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Ifo-StudieDiese Gruppen wurden von der Corona-Krise besonders getroffen

Lesezeit 3 Minuten

Bis zum Verzicht auf Essen reichten die Einschränkungen einiger Familien in der Corona-Krise.

Berlin – Deutschland komme relativ gut durch die Krise, ist immer wieder zu hören. Doch für viele einkommensschwache Familien gilt das nicht. Das zeigt eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts unter 2216 Eltern. Im Extremfall müssen Familien danach sogar auf Mahlzeiten verzichten, weil das Geld knapp ist.

Wen trifft die Krise besonders hart?

Zielgruppe der Befragung im November 2020 waren Familien, die über ein Haushalts-Nettomonatseinkommen unter 3000 Euro verfügen und deren minderjährige Kinder im selben Haushalt leben. Ergebnis: Für ein Drittel der Befragten ist das Geld zum Ende des Monats häufiger knapp als vor der Pandemie. „Besonders betroffen sind Familien unterhalb der Armutsgrenze, Familien mit nur einem berufstätigen Elternteil und Eltern, die nicht im Homeoffice arbeiten können“, sagt Ifo-Forscher Benjamin Arold. Die Armutsgrenze ziehen Wissenschaftler nach einer international gültigen Definition bei 60 Prozent des mittleren Einkommens in Privathaushalten. Für eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern liegt die Armutsgrenze laut Ifo-Institut bei einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 2400 Euro.

„Echte Teilhabe ermöglichen“

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, sagte zu den Ergebnissen der Ifo-Untersuchung: „Die Studie bestätigt, dass die soziale Spaltung der Gesellschaft in der Pandemie weiter zugenommen hat. Einkommensarme Familien wurden noch weiter abgehängt.“ Es fehle nach den Worten von Schneider an notwendiger zusätzlicher Unterstützung. „Wir brauchen deutlich höhere Grundsicherungsleistungen und einen Rechtsanspruch auf Bildung und Teilhabe, der im Kinder- und Jugendhilferecht verankert werden muss, um Armut abzuschaffen und echte Teilhabe für alle zu ermöglichen.“ (uwe)

Welche direkten Folgen hatten die Geldprobleme?

Zwei von fünf Befragten (41 Prozent) berichteten von konkreten Auswirkungen. „In den zwölf Monaten vor der Befragung haben sie beispielsweise Mahnungen wegen verpasster Zahlungen erhalten oder Überziehungskredite in Anspruch nehmen müssen“, fasst Arold zusammen. Jeweils fünf Prozent der Befragten geben an, dass sie ihre Wohnung gar nicht oder weniger heizten und dass sie Besitztümer verkaufen oder verpfänden mussten. Sieben Prozent verzichteten aus Geldnot auf Mahlzeiten. Jeder Fünfte erhielt Mahnungen aufgrund verpasster Zahlungen (die Hälfte von ihnen konnte Rechnungen überhaupt nicht bezahlen). 14 Prozent der Befragten mussten Geld von Freunden oder Verwandten leihen, 18 Prozent nahmen einen Überziehungskredit in Anspruch.

Die angespannte finanzielle Lage wirkt sich der Umfrage nach auch auf das Konsumverhalten der Familien aus: 47 Prozent der Befragten leisten sich demnach in der Corona-Krise weniger als noch zuvor.

Ist die Kluft zwischen Arm und Reich größer?

Ein drastischer Anstieg des Armutsrisikos und der Einkommensungleichheit konnte nach Einschätzung der Ifo-Forscher „weitgehend verhindert werden“. Sie verweisen in diesem Zusammenhang unter anderem auf besondere „Corona-Zuwendungen“ der Bundesregierung wie den Kinderbonus in Höhe von 300 Euro pro Kind im Jahr 2020 und den steuerlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende. „Auch von der Ausweitung des Kurzarbeitergeldes konnten besonders einkommensschwächere Familien profitieren.“

Und wie soll es nun weitergehen?

Die Ifo-Forscher halten fest, dass trotz der speziellen Hilfsmaßnahmen „vulnerable Gruppen von stärkeren finanziellen Einschränkungen während der Corona-Krise berichten“. Abhängig vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie könnten deshalb künftig noch weitere Ausgleichsmaßnahmen nötig werden, um die finanzielle Situation vor allem einkommensschwächerer Familien zu verbessern, so die Forscher.