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„Schneller als je zuvor einnehmen“US-General spricht über Ernstfall-Plan für Kaliningrad – Moskau droht mit „Weltkrieg“

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General Christopher Donahue ist der Kommandeur der US-Armee in Europa und Afrika. (Archivbild)

General Christopher Donahue ist der Kommandeur der US-Armee in Europa und Afrika. (Archivbild)

US-Armee und Nato entwickeln Pläne für den Fall, dass Russland den Westen angreift. Die Gedankenspiele kommen in Moskau nicht gut an.

Es ist bloß ein mögliches Szenario, das ein hochrangiger US-Kommandeur in dieser Woche angesprochen hat – die Reaktion aus Moskau fällt dennoch deutlich aus: Bei einer Konferenz in Wiesbaden hat sich der amerikanische Vier-Sterne-General Christopher Donahue in dieser Woche zu den Abschreckungsplänen an der Nato-Ostflanke geäußert – und dabei auch über Kaliningrad gesprochen.

Mit Blick auf die kleine russische Exklave, die zwischen Polen und dem Baltikum liegt, erklärte Donahue, die US-Armee und ihre Verbündeten seien mittlerweile – wenn nötig – dazu in der Lage, Kaliningrad „in einer noch nie dagewesenen Zeitspanne und schneller als jemals zuvor vom Boden aus einzunehmen“.

Bedrohung für Baltikum und Polen: Kaliningrad im Fokus

Das brisante Gedankenspiel des Kommandeurs der US-Armee in Europa und Afrika gehört demnach zu einer neuen Verteidigungsinitiative der US-Armee sowie ihrer Nato-Verbündeten, die als „Eastern Flank Deterrence Line“ bekannt ist. Ziel dabei sei es, der russischen Bedrohung entgegenzuwirken und die globale Abschreckung zu verbessern. Dabei sollen sich die Bemühungen zunächst auf das Baltikum konzentrieren.

Kaliningrad rückt dabei aufgrund seiner geografischen Lage in den Fokus. Die dort von Russland stationierten ballistischen Iskander-Raketen könnten Ziele in großen Teilen Europas in kürzester Zeit erreichen, darunter Warschau, Berlin und Kopenhagen.

US-General: Kaliningrad könnte in Rekordzeit erobert werden

Zuletzt hatte Polen bereits darauf gedrängt, dass der Westen der Gefahr durch die russischen Raketen in Kaliningrad begegnen müsse. Das sei eine „dringende polnisch-deutsche Herausforderung“, hatte Polens Außenminister Radosław Sikorski Ende Juni erklärt.

Auch bei der Nato gibt es nun – wie Donahue durchblicken ließ – offenbar entsprechende Planungen, wie die russische Region in Osteuropa im Ernstfall durch westliche Truppen ausgeschaltet werden könnte. „Wir haben das Szenario bereits durchgespielt und Pläne für einen solchen Fall entwickelt“, sagte der US-General einem Bericht des Washingtoner Portals „Defense News“ zufolge mit Blick auf die Exklave.

Moskau reagiert auf US-General: „Feindselige, aggressive Aussagen“

Die Reaktion aus Moskau auf die Äußerungen des Generals folgte prompt: „Das ist eine weitere Aussage in einer Reihe solcher feindseligen, aggressiven Aussagen, die wir mittlerweile häufig von Vertretern der Verteidigungsministerien europäischer Länder hören“, kommentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach Angaben der staatlichen Agentur RIA Novosti die Warnung Donahues. Russland sei „natürlich gezwungen“, die Äußerungen „zu berücksichtigen“ und Maßnahmen zu greifen, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten, fügte der Kremlsprecher an.

Deutlicher wurde derweil der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten, Leonid Sluzki. US-General Donahue müsse sich darüber bewusst sein, dass ein Angriff auf Kaliningrad gleichbedeutend mit einem „Angriff auf Russland“ sei und entsprechende Gegenmaßnahmen zur Folge hätte, warnte Sluzki nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.

Russischer Duma-Abgeordneter droht mit Atomwaffen und Weltkrieg

Auch der Einsatz von Atomwaffen sei gemäß der russischen Nukleardoktrin in diesem Fall denkbar, drohte der nationalistische Politiker weiter. Überlegungen, die russische Exklave zu erobern, kämen einem „Plan zur Entfesselung eines Dritten Weltkriegs gleich, bei dem es keine Sieger geben wird“, betonte Sluzki außerdem. 

Andrej Kolesnik, Duma-Abgeordneter aus Kaliningrad, spottete derweil über die Gedankenspiele des US-Generals. „Vielleicht ist er mit dem falschen Fuß aufgestanden, um solche Aussagen zu machen“, sagte Kolesnik im Gespräch mit der russischen Zeitung „Lenta“ und zeigte sich betont unbeeindruckt von den Worten Donahues. Die USA und die Nato hätten „nicht den Mut“, derartige Pläne in die Tat umzusetzen, prognostizierte Kolesnik. 

Kaliningrad: Konstante Bedrohung für Baltikum und Polen

Es ist unterdessen nicht das erste Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, dass Kaliningrad in den Fokus gerät. „Wenn Russland es wagt, die Nato herauszufordern, wird Kaliningrad das erste Land sein, das ‚neutralisiert‘ wird“, hatte bereits im Februar 2024 der litauische Diplomat Linas Linkevičius gewarnt.

Insbesondere im Baltikum und in Polen sieht man sich durch die Nähe zu der russischen Exklave, die früher als Königsberg bekannt war, unmittelbar bedroht. Russland könnte das Baltikum dort mit wenig Aufwand von der Landversorgung abschneiden, indem es die sogenannte Suwałki-Lücke blockiert. Der nur rund 65 Kilometer breite Landstreifen liegt zwischen Kaliningrad und Belarus und verbindet Polen mit Litauen. 

Kaliningrad im Fokus: Russland modernisiert offenbar Raketenbasis

Auch die dort stationierten Raketen sind für die direkten Nachbarländer eine konstante Bedrohung. Mitte Juni hatte der schwedische Sender SVT anhand von Satellitenbildern über Modernisierungsmaßnahmen der russischen Armee in Kaliningrad berichtet.

An einer mutmaßlichen Lagerstätte für Atomwaffen seien umfangreiche Umbaumaßnahmen durchgeführt worden, berichtete der skandinavische Sender. Polens Außenminister Sikorski hatte zuvor erklärt, dass auf dem Gelände bis zu 100 taktische Atomsprengköpfe gelagert werden könnten. Die nun von US-Armee und Nato entwickelten Szenarien für einen möglichen Ernstfall dürften auch derartigen Maßnahmen auf russischer Seite Rechnung tragen.