Frage des TagesTun Sicherheitsbehörden genug gegen Rechtsextremismus?

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Rechtsextremismus Symbolbild dpa

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  • Nach dem Anschlag von Halle (Saale) ist die Diskussion um Rechtsextremismus neu entbrannt.
  • Es wird diskutiert, ob die Behörden den rechten Terror genügend im Blick haben.
  • Das BKA ist derzeit dabei, neue Strukturen aufzubauen.

Berlin – Das Bundeskriminalamt will mit höchster Priorität unter den 12 700 gewaltbereiten Rechtsextremisten diejenigen identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Anschlag planen könnten. Derzeit haben die Sicherheitsbehörden im Spektrum der Rechtsextremisten lediglich 43 als solche „Gefährder“ eingestuft. Wenn die Behörden sich nun die Rechtsextremisten genauer anschauen, dürften auch mehr als mögliche Terroristen auffallen. Gemeinsam mit den Bundesländern werde seine Behörde das Personenpotenzial in Fallkonferenzen genau prüfen, um das individuelle Gefährder-Potenzial besser abschätzen zu können, sagte BKA-Präsident Holger Münch.

Wie wird die aktuelle Situation bewertet?

„Die Situation ist ernst“, fasste Münch zusammen. Schon seit einiger Zeit sei eine Zunahme rechter Gewalt- und Propagandadelikte zu beobachten. Die Opfer seien Ausländer, Juden, ihre politischen Gegner, aber auch Mandatsträger oder Befürworter einer liberalen Flüchtlingspolitik. „Bedrohungen im Internet schaffen ein Klima der Angst“, erklärte Münch. Das führe auch dazu, dass ehrenamtliches Engagement schwinde und sich vielleicht keine Bewerber für wichtige Ämter mehr fänden.

Wie will das BKA 
vorgehen?

Das BKA will auf die Dauer auch das für die bessere Abschätzung von gefährlichen Islamisten entwickelte Risikobewertungsinstrument „RADAR“ künftig auf Rechtsextremisten anwenden. Wissenschaftler und Polizisten sollen dazu die Kriterien ermitteln, mit denen sich Radikalisierungstrends in Richtung Rechtsterrorismus nach einheitlichen Rastern feststellen lassen. Mit vermehrten umfangreichen Ermittlungsverfahren soll zudem der Verfolgungsdruck auf die Szene und mögliche entschlossene Einzeltäter erhöht werden.

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Hinzu kommt eine verstärkte Aufklärung von Netzwerken, um auch aus deren Analyse heraus Rückschlüsse auf veränderte Risiken ziehen zu können. Zudem will das BKA den Kampf gegen Hasskriminalität massiv ausbauen. Dazu soll es eine Zentralstelle geben, die alle strafrechtlich relevanten Inhalte sammelt und entsprechende Polizeiaktivitäten auslöst. Als Vorbild nennt Münch die Bekämpfung von Kinderpornografie. Hier erhalte das BKA jährlich 70 000 Hinweise von US-Providern, die auf strafrechtliche Relevanz geprüft und bei denen die Täter ermittelt und dann an die örtlich zuständige Polizei übergeben würden.

Was plant der 
Verfassungsschutz?

In enger Abstimmung zu den Polizeibehörden will auch das Bundesamt für Verfassungsschutz das Vorgehen gegen den Rechtsextremismus massiv verschärfen. Die Szene habe sich nachhaltig verändert. Nun müssten neue Anlaufpunkte, Akteure, veränderte Strukturen und Aktionsformen frühzeitig detektiert werden. „Mit dem schrecklichen Anschlag in Halle ist nun leider traurige Realität geworden, wovor ich schon lange gewarnt habe“, erklärte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang. Bereits bei den Anschlägen in Oslo, Christchurch und El Paso habe sich gezeigt, wie die Attentäter soziale Medien, Internet- und Gaming-Plattformen sowie Messengerdienste als virtuelle Kommunikationsräume zur Verbreitung ihrer Feindbilder und ihrer Taten missbrauchten.

Nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes dient das Internet nicht nur Einzelpersonen als Motor für Radikalisierungsprozesse. Virtuell agierende Gruppen könnten situative Netzwerke bilden, die deutlich aktionistischer und in ihrer Zusammensetzung heterogener seien als dies bisher bei starren Organisationen im Rechtsextremismus der Fall war. Wie BKA und LKA im polizeilichen Bereich betrachten Bundesamt und Landesämter für Verfassungsschutz im nachrichtendienstlichen Umfeld die Identifizierung potenzieller Einzeltäter als oberste Priorität. Daneben soll es künftig eine Zentralstelle geben, denen alle Behörden rechtsextremistische Umtriebe in den staatlichen Behörden melden. Damit soll verhindert werden, dass überall vermeintliche Einzelfälle intern behandelt und die Dimension des Problems unklar bleibt.

Welches Ziel sollen durch die 
Pläne erreicht werden?

In Zusammenarbeit von Verfassungsschutz, Polizei, Bund, Land, Kommunen und weiteren Behörden soll die Bewegungsmöglichkeit von Rechtsextremisten eingeschränkt werden. Da könnten Steuerbehörden den Verkauf von Produkten der rechtsextremistischen Szene verfolgen, Ordnungsbehörden mehr Hinweise erhalten, die es ihnen ermöglichen, rechtsextremistische Konzerte zu verbieten. Enger verzahnen will der Verfassungsschutz auch die wissenschaftlichen und operativen Erkenntnisse, um zu einer besseren Ana-lyse des Einflusses der so genannten „Neuen Rechten“ zu kommen. Und es soll künftig auch ein Hinweistelefon zum Rechtsextremismus geben. Aus dem Umfeld des Innenministeriums verlautete, dass vermehrt auch das Mittel des Vereinsverbots zum Einsatz kommen soll. Derzeit laufen angeblich die Vorbereitungen für ein Verbot von sechs rechtsextremistischen Organisationen.

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