Weit weg von SelbstlobDésirée Nosbusch stellt bei lit.Cologne Autobiografie vor

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Köln – Der Erfolg platzt ihr gewissermaßen ins Kinderzimmer. Als Zwölfjährige plaudert Désirée Nosbusch im Studio von Radio Luxemburg, wird von Frank Elstner entdeckt, interviewt bald Pierre Brice, moderiert für RTL „Hits von der Schulbank“ und später „Music-Box“ fürs ZDF, spielt mit 16 in Wolf Gremms Irmgard-Keun-Verfilmung „Nach Mitternacht“. Eine Karriere mit Katapultstart.

Nun stellt die 57-Jährige Luxemburgerin aus Esch-sur-Alzette auf der lit.Cologne ihre Autobiografie mit paradox schillerndem Titel vor: „Endlich noch nicht angekommen“. Und sie bekennt gegenüber der für Bettina Rust eingesprungenen Moderatorin Shelly Kupferberg: „Es gibt Momente, Phasen, Jahre in meinem Leben, an die ich mich nicht so gern erinnere. Die wollte ich eigentlich weglassen, aber dann erzählt sich das Leben nicht mehr.“

Désirée Nosbusch beschreibt Abhängigkeit von Manager

Also erfährt man in der Comedia, wie Nosbusch spätestens mit 16 in die fatale Abhängigkeit von ihrem Manager gerät, der sie sexuell wie finanziell ausnutzt. Den Namen des 26 Jahre älteren, später von seinem Sohn erstochenen Mannes nennt sie weder auf der Bühne noch im Buch – es ist aber ein offenes Geheimnis, dass es sich um Georg Bossert handelt.

„In Talkshows schrie etwas in mir, wenn es um die ,Liebe’ zu meinem Manager ging“, sagt sie und schreibt: „Dieser Mann hat mich vergewaltigt. Ich weiß noch, wo und wann. Ich wollte es nicht, und was Liebe war, wusste ich nicht.“

Erst mit 25 kann sie sich aus der kranken Beziehung befreien, wobei ihr der Verlassene zunächst als Stalker gespenstisch „treu“ bleibt. Ein Schattenmann, den sie aber in der ersten Ehe mit Harald Kloser und danach mit Tom Bierbaumer endgültig abschüttelt.

Nosbusch hebt in ihrer Autobiografie nicht zum Selbstlob an

Überhaupt wirkt die ebenso attraktive wie blitzgescheite Frau letztlich unbezwingbar, setzt aber in den mit Hilfe des „Stern“-Journalisten Jochen Siemens geschriebenen Memoiren nicht zum branchenüblichen Selbstlob an. Da gibt es wunderbare Erinnerungen an die polyglotte Kindheit: Zuhause wird nicht nur luxemburgisch gesprochen, da die Mutter aus Italien stammt, dazu französisch und deutsch in der Schule. Ideale Voraussetzungen für ihre großen Moderationen vom „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ bis zum Genfer Automobilsalon, für den die Tochter eines LKW-Fahrers beste Vorkenntnisse mitbringt.

Der nächste Schnitt

Als Regisseurin hatte Désirée Nosbusch schon 2001 mit dem Kurzfilm „Ice Cream Sundae“ (immerhin mit Tippi Hedren) debütiert. Nun hat sie ihr Spielfilm-Regiedebüt „Poison“ nach Lot Vekemans’ Theaterstück „Gift“ abgedreht. Tim Roth und Trine Dyrholm spielen das getrennte Ehepaar, das sich am Grab des Sohnes wiedersieht. „Achteinhalb Jahre habe ich gebraucht, um das Geld zu beschaffen“, erzählt die Regisseurin, die auf eine Festivalpremiere in diesem Herbst hofft. (Wi.)

Und die Schauspielerei? Nosbuschs filmische Jugendsünde „Der Fan“ löst einen Nacktszenenskandal samt Karriereknick aus. Ihre Trotzreaktion: Elektrisiert vom Talentproben-Filmhit „Fame“ reist sie per Billigticket nach New York, schafft die Aufnahme in die berühmte Herbert-Berghof-Mimenschmiede. In Köln liest sie aus dieser elektrisierenden Zeit, als sie mit Leonard Bernsteins Sohn und Julie Andrews’ Tochter in einer Klasse probt, wo dann auch mal Ex-Schüler Robert DeNiro nach dem Rechten sieht.

Zwar besetzen die Brüder Taviani die Aktrice für „Good Morning, Babylon“, doch später in Los Angeles bleibt der ganz große Erfolg aus. „Es gab ganze Jahre, in denen ich gar keine Angebote hatte.“

Nosbusch bleibt selbstkritisch

Die Ursache sucht das selbstkritische Multitalent bei sich: „Ich war als Moderatorin zu präsent und habe oft den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht.“ So 2006, als sie bei den Ruhrfestspielen die Katharina in Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ verkörperte. „Ich war nicht bereit, ich war nicht wirklich gut.“

Danach macht die zweifache Mutter ihre mimischen Hausaufgaben im gedimmten Rampenlicht des Luxemburger Kasemattentheaters. Dort tastet sie sich an jene tiefe Rollendurchdringung heran, die ihr zuletzt in „Bad Banks“ oder dem „Irland-Krimi“ gelingt Lob einträgt.

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Inzwischen sieht sich die Weltenbummlerein („Ich habe viele Heimaten“) als „Frau-Frau“. Versöhnt mit dem Alter, das man ihr ohnehin nicht ansieht, und jenseits von der früheren Gefallsucht gegenüber autoritären Regisseuren. Irgendwie ist sie also doch angekommen – nur bestimmt an keiner Endstation.

Désirée Nosbusch: Endlich noch nicht angekommen.Ullstein, 352 S., 22,99 Euro.

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