Coronavirus in Nordkorea50 Tote in Pjöngjang – Kim Jong Un mit Situation überfordert?

Der Diktator in der Apotheke: Das Militär solle die Arzneiversorgung in Pjöngjang „sofort stabilisieren“, befahl Kim.
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Tokio/Pjöngjang – Die Mitarbeiter haben versagt, lässt Kim Jong Un erklären. Laut staatlicher Nachrichtenagentur Korean Central News Agency hat Kim „das Kabinett und den öffentlichen Gesundheitssektor stark für ihre verantwortungslose Arbeitseinstellung und Organisations- wie Durchführungsfähigkeit“ kritisiert. Medizinische Maßnahmen erreichten die Bevölkerung nicht rechtzeitig, die Verantwortlichen „verstehen die gegenwärtige Krise nicht“.
Die harschen Worte, die der Regierungschef und Diktator von Nordkorea wählt, lassen erahnen, wie rasant sich die Pandemie im Land ausbreitet. Erst Mitte vergangener Woche vermeldete der abgeschottete Ein-Parteien-Staat seinen ersten offiziellen Fall von Covid-19. Mittlerweile sind laut staatlichen Medienberichten 50 Personen gestorben, 1,2 Millionen haben Fiebersymptome. Bei einer Bevölkerung von 26 Millionen ist es ein explosives Wachstum.
Öffentlich gegen eigene Mitarbeiter schießen
Explosiv scheint aber auch die politische Stimmung im Land zu sein. Schließlich reagiert Kim Jong Un ganz anders auf die Ausbreitung des Virus als Regierungschefs anderswo. Öffentlich gegen die eigenen Mitarbeiter zu schießen ist ein Alleinstellungsmerkmal Nordkoreas. Offensichtlich fürchtet Kim um seine Legitimität als politischer Anführer eines krisenerprobten Landes. Denn auch die von ihm getroffenen Maßnahmen sind zumindest umstritten.
Als Ende 2019 der erste Fall von Covid-19 im benachbarten China festgestellt wurde, reagierte Nordkoreas Regierung mit strengen Grenzschließungen. Wichtiger Güterverkehr in das Land, das ohnehin von weitreichenden UN-Handelssanktionen betroffen ist, wurde somit gestoppt. Erst seit Beginn dieses Jahres begannen die Lieferungen wieder – und schleppten womöglich das Virus ein. Pandemiepolitisch schien die totale Isolation ein sinnvoller Schritt. Ökonomisch aber verschlechterte sich eine ohnehin angespannte Lage. Das Welternährungsprogramm der UN befand voriges Jahr, 42 Prozent der Bevölkerung seien unterernährt.
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Kim wiederum scheint zu verstehen, dass seine Regentschaft zumindest in letzter Zeit kaum noch als erfolgreich gesehen werden könnte. Ende 2020 bat er unter Tränen die Bevölkerung um Verzeihung, dass die Entwicklungsziele nicht erreicht worden waren. Die Bilder überraschten, da sich Kim bis dato als unfehlbarer Führer präsentiert hatte. Die offenbare Überforderung bei der Kontrolle der Pandemie wiederum scheint er sich nicht anlasten zu wollen.
Es ist zudem eine Überforderung, die im verfeindeten Bruderstaat Südkorea genau beobachtet wird. Humanitäre Krisen aber wirkten auch öfter schon als Anlass zu etwas Austausch und Hilfsbereitschaft. Der in Seoul erst seit einer Woche regierende Konservative Yoon Suk-yeol, der im Wahlkampf noch einen Konfrontationskurs gegen Nordkorea angekündigt hatte, hat nun wiederholt die Lieferung von Impfstoffen angeboten.
Aus Nordkorea wiederum ist bis jetzt keine Reaktion gekommen. Vom Klassenfeind Hilfe anzunehmen würde womöglich als ein Zeichen der Schwäche verstanden, das sich Kim Jong Un gerade nicht leisten kann.