Israel wirft erstmals Hilfsgüter über Gaza ab – doch die Kritik reißt nicht ab. Neue Maßnahmen werfen neue Fragen auf.
Kritik an humanitärer Lage wächstIsraels Armee wirft Hilfsgüter über Gaza ab und verkündet Feuerpause

Israel weist den Vorwurf des Aushungerns zurück.
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Angesichts wachsender internationaler Kritik an der dramatischen humanitären Situation im Gazastreifen hat die israelische Armee erstmals Hilfsgüter aus der Luft abgeworfen. Sieben Paletten mit Mehl, Zucker und Konserven wurden laut Militärangaben in der Nacht von internationalen Organisationen bereitgestellt und per Fallschirm über dem abgeriegelten Küstengebiet abgesetzt. Beobachter werten die Maßnahme als Reaktion auf den zunehmenden internationalen Druck – halten sie aber für unzureichend.
Gleichzeitig kündigte Israel sogenannte „humanitäre Pausen“ und sichere Korridore für UN-Konvois an, um die Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten in besonders dicht besiedelten Gebieten zu ermöglichen. „Jeden Tag bis auf weiteres“ von 10 bis 20 Uhr Ortszeit gelte die Pause in den Gebieten, in denen die Armee nicht operiere: Al-Mawasi im Südwesten des abgeriegelten Küstenstreifens, in Deir al-Balah im Zentrum sowie in der Stadt Gaza im Norden. Dies sei nach entsprechenden Gesprächen mit den UN- sowie internationalen Organisationen abgestimmt worden, hieß es.
Armee kündigt Pausen an: Symbolpolitik oder echter Kurswechsel?
Während Israels Regierung die Maßnahmen als Beweis für ihre Hilfsbereitschaft darstellt, äußern Hilfsorganisationen Zweifel an der Wirksamkeit. Luftabwürfe seien nicht nur ineffizient – auch die Gefahr für Zivilisten am Boden sei groß. „Die Mengen reichen nicht aus, um die Not zu lindern“, warnen viele Helfer. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte zuletzt vor einer tödlichen Hungerkrise unter den rund zwei Millionen Einwohnern des Gazastreifens gewarnt.

Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungerkrise in Gaza.
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Israel weist die Vorwürfe des Aushungerns vehement zurück. Das Militär spricht von gezielten Maßnahmen zur Verbesserung der Lage – darunter auch die Wiederanschließung einer Entsalzungsanlage an das israelische Stromnetz. Die Behauptung, Gaza werde absichtlich ausgehungert, sei falsch und Teil einer Desinformationskampagne der Hamas, so die Darstellung Israels.
Israelische Marine stoppt erneut Aktivisten-Schiff
Unterdessen stoppte die israelische Marine erneut ein Schiff mit propalästinensischen Aktivisten, das Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen wollte. Die Passagiere des Bootes „Handala“ seien in Sicherheit und würden zur israelischen Küste gebracht, teilte das Außenministerium mit. Unbefugte Versuche, die Seeblockade zu durchbrechen, seien gefährlich und illegal, so die offizielle Begründung.

Propalästinensische Aktivisten wollten mit einem Schiff Hilfe in den Gazastreifen bringen. (Archivbild)
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Bereits im Juni war ein ähnlicher Versuch – darunter mit der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg – unterbunden worden. Die Aktivisten kritisieren, dass die israelische Blockade legitime humanitäre Hilfe verhindere.
Macron fordert Waffenruhe – und erkennt Palästina bald an
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte nach einem Gespräch mit Ägyptens Präsident al-Sisi vor den Folgen der anhaltenden Blockade. Die Situation stelle ein „untragbares Risiko“ für Hunger und Vertreibung dar. Macron forderte eine sofortige Waffenruhe und kündigte an, im September bei der UN-Generalversammlung die Anerkennung Palästinas als Staat zu erklären – ein Schritt, der ihm scharfe Kritik aus Israel und den USA eingebracht hat.

Israel weist den Vorwurf des Aushungerns zurück.
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Auch eine gemeinsame Konferenz von Frankreich und Saudi-Arabien in New York soll neuen Schwung in die festgefahrene Debatte um eine Zweistaatenlösung bringen. Ziel sei eine „gerechte und dauerhafte Lösung“, wie Macron betonte. Auf X schrieb er: „Wir können nicht hinnehmen, dass die Bevölkerung, darunter viele Kinder, an Hunger stirbt.“ Und: „Frieden ist möglich“.
Proteste in Israel – Geiseln weiter in Hamas-Gewalt
In Tel Aviv versammelten sich erneut Tausende, um eine Feuerpause und die Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln zu fordern. Noch rund 50 Menschen befinden sich laut israelischen Angaben in der Gewalt der Islamisten – mindestens 20 davon sollen noch leben. Eine frühere Geisel appellierte an Ex-US-Präsident Donald Trump, sich für ein Abkommen einzusetzen: „Nur Sie können es möglich machen.“
Ob es zu einer neuen Feuerpause kommt, bleibt offen. Israel und die USA haben zuletzt ihre Verhandlungsteams aus den indirekten Gesprächen in Katar zurückgerufen. Seit Beginn des Kriegs am 7. Oktober 2023 wurden laut Hamas-Zahlen zehntausende Menschen im Gazastreifen getötet. Die Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar und unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. (red/dpa)