Interview mit Daniel Günther„Chancen für Jamaika sind da“

Daniel Günther
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- Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) gehört zum Sondierungsteam der Union.
- Für die Gespräche über eine neue Koalition gibt er eine klare Linie aus – und erklärt, warum nur Armin Laschet die Verhandlungen führen kann.
Herr Günther, Hand aufs Herz, haben die Union und auch Sie auf den falschen Kandidaten gesetzt?
Nein, das haben wir nicht. Allerdings sollten wir nicht darüber hinwegreden, dass die persönlichen Umfragewerte von Armin Laschet uns nicht nach oben gezogen haben. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Aber wir haben gemeinsam gekämpft. Nach einigen Tiefs im Wahlkampf hat Armin Laschet am Ende noch deutlich aufgeholt. Wir sollten es uns nicht zu einfach machen, die Schuld nur bei ihm zu suchen.
Aber Bundesminister waren auch keine Hilfe…
Weil Angela Merkel nicht wieder antrat, gab es keinen Amtsbonus. Zudem war klar, dass es in diesem Wahlkampf ein Signal der Erneuerung brauchte. Daher war es richtig von Armin Laschet, auf ein Zukunftsteam zu setzen, deren Mitglieder fast ausschließlich nicht dem Kabinett von Angela Merkel angehörten. Wer Kontinuität wahren, aber auch Aufbruch signalisieren will, der muss neue Gesichter präsentieren.
Merz gegen Parteispitze
Scharfe Kritik an der CDU-Führung äußerte Ex-Unions-Fraktionschef Friedrich Merz. „Die Union hat das thematische Arbeiten verlernt“, seine Partei sei „denkfaul geworden“, sagte er der Funke Mediengruppe. Die CDU habe in der Regierung viel an Profil und Inhalt aufgegeben. Am Wahlkampf kritisierte Merz, es hätten „die Überschriften, die Themen und die Medienstrategie“ gefehlt. Zudem sei Armin Laschet ein Kanzlerkandidat „mit sehr niedrigen Zustimmungswerten in der Bevölkerung“ gewesen.
Unter bestimmten Bedingungen hält sich Merz offenbar eine erneute Kandidatur für den CDU-Vorsitz offen. Bei einer Mitgliederbefragung oder Basiswahl werde er wieder antreten, da die Unterstützung für ihn weiterhin sehr hoch sei, berichtete die „Bild“ unter Berufung auf sein Umfeld. Dass bei der nächsten Vorsitzendenwahl die Basis befragt werden müsse, stehe für den 65-Jährigen fest. (afp/dpa)
Die CDU braucht eine inhaltliche und personelle Erneuerung. Warum geht das nicht parallel zu Gesprächen über eine Regierungsbeteiligung?
Unsere Botschaft ist, wir stehen für Gespräche bereit. Es sind unterschiedliche Koalitionen möglich, in denen die Union entweder eine Rolle spielt oder eben keine. Solange dies nicht entschieden ist, kann die Union gar nicht anders, als mit Armin Laschet für diese Gespräche bereit zu stehen. Das gebietet der Respekt gegenüber den Wählerinnen und Wählern. Ist die Frage der Regierungskoalition entschieden und die Union muss in die Opposition, ist die Situation eine andere. Dann – und da sind sich alle einig – kommt alles auf den Prüfstand. Aber diese Reihenfolge muss eingehalten werden.
Also Solidarität mit Armin Laschet nur so lange, bis die Ampel angeht?
Die Solidarität mit Armin Laschet gilt immer, sie galt im Übrigen schon vor der Wahl. Es wäre im Wahlkampf aber hilfreich gewesen, wenn sich alle daran erinnert hätten, dass ein Spitzenkandidat uneingeschränkte Unterstützung braucht. Dann hätten wir am Ende auch ein besseres Wahlergebnis erreicht. Unabhängig von Solidarität muss sich jeder die Frage stellen, ob er oder sie in diesem Wahlkampf eine Hilfe gewesen ist. Dies sollte nicht nur in Bezug auf eine Person diskutiert werden. Wir müssen uns sicher auch fragen, warum wir als Union inhaltlich hinter unseren Möglichkeiten zurückgeblieben sind.
Aber vielleicht kommt ja doch Jamaika. Die Union hat Sie ins Sondierungsteam berufen. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Die Chancen sind da. Aber die SPD hat etwas besser abgeschnitten als CDU, die SPD hat an Stimmen dazugewonnen, wir haben verloren. Deshalb sind wir nicht in der Favoritenrolle. Aber trotzdem gibt es wichtige Schnittmengen. Ich bin davon überzeugt, dass die CDU in einer Jamaika-Koalition eine wichtige Klammer sein kann, wenn es darum geht Klimaziele zu erreichen, und zugleich die Wirtschaft zu stärken, Arbeitsplätze zu erhalten und so die Gesellschaft mitzunehmen. Denken Sie an die notwendigen Arbeitsmarktreformen, die hätte wahrscheinlich keine andere Partei als die SPD hinbekommen. Genauso gab es in der Flüchtlingskrise Zeiten, in denen es wichtig war, dass die Union Verantwortung übernommen hat. Ich bin der festen Überzeugung, für die notwendige Transformation der Wirtschaft zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz – aber mit dem gesunden Menschenverstand und gemeinsam mit der Wirtschaft – ist die Union in einer künftigen Regierung extrem wichtig.
Wenn man sich die Wahlergebnisse der CDU in Schleswig-Holstein vom vergangenen Sonntag anschaut, dann wären Sie abgewählt, wenn es um den Landtag gegangen wäre…
Wenn Sie sich die Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt anschauen, wäre die CDU dort auch nicht gewählt worden. Sie ist es aber bei der Landtagswahl Anfang Juni. In Mecklenburg-Vorpommern hat die SPD bei einer Landtagswahl parallel zur Bundestagswahl zehn Prozentpunkte mehr geholt für Manuela Schwesig als für Olaf Scholz. Damit bestätigt sich der seit Jahren verstärkende Trend, dass bei Landtagswahlen über Landespolitik abgestimmt wird. Deshalb ist das Bundestagswahlergebnis betrüblich, aber jetzt werden die Karten völlig neu gemischt.
Jamaika steht in Schleswig-Holstein für Unterschiede zwischen den Parteien, aber für gemeinsamen Erfolg. Werden ab sofort aus den Partnern erbitterte (Wahlkampf-)Gegner?
Diese Frage wurde schon oft gestellt und wie immer ist die Antwort nein. Und immer hat sich diese Antwort auch bewahrheitet. Wir haben einen Bundestagswahlkampf geführt und das ist eine Zeit, in der die Parteien Unterschiede herausarbeiten. Das haben wir in Schleswig-Holstein mit dem Blick auf die Bundespolitik auch gemacht. Aber selbst in dieser Phase haben wir erhebliche gemeinsame Projekte angeschoben, ein Klimagesetz verabschiedet. Alle drei Koalitionspartner haben immer wieder betont, dass wir die Legislatur seriös bis zu Ende arbeiten. Das ist übrigens die beste Gewähr, um vor die Wähler zu treten und zu sagen, wir haben noch viel vor, traut ihr uns das zu? Mein Ziel ist es auf jeden Fall, auch in den nächsten Jahren Verantwortung zu übernehmen und weiter zu regieren.