Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Nach 41 Jahren an der StudiobühneKölner Regisseur Dietmar Kobboldt geht in Ruhestand

Lesezeit 4 Minuten
Regisseur Dietmar Kobboldt.

Regisseur Dietmar Kobboldt. 

Dass er sein Arbeitsleben nicht dort beendet, wo er es all die Jahre verbracht hat, nämlich in der Alten Mensa, erfüllt Kobboldt durchaus mit Wehmut.

Beamtet war er nie, und eine goldene Uhr für seine Betriebstreue wird ihm die Universität als Arbeitgeberin wohl auch nicht spendieren. Nach allen Begegnungen mit Dietmar Kobboldt, in denen es um die studiobühneköln, um Inszenierungen und Spielpläne ging, kommt man angesichts seines bevorstehenden Abschieds im Gespräch auf ganz neue Fragen.

Aus der Villa in Marienburg

Unglaubliche 41 Jahre hat Dietmar Kobboldt an der Studiobühne (wie eigentlich jeder noch sagt) gearbeitet - zunächst als Studentische Hilfskraft während des Studiums der Theaterwissenschaft, dann zuständig für Programmplanung, Finanzen und Nachwuchsförderung zusammen mit Georg Franke, dem er 2012 als Leiter folgte.

Dass er sein Arbeitsleben nicht dort beendet, wo er es all die Jahre verbracht hat, nämlich in der Alten Mensa an der Universitätsstraße, erfüllt Kobboldt durchaus mit Wehmut. Seit zwei Jahren wird das Haus kernsaniert und auf neuesten Bühnenstand gebracht. Das Team residiert derweil auf unbestimmte Zeit in einer Villa in Marienburg; die Produktionen werden als „Auswärtsspiele“ unter anderen in TanzFaktur und Orangerie gezeigt.

Der scharfe Blick auf die Zeitläufte ist Kobboldt und Dramaturg Tim Mrosek im stillen Grün nicht abhanden gekommen: Das Programm der nächsten Spielzeit ist hochpolitisch und für eine „Wander-Bühne“ mit allein elf Uraufführungen auch riesig.

Bei voller Fahrt in Ruhestand

Eröffnet wird die Spielzeit am 7. September in der Orangerie mit „Mein Vater war König David“. Dass er am 31. Oktober quasi bei voller Fahrt in den Ruhestand wechselt, ficht Kobboldt nicht an: „Dann ist es auch mal gut“, sagt der noch 65-Jährige ungerührt -- Generationswechsel seien nötig.

Die finanzielle Sicherheit der Universitätsinstitution hat Dietmar Kobboldt stets als Verpflichtung verstanden, keinen Mainstream zu zeigen. Ästhetisch etwas zu riskieren, war stets Anspruch und Leitmotiv der Studiobühne: „Bei uns haben immer Sachen Platz gefunden, die woanders nicht oder noch nicht möglich waren“, erklärt Kobboldt und leugnet „gar nicht, dass es auch Versuche gegeben hat, die gescheitert sind. Aber manchmal hat ja das Experiment, das nicht funktioniert, den größeren Erkenntniswert.“

Zu Beginn der 80er Jahre, „als ich hier angefangen habe, gab es die freie Szene noch nicht“. Bis Mitte der 90er Jahre sei es dann weniger um ästhetisches Neuland gegangen als vielmehr um Emanzipation - dass man als kleine freie Bühne Theaterverlagen das Spielrecht für „Groß und Klein“ von Botho Strauß oder Else Lasker-Schülers „Ichundich“ abtrotzte, waren Meilensteine.

Kölner Theaterpreis

1991/92 gründete er als Regisseur das eigene Ensemble c.t.201, mit dem er die Grenzen von Sprech- und Musiktheater verschob - etwa 2008 „in der verrücktesten Produktion, die ich je gemacht habe“; einem fünfstündigen „Parsifal“, bei dem die Zuschauer einem einzigen Schauspieler zusahen, der nichts tat, als sich die komplette Live-Radioübertragung anzuhören.

Für „Die Sinfonien des Johannes Brahms“ gewann c.t.201 den Kölner Theaterpreis 2002. Stücke, bei denen Kobboldt wusste: „Dieses Grenzgängertum hin zur Musik, das ist genau meins!“ 1995 hatte es den Theaterpreis für „Iphigenie auf Tauris“ gegeben, keine Gruppe wurde öfter nominiert. Als er die Gesamtleitung der Studiobühne übernahm, verließ Kobboldt c.t.201 und verfolgte mit Tim Mrosek konsequent das Programm: „Wir wissen nicht, was wir suchen, aber wir wollen auf jeden Fall die ersten sein, die es entdecken!“ Wer die Fackel in seiner Nachfolge weitertragen wird, gibt die Universität voraussichtlich zum Monatsende bekannt.

Seine kulturpolitische Arbeit hat Dietmar Kobboldt nach und nach bewusst beendet, sei es in der Kölner Theaterkonferenz, im KulturNetzWerk Köln oder den Foren zum Kulturentwicklungsplan ("wir haben ganz schön viel durchgesetzt!"). Dass jetzt junge Leute kämen, sei wichtig und „ein ganz normaler Prozess“.

Man darf sich also den leidenschaftlichen Theatermann nach 41 Jahren als zufriedenen Rentner vorstellen: „Alles abzugeben und ein freier Mensch zu sein, ist ein ausgesprochen gutes Gefühl“, findet Kobboldt. Fehlt nur noch die große barrierefreie Wohnung, in der er mit zwei Freunden eine Alten-WG gründen möchte.

Uraufführungen

„Auswärtsspiele“ 2023/24:Nach der Eröffnung am 7. September setzt sich der Reigen von insgesamt elf Uraufführungen und zahlreichen Kooperationen in Bewegung mit „G wie Grüne Armee Fraktion“ des nö-Theater (15.9. Stadthalle Köln-Mülheim), „Ein Mensch ist keine Fackel“ (Krux, 10.10., Orangerie), „Richard III oder CR7istiano“ von David Martinez Morente (11.10., TanzFaktur) sowie „Sohn meines Vaters“ vom Cream Kollektiv (30.11.)

In der neuen Außenspielstätte der TanzFaktur im Technologiepark Vitalisstraße). Wiedersehen kann man unter anderen Tim Mroseks „Total“ am 18. Oktober und ab Februar die Produktionen „Shit(t)y Vol1“ des Analog Theaters (beide TanzFaktur).

Das Festival „theaterszene europa“ gastiert vom 22. bis 29. September in der Orangerie, „west off 2023“ vom 20. bis 24. November und „fünfzehnminuten“ vom 18. bis20. Januar in der TanzFaktur. (SK)

www.studiobuehnekoeln.de