Interview mit Sahra Wagenknecht„Der Ukraine-Krieg wäre vermeidbar gewesen“

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„Wir dürfen die unsägliche Zeitenwende-Rhetorik nicht mitmachen“, sagt Sahra Wagenknecht. 

Wie kommen die in der Wählergunst abgestürzten Linken wieder auf die Beine? Wie  steht es um die Unterstützung der Ukraine? Und sollte man weiter auf eine „Sicherheitspartnerschaft“ mit Russland setzen? Fragen an die Linken-Ikone und Abgeordnete Sahra Wagenknecht mit Blick auf Krieg, Krisen und den Parteitag am Wochenende in Erfurt.

Frau Wagenknecht, die Linke hat sowohl bei der Bundestagswahl als auch bei den drei Landtagswahlen dieses Jahres desaströs abgeschnitten. Jetzt plädieren Sie für eine „populäre Linke“. Welche Themen würden die Linken denn wieder populär machen?

Die Themen liegen auf der Hand. Viele Menschen machen sich größte Sorgen, wie sie mit ihren Einkommen über den Monat kommen. Wir haben extreme Preissteigerungen, für die die Bundesregierung eine Mitverantwortung trägt. Die Teuerung ist ja nicht primär Folge des Ukraine-Kriegs, sondern Folge der Sanktionen gegen Russland, die – wie man inzwischen sieht – vor allem uns selbst schaden, während Putins Einnahmen durch die hohen Preise sogar steigen. Und es gibt ganz viele Menschen, die berechtigte Angst haben, dass der Krieg irgendwann eskalieren könnte, die die Lieferung schwerer Waffen ablehnen und sich endlich wieder Verhandlungen über ein Ende des Krieges wünschen.

Und daraus folgt?

Auch wir verurteilen Russlands verbrecherischen Angriffskrieg. Aber die Linke sollte die Stimme all derer sein, die sich für eine diplomatische Lösung, für westliche und ukrainische Kompromissbereitschaft und für ein schnelles Ende des Kriegs einsetzen. Wir müssen es entschieden ablehnen, einen womöglich jahrelangen Stellungskrieg in der Ukraine mit Waffenlieferungen zu munitionieren.

Beim Thema Ukraine gibt es aber Streit, ausgelöst durch einen Änderungsantrag, den Sie und andere gestellt haben...

Seit Tagen laufen Meldungen, dass wir angeblich mit unserem Antrag die Solidarität mit der Ukraine streichen wollten. Das ist eine bewusste Verfälschung, denn auch bei Annahme unseres Antrages wären an vielen Stellen Solidaritätsbekundungen mit der ukrainischen Bevölkerung im Leitantrag erhalten geblieben. Aber wir werden jetzt auch ausdrücklich die immer wieder zitierten Passagen übernehmen und ändern unseren Antrag.

Was erhoffen Sie sich davon?

Ich hoffe, dass dann endlich über das diskutiert wird, worum es in unserem Antrag wirklich geht: zum einen, dass die Linke die unsägliche Zeitenwende-Rhetorik nicht mitmachen darf. Verbrecherische Kriege, bei denen es um Großmacht-Ambitionen und Einflusssphären geht, sind leider überhaupt nichts Neues auf dieser Welt. Und die Linke sollte zum anderen nicht hinter dem Papst zurückbleiben, der darauf hingewiesen hat, dass das „Bellen der Nato an Russlands Tür“ für den Ausbruch des Krieges mitverantwortlich war. Der Ukraine-Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen, aber er wäre vermeidbar gewesen. Die Mitverantwortung des Westens, insbesondere der USA zu benennen, darf für eine linke Partei kein Tabu sein.

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Die Linkspartei hat bisher für eine „Sicherheitspartnerschaft“ mit Russland plädiert. Gilt das auch mit Blick auf Wladimir Putin?

Russland ist mehr als Putin. Und Russland wird auch nach Putin unser großer europäischer Nachbar sein. Da Russland zugleich die zweitgrößte Atommacht der Welt ist, müssen wir eskalierende Konflikte und einen möglichen Krieg mit allen Mitteln verhindern. Sicherheitspartnerschaft heißt ja nicht blindes Vertrauen, sondern das Bemühen um die diplomatische Lösung von Konflikten, Verstehen der Interessen des Anderen und vertrauensbildende Maßnahmen. Einen anderen Weg gibt es nicht, wenn Europa nicht irgendwann zum atomaren Schlachtfeld werden soll. Ganz abgesehen davon, dass Deutschland als Industriestandort natürlich auch ein vitales wirtschaftliches Interesse an russischen Rohstoffen und preiswerter russischer Energie hat.

Sehr viele Menschen in Europa sind gerade sehr froh, dass es die Nato gibt. Sind Sie immer noch für einen Austritt?

Einfach nur raus aus der Nato, ohne Ersatz, war nie eine Position der Linken. Wir haben immer für ein Sicherheitsbündnis geworben, das die Nato ersetzt. Ich bin für ein solches Bündnis, das sich statt um Aufrüstung um Abrüstung und Entspannung bemüht und in dem die Mitglieder auf Augenhöhe zusammenarbeiten, ohne eine Vormacht, deren Interessen dominieren wie die der USA in der Nato. Die Nato sollte ersetzt werden durch ein echtes Verteidigungsbündnis, das unsere Welt friedlicher und stabiler macht.

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