wenn der Applaus super ist, dann habe ich die größte Klappe. Auch wenn ich weiß, dass ich vor ein paar Stunden das alles noch anders gesehen habe. (lacht)

Was macht man, wenn man in der Probenphase merkt, das klappt alles gar nicht?

Man sieht, es entgleitet einem, und man friert ein. Es kommt von hinten eine eiskalte Hand. Das gibt dann meistens große Katastrophen. Da muss man eine Technik finden, wie man da wieder rauskommt – oder Signale frühzeitig erkennt.

Etwa einen Schauspieler oder eine Schauspielerin, wo die Chemie gar nicht stimmt, auszutauschen?

Das habe ich viel zu wenig gemacht. Aber es gibt diese Terrorschauspieler. Ich habe einmal erlebt, dass einer die ganze Produktion torpediert hat. Er tauchte etwa bei Durchläufen nicht auf – irgendwann sahen wir, wie er auf dem Balkon saß und uns dabei zuschaute, wie wir ihn suchten!

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