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„Stimme des Friedens“Kontroverse im Vorfeld des Friedenspreises für russische Autorin

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Ljudmila Ulitzkaja, Schriftstellerin.

Ljudmila Ulitzkaja, Schriftstellerin. 

Die Friedensstadt Osnabrück würdigt eine russische Autorin und einen ukrainischen Karikaturisten. Der kommt nicht zum Festakt, nimmt den Preis aber an.

Wir müssen, mindestens, solange der russische Angriffskrieg die Ukraine verwüstet, eines akzeptieren: dass Ukrainer alles Russische vehement ablehnen. Deshalb ist Sergiy Maidukov, der ukrainische Zeichner und Karikaturist, nicht nach Osnabrück gekommen, um den mit 5000 Euro dotierten Sonderpreis entgegenzunehmen, der gemeinsam mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis verliehen wird.

Stimme der Opposition

Sein Bedarf an allem, was russisch ist, sei momentan gedeckt, teilte Maidukov sinngemäß mit. Außerdem dürfe er die Ukraine wegen einer Kulturveranstaltung nicht verlassen. „Wir akzeptieren selbstverständlich, dass er heute weder bei uns sein kann noch bei uns sein möchte“, sagte Susanne Menzel-Riedl, Präsidentin der Universität Osnabrück, in ihrer Funktion als Jury-Vorsitzende des Friedenspreises beim Festakt. „Wir hoffen sehr, dass wir Sergiy Maidukov zu einer anderen Gelegenheit in unserer Stadt begrüßen dürfen“, ergänzt sie.

Angenommen hat er den Preis ja. Grund für sein Fernbleiben ist die Trägerin des mit 25 000 Euro dotierten Hauptpreises, die russische Autorin Ljudmila Ulitzkaja. Eine Stimme der Opposition schon in der Sowjetunion, eine scharfe Kritikerin des Putin-Regimes, die den russischen Angriffskrieg verurteilt, eine „Stimme des Friedens“, wie die Osnabrücker Oberbürgermeisterin Katharina Pötter bei der Preisverleihung sagte.

Aber das kategorische ukrainische „Nein“ schließt die russische Opposition ein. Auch wenn das schwer zu begreifen ist.

Im Konflikt nicht neutral

Laudatorin Stefanie Schüler-Springorum lobt Ulitzkajas „Kunst, Geschichte in Geschichten zu erzählen“ und den „analytischen Röntgenblick auf die russische Gesellschaft.“ In der Gorbatschow-Ära erlebte die russische Autorin ihren Durchbruch, mit Putins Machtübernahme sei sie „wieder zur Dissidentin geworden.“ Schon 2014 sagte Ulitzkaya, „mein Land hat der Kultur und dem Humanismus den Krieg erklärt.“

Warum hat sich die Jury des Friedenspreises für Preisträger aus Russland und der Ukraine entschieden? Der Jury sei klar gewesen, „dass ein Friedenspreis keinen Frieden macht“, sagt Menzel-Riedl. „Vermutlich ist es so, so bitter es auch sein mag, dass auch dieser ersehnte Frieden herbeigeschossen werden muss.“

Nein, die Preisvergabe soll kein Versuch sein, passend zum 375-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens, Russland und die Ukraine an einen Tisch bringen. Schon, als sich Ulitzkaja am Nachmittag ins Goldene Buch der Stadt einträgt, macht Oberbürgermeisterin Pötter deshalb die Position der Friedensstadt Osnabrück klar, und sie wiederholt das beim Festakt: „Ich möchte betonen, dass wir in diesem Konflikt nicht neutral sind“, sagt sie.

An der Seite der Ukraine

„Wir sehen uns auch nicht in einer Vermittlerrolle. Wir stehen als Stadt Osnabrück vielmehr fest an der Seite der Ukraine. Denn Russland trägt ganz eindeutig die Alleinschuld an diesem Krieg.“ Nein, die Motivation war eine andere: „Wir widersetzen uns der Logik des Krieges“, sagt Menzel-Riedl. Der Preis soll als „Zeichen der Hoffnung“ verstanden werden, und als Appell, „dass nämlich die Logik des Krieges nicht das letzte Wort haben darf.“

Das leitet die Jury vom Namensgeber des Preises her: „Remarque nimmt Partei, aber sein Humanismus grenzt die Menschen des Feindes nicht aus."