Tankstellen der 50er und 60er JahreAuf den Spuren der vergessenen Benzin-Paläste

In Köln hat Joachim Gies diese Tankstelle gefunden.
Copyright: Joachim Gies Lizenz
Köln/Düsseldorf – Heute ist die Tankstelle zugleich Supermarkt und Schnellimbiss. Der Benzinverkauf läuft nur noch nebenher. Aber als die Autos noch Heckflossen hatten und das Benzin bleischwer im Tank gluckerte, da waren sie kleine Kunstwerke: Die Dächer geschwungen, die Kassenhäuschen aus Glas. Tankstellen aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik wirken im Vergleich zu den Selbstbedienungs-Stationen von heute wie Miniaturen. Meist sind sie kaum größer als ein Einfamilienhaus.
Die großen Mineralöl-Ketten haben die Mini-Tanken an der Straßenecke längst aufgegeben. Weil sie zu wenig Platz für das neue Warensortiment geboten haben und: Weil sich die Verkehrswege verändert haben. Standorte in den Städten sind durch Neubauten an den Ausfallsstraßen ersetzt worden.
Heute Currywurst-Buden und Autowerkstätten
Den Kölner Fotografen Joachim Gies interessiert, was heute aus den Tankstellen geworden ist. Er hat für die Abschlussarbeit seines Fotografie-Studiums an der Fachhochschule Dortmund über 260 Adressen in ganz NRW besucht: Die früheren Tanken sind heute Currywurst-Buden, Autowerkstätten und Wohnungen. Die Recherche hat Gies mehrere Jahre begleitet. Daraus entstanden ist das Buch "Abgetankt", das inzwischen in als Hard- und Softcover erschienen ist. Darin zu sehen sind 61 Fotografien von früheren Tankstellen, die heute anders genutzt werden.
Die Bauweise machte die Tankstellen unverwechselbar
Unverwechselbar machte die Tankstellen der Vergangenheit ihre Bauweise. „Die Mineralölkonzerne haben versucht, sich mit der Architektur ihrer Tankstellen voneinander abzusetzen“, berichtet Gies von seinen Recherchen. Die "Corporate-Identity" der California-Texas-Oil-Company, deren Spritmarke "Caltex" längst vom deutschen Markt verschwunden ist, war das geschwungene Vordach. Wie eine Muschel schwingt sich das Dach über Zapfsäulen und Kassenhäuschen.
Ausstellung ab dem 4. März in Düsseldorf
Aufmerksam geworden auf die Arbeit des Kölner Fotografen wurde auch die Architektenkammer NRW, wo ab Mittwoch, 4. März, eine Ausstellung mit ausgewählten Motiven aus der Serie "Abgetankt" zu sehen ist. Ernst Uhlig, Präsident der Architektenkammer schreibt dazu: "Jede ehemalige Tankstelle, die heute ein Friseursalon, eine Imbissbude oder ein Reifenlager ist, scheint die Frage zu stellen: Wie zukunftsfest sind unsere heutigen Planungskonzepte, insbesondere im Bereich der Infrastruktur?".
12.828 Kilometer durch NRW
12.828 Kilometer ist Gies in seinem Toyota Corolla abgefahren, durch ganz NRW. Gefunden hat er auf diesen Touren zum Beispiel "Siggi's Backfisch" im oberbergischen Wipperfürth. Wo in einer aufgegeben Tanke viele Jahre ein Fisch-Imbiss zu finden war. Entsprechend hat Gies seine Arbeit auch thematisch gegliedert, zum Beispiel in "Essen-Trinken" und "Auto-Mobil".
Von den 260 Adressen, die Gies aufspürte, hat er zunächst Testbilder gemacht und schließlich aussortiert. Von 80 Orten machte er dann aufwendige Aufnahmen. Immer in der Dämmerung, der blauen Stunde. Wenn das Licht eingeschaltet und der Himmel tiefblau war. Dadurch hat Gies den Bildern eine eigene Ästhetik gegeben. Auf den Fotografien sind keine Menschen zu sehen. Nichts, was vom Motiv ablenkt.