Politiker und Wissenschaftler sind fassungslos. Sie halten die Wahlplakate für ein völlig falsches Signal.
„Wer lässt sowas zu?“Empörung über Erdoğan-Wahlplakate in deutscher Großstadt

Plakate für die Präsidentenwahl in der Türkei hängen am Frauentorgraben in Nürnberg. Auf den Plakaten ruft Erdogan türkische Wahlberechtigte auf, bei der Wahl am 14. Mai für ihn zu stimmen. Die Stadt Nürnberg muss sich nun Kritik gefallen lassen.
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In Nürnberg sind für den Wahlkampf des derzeit amtierenden türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan Wahlplakate aufgehängt worden – mit offizieller Genehmigung der Stadtverwaltung. Politiker und Wissenschaftler sind empört.
In der Türkei wird am 14. Mai gewählt, Präsident Erdoğan hofft auf eine weitere Amtszeit. Gelingen soll das auch mithilfe der Stimmen aus Deutschland. Die 1,5 Millionen Türken in Deutschland dürfen schon jetzt mitentscheiden, ob Ankaras Präsident an der Macht bleibt. Um möglichst viele Stimmen zu erhalten, wirbt Erdoğan deswegen auch in Deutschland mit Plakaten. Genau das kritisieren Politikerinnen und Politiker nun entschieden.
Massive Kritik an Erdoğan-Plakaten in Nürnberg
Ein lächelnder Erdoğan, die Hand aufs Herz gelegt – so ist der türkische Präsident seit Tagen auf Plakaten in Nürnberg zu sehen. „Die richtige Zeit, der richtige Mann“ steht in türkischer Sprache auf den Wahlplakaten. Insgesamt 25 davon seien in der Stadt aufgehängt worden, berichtet der „Bayerische Rundfunk“ (BR), möglich sei dies wegen einer Sondergenehmigung der Verwaltung. Bis zum 5. Mai dürfen die Plakate demnach weiterhin rechtmäßig hängen.
Einige Politiker und Wissenschaftler haben dafür wenig Verständnis, auch in den sozialen Medien ist der Aufschrei groß. Der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck kritisierte die Entscheidung. „Wer lässt sowas zu?“, fragte er auf Twitter. Die deutsche Politik müsse „endlich aufwachen“, so Beck weiter in der „Bild“-Zeitung, „Erdogan und AKP sind Antidemokraten“.
Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König kündigt Aufarbeitung an
Der Essener Politikwissenschaftler Burak Çopur wandte sich in einem offenen Brief an Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU), darin sprach er von einem „Skandal“, den der OB nun „zur Chefsache“ machen müsse. Die Aktion sei „höchst verwerflich“, es sei „eine Verhöhnung aller Opfer des Erdoğan-Regimes, nun ständig sein Konterfei auf den Straßen von Nürnberg zu sehen“.
Etwas Vergleichbares habe er in Deutschland noch nicht gesehen, monierte auch Cemal Bozoğlu. Der Landtagsabgeordnete der Grünen aus Augsburg ist in der Türkei geboren und zweifelt an der rechtlichen Grundlage der Aktion. Journalist Eren Güvercin sprach vom „falschen Signal“. Erdoğan und die AKP hätten bereits in der Vergangenheit bei Wahlkämpfen gezeigt, „wie sie mit einem nationalistischen Wahlkampf gesellschaftliche Gruppen in Deutschland gegeneinander aufgebracht haben.“
Erdoğan-Plakate offenbar schon wieder entfernt
Die Nürnberger Stadtverwaltung sah sich durch die Kritik zu einem Statement genötigt. Sie sei wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes dazu verpflichtet gewesen, die Plakatierungen zu genehmigen, argumentierte die Stadt. Nach der bundesweiten Kritik kündigte Oberbürgermeister König Konsequenzen an, er wolle prüfen, warum die Plakate aufgehängt worden seien.
Tatsächlich waren bereits am Montag viele Plakate offenbar schon wieder entfernt worden. Ob dies auf Anordnung geschah, ist bislang noch unklar. In Köln sind indes keine Fälle bekannt. Es habe keine Anfrage für Plakatierungen gegeben, gab die Stadtverwaltung auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bekannt.
Wahlberechtigte Deutschtürken können bis zum 9. Mai ihre Stimmen für die Wahlen in der Türkei abgeben. Der türkische Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu hat Umfragen zufolge gute Chancen, Erdoğan nach 20 Jahren an der Macht zu schlagen.