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Ex-BundespräsidentWulff trägt Bundesverdienstkreuz im Gericht

Lesezeit 3 Minuten

Der Bundesverdienstkreuz an Christian Wulffs Anzug.

Hannover – Mit einem kleinen Detail hat Ex-Bundespräsident Christian Wulff am Donnerstag bei seinem ersten Auftritt vor Gericht größte Aufmerksamkeit erregt: Am Revers seines Anzugs trug der Angeklagte einen besonderen Anstecker - die „Sonderstufe des Großkreuzes“, die höchste Stufe des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Wulff erhielt den Orden automatisch bei seinem Amtsantritt als Bundespräsident im Jahr 2010 und trägt ihn auch nach seinem Rücktritt Anfang 2012. Die „Sonderstufe des Großkreuzes“ ist nach Auskunft des Bundespräsidialamts nur Staatsoberhäuptern vorbehalten.

Die Staatsanwaltschaft wirft Wulff vor, sich 2008 als niedersächsischer Ministerpräsident korrupt verhalten zu haben, als er sich von dem Filmproduzenten David Groenewold zu einem Besuch beim Oktoberfest einladen ließ. Konkret geht es um eine Summe von rund 720 Euro, die der Unternehmer für Wulff und seine Frau Bettina bezahlte. Der Ex-Bundespräsident betonte im Prozess, er habe erst Anfang 2012 erfahren, dass Groenewold für ihn diese Kosten übernommen habe.

Wulff unterstrich in einer 45-minütigen Erklärung seine enge private Nähe zu Groenewold. „David Groenewold ist mein Freund“, betonte er. Der 40-jährige Unternehmer ist mit angeklagt, ihm wird Vorteilsgewährung vorgeworfen. Wulff betonte außerdem, dass er in seinen Ämtern stets auf eine strikte Trennung zwischen Berufs- und Privatleben geachtet habe. Gleichzeitig kritisierte er die extreme Verletzung seiner Privatsphäre. „Die persönlichen Schäden, die meine Familie und ich erlitten haben, werden bleiben. Wahrscheinlich ein Leben lang“, sagte Wulff.

Ministerpräsident in Niedersachsen, Bundespräsident mit nur 51 Jahren: Christian Wulffs Lebensweg verlief immer nur steil nach oben - bis zu seinem Rücktritt als Staatsoberhaupt. Ausgewählte Stationen seiner Karriere:

1975: Eintritt in die Schüler-Union der CDU als 16-Jähriger

1983: Landesvorsitzender der Jungen Union Niedersachsen (bis 1985)

1990: Arbeit als Rechtsanwalt in Osnabrück (bis 1994)

1994: Einzug in den Landtag in Hannover mit 34 Jahren, Wahl zum CDU-Landtagsfraktionschef und zum CDU-Landesvorsitzenden in Niedersachsen (bis 2008)

1998: Niederlage bei der Landtagswahl in Niedersachsen als CDU-Spitzenkandidat und Herausforderer von Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder

2003: Sieg bei der Landtagswahl im dritten Anlauf und Wahl zum niedersächsischen Ministerpräsidenten

2005: Wulff ist im ZDF-Politbarometer erstmals beliebtester Politiker

2008: Wiederwahl zum Ministerpräsidenten in Niedersachsen

2010: Wahl zum Bundespräsidenten nach Rücktritt von Horst Köhler - Wulff setzt sich erst im dritten Wahlgang durch

2011: Erste Berichte über Ungereimtheiten bei Wulff 2012: Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten nach Antrag auf Aufhebung der Immunität durch die Staatsanwaltschaft Hannover

2013: Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Vorteilsannahme gegen Wulff am Landgericht Hannover

Die Verlesung der Anklage dauerte nur wenige Minuten. Staatsanwalt Clemens Eimterbäumer führte aus, dass er nicht nur eine Verurteilung Wulffs wegen Vorteilsannahme, sondern sogar wegen Bestechlichkeit für möglich hält.

Laut Strafgesetzbuch könnte Wulff bis zu drei Jahre Haft bekommen, wahrscheinlich ist aber höchstens eine Geld- oder Bewährungsstrafe. Die Verteidigung erwartet dagegen einen klaren Freispruch. Es dürfe nichts hängen bleiben, betonte Anwalt Bernd Müssig.

Das Landgericht Hannover hat für den Prozess weitere 21 Verhandlungstage bis Anfang April kommenden Jahres angesetzt. Richter Frank Rosenow beendete den ersten Prozesstag nach fast drei Stunden. Am nächsten Donnerstag wird das Verfahren mit der Vernehmung der ersten vier Zeugen fortgesetzt. Dabei handelt es sich um Mitarbeiter des Hotels „Bayerischer Hof“ in München, wo die Wulffs während ihres Oktoberfestbesuches übernachteten. Insgesamt sind 46 Zeugen geladen, darunter auch einige Prominente.(dpa)