Spielzeit in Köln beendetWie geht Corona-kompatibles Theater?

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Möglicher Kandidat für die nächste Spielzeit im Schau­spiel? Luk Percevals "Eines langen Tages Reise in die Nacht".

  • Sowohl Oper und Schauspiel als auch das Gürzenich-Orchester bis zum Sommer nicht mehr spielen. Die Spielzeit 2019/2020 ist damit vorzeitig beendet.
  • Axel Hill hat mit den Betroffenen gesprochen und erörtert wie es nun weitergeht.

Köln – Stefan Bachmann hatte sich schon vor anderthalb Wochen „innerlich damit abgefunden, dass wir vor den Sommerferien nicht mehr spielen werden“. Nun haben der Schauspielintendant und seine Kollegin, Opernintendantin Birgit Meyer, Klarheit: In dieser Spielzeit wird es an beiden Häusern keine Aufführungen mehr geben, und auch das Gürzenich-Orchester wird nicht mehr auftreten.

Es sei natürlich „bitter“, so Bachmann im Gespräch mit der Rundschau. „Aber ich habe mich dafür eingesetzt, damit wir Klarheit bekommen und weiterarbeiten können. Auf dieser Grundlage ist es nur einfacher, sich für die nächste Spielzeit zu rüsten.“ Einfacher sicherlich, aber weit entfernt von einfach.

Kein leichter Schritt

Man müsse darüber nachdenken, wie man generell den Betrieb hinter der Bühne, Proben oder auch das Bühnengeschehen unter Einhaltung der Hygienevorgaben umsetzen könne. Und welche künstlerischen Auswirkungen das habe. So sei seine eigene Inszenierung von Elfriede Jelineks „Schwarzwasser“ (Premiere sollte Anfang April sein) „überhaupt nicht Corona-kompatibel. Was einem aus dem Repertoire ins Auge springt, ist natürlich ,Eines langen Tages Reise in die Nacht’ von Luk Perceval, in der die Schauspieler in einzeln Boxen sitzen. Aber im Verlauf gibt es dann doch Berührungsmomente. Da stellt sich die Frage, kann man das vermeiden? Oder zeigt man den Abend erst wieder, wenn die originale Version wieder möglich ist?“

Wie lange kann man noch verzichten?

Wichtig sei aber auch, „den Zuschauern gegenüber vertrauenerweckend“ zu sein. „Ich habe jetzt einen allerersten möglichen Saalplan vom Depot 1 gesehen – da kämen wir momentan auf gut 100 Plätze. Vielleicht ändert sich das noch nach unten oder oben.“ Und an dieser Stelle stellt sich dann auch irgendwann die Frage der Ökonomie, wobei Bachmann klarmacht: „Stadttheater war noch nie etwas, das sich besonders ökonomisch ausgewirkt hat, sondern ist ein essenzieller, kultureller Bestandteil unserer Gesellschaft und da ist die Frage, wie lange man darauf verzichten will. Aber die Theater werden auch anfangen zu rechnen, was ist teurer: irgendwie spielen oder vorübergehend gleich ganz schließen? Aber das kann nicht die einzige und nicht die vorrangige Überlegung sein. Wir haben eine Aufgabe: zu diskutieren und zu debattieren, was da gerade mit uns passiert!“

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Auch seiner Kollegin Birgit Meyer fällt die Absage der restlichen Spielzeit, „alles andere als leicht, sie scheint aber zum jetzigen Zeitpunkt unumgänglich“. Und auch sie konzentriere sich mit ihrem Team nun darauf, „die Kölner Opernsaison 2020/21 bestmöglich, unter Berücksichtigung aller zur Eindämmung des Coronavirus erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen, vorzubereiten. Ich hoffe, dass bald noch genauere Erkenntnisse über die Pandemie vorliegen, so dass neue Rahmenbedingungen für ein kulturelles Leben in Köln geschaffen werden können.“

Wie geht es fürs Gürzenich-Orchester weiter?

Dieses Anliegen beschäftigt natürlich auch das Gürzenich-Orchester, das zum einen nicht mehr nur in der Oper spielen können wird, zum anderen auch seine Auftritte in der Philharmonie abgesagt hat.

Das betrifft neben „drei Abonnement-Programmen und einem Kooperationskonzert mit der Rheinischen Musikschule die Aufführung mit unserer Neugründung, dem Bürgerorchester. Das wollen wir aber auf jeden Fall im Herbst nachholen“, verspricht Stefan Englert, der geschäftsführende Direktor des Gürzenich-Orchester.

Aber ausschlaggebend ist natürlich, in wieweit die bisher geltende Abstandsregel von anderthalb Metern noch weiter eingehalten werden muss. Dann werde eine Aufführung auf der Bühne der Philharmonie nicht möglich sein. „Ein Werk wie ,Sacre du printemps’, das wir im Rahmen von Acht Brücken gespielt hätten, ist da einfach nicht umsetzbar.“ Streicher könnten vielleicht noch mit Mundschutz spielen, Bläser natürlich nicht. „Und bei Bläsern wird eine Entfernung von fünf Metern empfohlen! Und wenn auf der Bühne die Musiker mit riesigen Abständen von einander sitzen, ist das natürlich auch für die Qualität eines Ensembles eine total starke Einschränkung!“

Ähnliches gelte für Opernaufführungen im Staatenhaus. „Man muss jetzt sehen, wie sich die gesamte Situation weiterentwickelt. Aber es ist durchaus so, dass auch in der kommenden Spielzeit mit Einschränkungen zu rechnen sein wird. Wir wissen es nur im Augenblick noch nicht, haben aber die Verpflichtung, in verschiedenen Szenarien zu denken“, so Englert. So werde man vielleicht Repertoireänderungen erwägen. Zum Beispiel für die nächste Saison geplante Stücke mit großer Besetzung – etwa „Also sprach Zarathustra“ – nicht aufführen und durch andere ersetzen. „Bei anderen Stücken wäre vielleicht eine Reduzierung der Streicher denkbar – wenn das möglich ist.“

Zum Spenden ermuntert

All dies werde man eng mit den bereits verpflichteten Solisten und Gastdirigenten abstimmen. „Auch wenn wir dann Programme ändern, würden wir an ihnen festhalten.“ Genauso wie man den Gästen, denen man bis Sommer absagen musste, versprochen hat, sie in späteren Spielzeiten zu berücksichtigen. Man habe entschieden, Ausfallhonorare nicht zu zahlen.

„Doch wir werden temporär Orchesteraushilfen, also Musiker, die tatsächlich keine feste Beschäftigung haben, für die ersten Wochen der Absage die Honorare auch zahlen. Aber das können wir auf Dauer auch nicht durchhalten. Wir haben unsere Abonnenten ermuntert, statt sich das Geld auszahlen zu lassen, es an die Orchesterstiftung zu spenden, die diesen Musikern helfen soll.“ Und Stefan Englert freut, „dass auch unsere Musiker das gemacht haben!“

Offen ist, wie die Philharmonie verfahren wird. „Wir haben noch keine offizielle Abmachung mit der Stadt getroffen, was unsere Veranstaltungen bis 23. August angeht“, so Sprecher Othmar Gimpel.

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