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Fragen und AntwortenAlles was Sie zum Corona-Ausbruch bei Tönnies wissen müssen

Lesezeit 4 Minuten
Schlachtbetrieb Tönnies

m Schlachtereibetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück sind zwischen Freitag und Montag weitere 46 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden.

  1. Durch den Corona-Ausbruch beim größten deutschen Schlachtunternehmen drohen den Bauern in der Region Probleme.
  2. Die Händler sehen dagegen noch keine Lieferengpässe.
  3. Wir haben alle wichtigen Fragen zusammengestellt und beantwortet.

Düsseldorf – Kaum waren Schulen und Kitas im Kreis Gütersloh geöffnet, mussten sie auch schon wieder schließen. Der Grund: Hunderte Corona-Fälle bei der Firma Tönnies, dem größten deutschen Schlachtbetrieb. Wütende Eltern machten ihrem Ärger am Donnerstag sowohl vor dem Privathaus von Firmeninhaber Clemens Tönnies in Rheda-Wiedenbrück als auch vor der Firmenzentrale in Ostwestfalen Luft. Wie geht es jetzt weiter? Was bedeutet der neue Ausbruch für den Fleischmarkt und die Verbraucher? Wie sieht es mit der Gesundheit aus? Fragen und Antworten im Überblick:

Wie wichtig ist Tönnies für den deutschen Schweinefleisch-Markt?

Das Unternehmen des Aufsichtsratsvorsitzenden beim Fußball-Bundesligisten Schalke 04 ist in Deutschland eindeutig Marktführer. Nach eigenen Angaben setzte Tönnies als Deutschlands größter Schlachtbetrieb im vergangenen Jahr mehr als sieben Milliarden Euro um und ist damit weltweit die Nummer vier. Es folgen national mit deutlichem Abstand Westfleisch (Münster) und die deutsch-niederländische Vion-Gruppe (Düsseldorf), dahinter sieben kleinere Konkurrenten (siehe Grafik). Die Top-Ten decken gemeinsam etwa 80 Prozent des deutschen Marktes ab.

Droht wegen der Schlachterei-Schließung in Ostwestfalen ein Versorgungsengpass in Deutschland?

Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Tönnies schlachtet dort zwar rund 30.000 Schweine pro Tag; jedes siebte Schwein, das in Deutschland zerlegt worden ist, kommt nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes aus Rheda-Wiedenbrück. Ob es Lief erprobleme gibt, hängt aber unter anderem davon ab, wie schnell der Betrieb am Standort wieder anlaufen kann und vor allem wie problemlos es gelingt, die Schlachtung an andere Standorte zu verlegen. Das scheint bisher zu funktionieren.

Die westfälischen Bauern, die betroffen sind, machen sich dennoch Sorgen: „Ein, zwei Wochen können die Bauern die Situation vergleichsweise verlustarm überbrücken. Dauert die Schließung länger, kommen auf die Schweinemastbetriebe Probleme zu“, sagte Hans-Heinrich Berghorn, Sprecher des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbandes, der Nachrichtenagentur dpa.

Was heißt das für die betroffenen Bauern?

Den Landwirten in Westfalen drohen unter anderem verringerte Einnahmen. Denn Schlachtereien zahlen weniger, wenn die Schweine weiter gemästet und zu fett werden, weil sie vom Schlachter nicht rechtzeitig abgenommen werden. Außerdem könnten Ställe, in denen wegen des Abnahmestaus z u viele Schweine auf engstem Raum gehalten werden müssen, Tierschützer auf den Plan rufen. Und: Längere Anfahrtswege zu anderen Verarbeitern würden die Kosten der Bauern erhöhen.

Was ist mit den Handelsketten, an die Tönnies liefert?

Die sehen bisher offenbar noch keine Probleme. Ein Sprecher der SB-Warenhauskette Real erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, Tönnies habe zugesichert, dass die Schlachtung auf zwei andere Betriebe umverteilt werden könnte. Der Discounter Aldi-Süd teilte mit,die Warenverfügbarkeit der entsprechenden Fleischprodukte sei bis auf Weiteres sichergestellt. Aldi-Filialen würden weiterhin täglich mit frischen Fleischartikeln beliefert. Die Rewe-Gruppe zweitgrößter deutscher Lebensmittelhändler und ebenfalls Tönnies-Kunde, äußerte sich bis zum Abend nicht.

Müssen wir mit steigenden Preisen beim Schweinefleisch rechnen?

Wohl nicht. Erstens macht Schweinefleisch „nur“ noch etwa 60 Prozent des Fleischverzehrs in Deutschland aus (mit abnehmender Tendenz und zugunsten von Geflügel). Zweitens klagen Wursthersteller schon seit Längerem darüber, dass steigende Herstellungskosten kaum noch an den Verbraucher weiterzugeben seien. Die Preissensibilität vieler Kunden beim Fleisch ist eben sehr groß. Sie ist ein Grund dafür, dass das System Billigfleisch mit allen negativen Folgen groß geworden ist. Sollte zudem das Gerücht stimmen, dass ein Drittel der angelieferten Fleischmenge gar nicht verarbeitet wird, sondern im Müll landet, wäre auch dies ein Argument gegen steigende Preise.

Aber Schweinefleisch ist in den vergangenen Jahren doch teurer geworden. Woran liegt das?

Vor allem am Abnehmerland China. Dort grassiert seit zwei Jahren die afrikanische Schweinepest, und darum müssen die Chinesen einen großen Teil ihres Bedarfs importieren. Seit dem Ausbruch der Schweinepest exportiert Deutschland 50.000 Tonnen Schweinefleisch nach China, das ist viermal so viel wie vorher. Einzelne Lieferanten haben ihre Exportzahlen sogar verfünfzehnfacht. China bekommt auch beispielsweise Filets und Schnitzel aus Deutschland, deren Herstellung die Produktion verteuert hat und die Preise steigen lässt.

Sind die rheinischen Mastbetriebe auch betroffen?

Nein. Nach Angaben der zuständigen Landwirtschaftskammer gibt es im Rheinland etwa 1000 Sauenhalter und Mastbetriebe, die ihr Fleisch vor allem an die Tönnies-Konkurrenten Westfleisch und Manten (Geldern) liefern.

Kann man als Verbraucher noch unbesorgt Schweinefleisch essen?

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Virologen: ja. Denn durch Lebensmittel wird das Virus nicht übertragen. Fleisch, das gebraten wird, ist noch unbedenklicher

Kann das System der Werkverträge noch bleiben?

Für die Fleischindustrie sollen nach den Corona-Fällen der jüngeren Vergangenheit künftig strengere Regeln gelten. Das heißt: Die Werkverträge, über die viele Beschäftigte in den Schlachthäusern verpflichtet wurden, sollen ab 2021 verboten sein. Dann dürfen zumindest bei den Großbetrieben nur noch Mitarbeiter aus dem eigenen Unternehmen Fleisch schlachten und verarbeiten. Im Fleischer-Handwerk gilt das nicht – aber da stellt sich das Problem ja auch so gut wie nicht.