Es ist das erste Mal, dass die Bundesrepublik vom Iran derartig bezeichnet wird. Amnesty International meldet unterdessen drohende Todesstrafen für mindestens 21 Demonstranten.
Wegen Protestwelle im IranKommandeur der Revolutionswächter nennt Deutschland „Satan“

Hussein Salami, Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden (Archivbild)
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Die iranischen Behörden streben die Todesstrafe für mindestens 21 Personen an – alle sind Teilnehmende der Proteste gegen das Regime in Teheran, die das Land seit Wochen beherrschen. Die „Scheinprozesse“ hätten zum Ziel, andere Demonstranten einzuschüchtern und sie so davon abzuhalten, sich den Protesten anzuschließen, berichtet Amnesty International. Der Kommandeur der Revolutionswächter bezeichnete Deutschland unterdessen am Donnerstag als „Satan“.
Die Menschenrechtsorganisation hat eine ausführliche Analyse der bisher bekannten Fälle veröffentlicht und dabei auf „schwerwiegende Mängel“ bei den Verfahren vor den sogenannten Revolutionsgerichten hingewiesen.
Drakonische Urteile im Iran: „Generalangriff auf das Recht auf Leben“
„Die iranischen Behörden müssen unverzüglich alle Todesurteile aufheben“, forderte Amnesty-Sprecherin Diana Eltahawy. „Die Todesstrafe ist die ultimative grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe, deren Abscheulichkeit durch ein grundlegend fehlerhaftes Strafverfahren ohne Transparenz und Unabhängigkeit noch verstärkt wird“.
Die Menschenrechtsorganisation forderte den UN-Menschenrechtsrat, der sich in der kommenden Woche erstmals mit der Situation im Iran befassen will, dazu auf, einen „Untersuchungs- und Rechenschaftsmechanismus“ einzurichten, um gegen den „Generalangriff auf das Recht auf Leben und andere Menschenrechte vorzugehen“.
Proteste im Iran: Tausende von Todesstrafe bedroht
Die Organisation befürchtet, dass Tausende weitere Personen von der Todesstrafe bedroht sein könnten. Mehr als 15.000 Menschen sollen in den letzten Wochen wegen der Proteste im Iran inhaftiert worden sein. Iranische Politiker hatten „harte Strafen“ für diese Menschen gefordert – bis hin zur Todesstrafe. Die Anklagepunkte bei den bisher bekannten 21 Fällen lauten „Korruption auf Erden“ und „Feindschaft gegen Gott“.
Bei mindestens drei der Betroffenen gebe es Hinweise auf Folter und Misshandlungen. So seien „Geständnisse“ von den Behörden „erpresst“ worden, heißt es bei Amnesty. Diese „Geständnisse“ würden nun in den Prozessen gegen die Angeklagten verwendet.
Iran: 15 Jahre Haft für ein Demo-Plakat
Laut der Menschenrechtsorganisation wurde den Angeklagten sowohl anwaltlicher Beistand als auch das Recht auf die Unschuldsvermutung verwehrt. Auch erhalten sie keinen Zugang zu relevanten Beweismitteln.
„Nach internationalem Recht verstößt die Verhängung der Todesstrafe nach einem unfairen Verfahren gegen das Recht auf Leben und das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen“, schreibt die Organisation in ihrer Analyse.
Auch gegen andere Demonstranten werden teilweise drakonische Strafen verhängt. So berichtete die Journalistin Düzen Tekkal am Donnerstag, eine 26-jährige Frau sei von einem Revolutionsgericht zu 15 Jahren Haft verurteilt worden – ihr wurde demnach vorgeworfen, ein Plakat mit einer Abbildung von Jina Mahsa Amini mitgeführt zu haben.
Revolutionsgarden nennen Deutschland „Satan“
Der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) hat unterdessen erneut den Westen für die systemkritischen Proteste im Land verantwortlich gemacht. Irans Feinde hätten sich für einen Krieg vorbereitet, sagte Hussein Salami am Donnerstag während einer Rede in der Stadt Ghom. „Alle Satane der Welt haben sich versammelt. Amerika, England, Deutschland, Frankreich, Israel, die Saudis und weitere.“ Es war das erste Mal, dass ein hochrangiges IRGC-Mitglied Deutschland öffentlich als „Satan“ bezeichnete.
Der Iran wird von einem landesweiten Volksaufstand gegen das System der Islamischen Republik erschüttert, seit die 22-jährige Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 durch die iranische „Sittenpolizei“ in Haft getötet wurde. Die Sicherheitskräfte haben seitdem mit teilweise tödlicher Gewalt geantwortet – mehr als 300 Männern, Frauen und Kindern seien Berichten zufolge bereits getötet und Tausende von Menschen verletzt worden.
In den letzten Tagen erlebten die Proteste einen neuen Höhepunkt, da sich die gewaltsame Niederschlagung einer Protestwelle im Jahr 2019 zum dritten Mal jährt. Damals sollen Berichten zufolge mehr als 1.500 Menschen weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit getötet worden sein.
Zahlreiche Videos und Bilder in den sozialen Netzwerken belegen die Proteste im Iran – und das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte. Am Mittwoch sollen ersten Berichten zufolge erneut drei Menschen getötet worden sein. Es kursierten Videos, die zeigen, wie ein Demonstrant auf offener Straße durch einen Kopfschuss getötet wurde.
Am Donnerstag sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 18 weitere Menschen getötet worden. Sowohl in der Stadt Bukan der Provinz West-Aserbaidschan sowie in Sanandasch, Hauptstadt der Provinz Kurdistan, seien Sicherheitskräfte mit scharfer Munition gegen Protestteilnehmer vorgegangen.