Theater BonnOper „Agrippina“ zeigt die Lächerlichkeit der Machtmenschen

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Marie Heeschen (Poppea), Pavel Kudinov (Claudio), Louise Kemény (Agrippina) und Lada Bočková (Nerone) in einer Szene der Oper „Agrippina“ im Theater Bonn.

Marie Heeschen (Poppea), Pavel Kudinov (Claudio), Louise Kemény (Agrippina) und Lada Bocková (Nerone) in „Agrippina“

Georg Friedrich Händels Oper „Agrippina“ dramatisiert das Leben der römischen Kaisergemahlin. Das Theater Bonn brachte eine sehr humorvolle Inszenierung auf die Bühne.

Der römische Kaiser Claudius als Donald-Trump-Parodie: Die hohlen Gesten der Macht und Volksverbundenheit, der Selbstvergewisserung und Selbstherrlichkeit sorgen im Theater Bonn für Gelächter. Bass Pavel Kudinov gibt den Kaiser als aufgeblasenen Fatzke mit dem Herz am rechten Fleck und viel Gefühl bei seinen Arien und wird damit zum Publikumsliebling.

Um die Lächerlichkeit von Machtmenschen geht es in Georg Friedrich Händels Oper „Agrippina“ tatsächlich. Uraufgeführt 1709 in Venedig war sie ein Spiegel der Ränke der venezianischen Patrizier und wurde gerade durch diese Aktualität ein großer Erfolg. Librettist Vincenzo Grimani gehörte selbst dem venezianischen Klüngel an und adaptierte das Intrigenspiel der römischen Kaisersgemahlin Agrippina als Polit-Satire, in der die Strippenzieherin ihrem Sohn den Weg zur Macht ebnet.

Politisches und Privates sind eins

Der junge Komponist Händel, auf Bildungsreise in Italien, komponierte dazu fulminante Arien und satten barocken Klang. Der große Erfolg in Venedig sorgte für Händels Durchbruch als Star-Komponist. Die historische Agrippina die Jüngere, Kolonie-Gründerin und im heutigen Köln geboren, verschwand schon damals hinter der Opernfigur. Regisseur Leo Muscato interpretiert das Werk in Bonn als köstliche Boulevardkomödie mit Slapstick-Elementen und Knalleffekt.

Ein drehbarer Winkel ist auf einer Seite Privatsphäre, auf der anderen öffentlicher Raum, bis sich im dritten Akt die Trennung aufhebt, da bei Hof Privates und Politisches ohnehin eins ist. Federica Parolini (Bühne) und Silvia Aymonino (Kostüme) geben der Szene mit Säulen und Wandmalereien einen antiken Look, setzen bei der Gestaltung der Figuren aber auf das Komische, fast Karnevaleske. Auch Insignien von Macht wie Lorbeer, Purpur, Orden, sind ein Witz.

Humorvoller Abend im Bonner Theater

Eigens für diese Produktion wurde das Werk um eine knappe Dreiviertelstunde gekürzt. Mittels sehr kleinteiliger und daher kaum merklicher Striche, etwa bei Wiederholungen oder Rezitativen, ist dies eine musikalische Entschlackung, die das Stück ohne Substanzverlust aktuellen Hörgewohnheiten anpasst und auch damit zur Kurzweil des Abends beiträgt. Der Barock-Experte Rubén Dubrovsky dirigiert das Beethoven Orchester Bonn und schafft mit der werktypisch kleinen Besetzung einen süffigen, zeitgenössischen Händel-Klang.

Agrippina, mächtig und intrigant, tritt zunächst im Lingerie-Look auf, danach im Designerkleid mit wechselnden Pelzkragen und knallbunten Perücken, eine Mischung aus schlau, sexy und Schreckschraube. Sopranistin Louise Kemény überzeugt in der Titelrolle mit Spielfreude und starker Stimme, auch wenn sie im dritten Akt bei den Spitzentönen zu kämpfen hat.

Mit berührenden Liebesarien

Ihr zur Seite stehen schwache Männerfiguren mit grotesk ausgepolsterten Brüsten und Wänsten, täppisch die Mit-Intriganten Pallas und Narziss (Carl Rumstadt und Charlotte Quadt) und, noch zu klein für das Rednerpult der Macht, ihr Söhnchen Nero (Lada Bočková), am Ende mehr an der Feuerschale als an der Frau interessiert.

Ihr gegenüber stehen die kokette Kontra-Intrigantin Poppea (Marie Heeschen), der es gar nicht recht ist, wie ein Spieluhr-Püppchen nach dem Willen der Männer zu tanzen, und der verpeilte Feldherr Otho (Benno Schachtner), der ein Imperium für die Liebe dahingibt. Countertenor Schachtner ragt gerade mit seinen berührenden Liebes-Arien aus dem starken Ensemble nochmals heraus.

Durchweg humorvoll ist das Spiel auf der Bühne. Der Spaß wirkt sogar bis in die Musik hinein, wenn die eine oder andere Koloratur mit Aktion kombiniert ist, die Damen zu Händel Macarena tanzen oder Yoga üben oder wenn Kaiser Claudius das musikalisch prächtige „Ich bin der Jupiter Roms“ singt, sich dabei in peinliche Posen begibt und eine Fratze schneidet. Dafür gibt’s sogar noch beim Schlussapplaus Jubel vom Publikum.

Wieder am 4./10.2, 19.30 Uhr; 12.2. 16 Uhr; 26.2., 18 Uhr; 9./11./19.3. 19.30 Uhr; 15./22.4. 19.30 Uhr, Karten-Telefon 0228 / 778008.


Auf einen Blick

Das Stück: Die italienischsprachige Oper von Georg Friedrich Händel in zeitgenössischem Klang, für die Aufführung leicht und ohne Qualitätsverlust gekürzt. Die Regie: Barock-Oper als Boulevardkomödie – denn das Spannungsdreieck Macht-Mensch-Sex ist zeitlos. Das Ensemble: Sängerisch starke Besetzung mit komödiantischen Höhepunkten und starken, emotionalen Arien. (fel)

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