KSK der BundeswehrWie die Eliteeinheit zum Problemfall wurde

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KSK Einheit

Ein Soldat trainiert mit einem G36-Gewehr im Schießausbildungszentrum auf dem Kasernengelände des Kommandos Spezialkräfte (KSK).

Es war ein wüstes Gelage, das als „Schweinekopf-Party“ später die Runde machte: In einer Aprilnacht 2017 feierten die Soldaten der 2. Kompanie des Kommandos Spezialkräfte (KSK) im baden-württembergischen Calw eine Abschiedsfeier für einen ihrer Kompaniechefs. Erst wurde getrunken, dann warfen die Soldaten auf einem Parcours mit echten Schweineköpfen. Die Kameraden hatten eine Frau eingeladen, mit der ihr Chef Sex haben sollte, wozu es aber nicht kam, weil dieser zu betrunken war. Diese Frau berichtete später der Polizei von der Orgie, bei der angeblich auch Neonazi-Rock gehört und der Hitlergruß gezeigt wurde – was aber bis zuletzt strittig blieb.

In jedem Fall ruinierte diese Nacht den Ruf der Bundeswehr-Eliteeinheit KSK. Es war zudem der Anfang vom Ende der 2. Kompanie, die im Sommer 2020 aufgelöst wurde. Dort habe sich eine „toxische Führungskultur in Verbindung mit fehlgeleitetem Eliteverständnis sowie extremistischen Tendenzen“ ausgebreitet, wie der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, in seinem jüngst veröffentlichten zweiten Zwischenbericht schreibt. Allein zwischen 2017 und 2020 seien 26 ihrer Soldaten aus dem Dienst entfernt oder versetzt worden.

So flog 2017 das rechtsgesinnte Chat-Netzwerk des KSK-Elitesoldaten André S. auf, der sich „Hannibal“ nannte. Die Mitglieder – Soldaten, Polizisten und Beamte – bereiteten sich mit dem Anlegen von Vorräten, aber auch Waffenlagern auf einen befürchteten Zusammenbruch der staatlichen Ordnung vor – und hatten für diesen Fall auch Listen mit Zielpersonen angelegt, die exekutiert werden sollten.

Tausende Schuss scharfer Munition im Garten

Für Schlagzeilen sorgte auch der Fund eines Waffenverstecks 2020 im Garten von KSK-Oberstabsfeldwebel Philipp S. im sächsischen Collm. Tausende Schuss scharfer Munition und zwei Kilo Sprengstoff aus Beständen der Bundeswehr lagerten dort, dazu ein altes Kalaschnikow-Sturmgewehr und Waffenteile – sowie Nazi-Devotionalien. Was erst im Februar 2021 bekannt wurde: Viele Soldaten im Kommando hatten ebenfalls Munition beiseite geschafft. Schlamperei und Regelverstöße waren der Grund, wie das Verteidigungsministerium dem Parlament Anfang März schrieb. Der Ärger ging so weit, dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ankündigte, mit „eisernem Besen“ durchzufegen.

Eine Reform soll es nun richten. Dazu wurde 2018 der neue Kommandeur Markus Kreitmayr eingesetzt – und ausgerechnet der hat nun den jüngsten Skandal am Hals. Der Brigadegeneral soll seinen Soldaten im Frühjahr 2020 erlaubt haben, gehortete oder womöglich auch gestohlene Munition bei einer Sammelaktion einfach zurückzugeben, ohne dass dies weitere Konsequenzen hatte. Eine General-Amnestie also. Kreitmayr selbst sagte später aus, die Soldaten hätten Munition eingesammelt und teilweise lose in Eimern abgegeben. Namen mussten sie nicht nennen. Unklar ist, seit wann das Ministerium davon wusste.

Ist die Spezialkräfte-Einheit, die auf dem Boden der Verfassung stehen soll, eigentlich noch vom Parlament zu kontrollieren? Genau damit wird sich der Verteidigungsausschuss bei seiner Sondersitzung am 12. April beschäftigen. „Wir erwarten eine klare Antwort darauf, wer wann von was gewusst hat“, sagte FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann unserer Redaktion. Der Linken-Politiker Tobias Pflüger will das KSK in der jetzigen Form sogar auflösen. Auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), stellt den Erfolg der Reformen in Frage: „Immer neue Vorwürfe belasten den Reformprozess und die Neuaufstellung des KSK“, sagte Högl unserer Redaktion. „Ich erwarte, dass lückenlos aufgeklärt wird.“

Doch kann die „große und nachhaltige Reform des KSK“ wirklich für Abhilfe sorgen? Diese Antwort ist Kramp-Karrenbauer bislang schuldig geblieben. Generalinspekteur Zorn will seinen Abschlussbericht im Juni vorlegen und Verantwortliche benennen. Sein Ziel: „Der Reformprozess des KSK soll bis zum 25-jährigen Bestehen des Verbandes im Juli 2021 erfolgreich abgeschlossen sein.“

Vorbild: U.S. Navy Seals

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) wurde 1996 gegründet, weil die Bundeswehr keine Eliteeinheit besaß wie die britischen SAS oder die U.S. Navy Seals. Nach diesen Vorbildern wurde das KSK trainiert, um etwa deutsche Geiseln im Ausland zu befreien und die härtesten Einsätze zu übernehmen. Die kleine militärische Truppeneinheit besteht aus 1600 Leuten, die in streng geheimer Mission unterwegs sind und deren Aktivitäten als Verschlusssache der Geheimhaltung unterliegen. KSK-Soldaten kämpften bereits in den Bergen Afghanistans gegen Al-Qaida-Kämpfer, suchten Taliban-Führer und holten serbische Kriegsverbrecher, die vom UN-Tribunal gesucht wurden, aus ihren Verstecken. Seit 2013 ist das KSK – nach allem, was man weiß – aber nicht mehr in größeren Einsätzen tätig gewesen. (trim)

60 Maßnahmen im Kampf gegen Extremismus und unzureichende Dienstaufsicht seien bereits abgeschlossen oder „auf einem guten Weg“, heißt es im Zwischenbericht. Dazu gehört etwa eine „Generalinventur“ bei Munition und Waffen: Sie zeigte, dass „ein hoher Anteil des vermeintlichen Fehlbestandes auf unsachgemäße Buchführung“ zurückzuführen ist – also „Zählfehler in Folge des überlasteten logistischen Fachpersonals“.

Beschlossen ist auch eine schärfere Sicherheitsüberprüfung der Soldaten, von denen das KSK – eigentlich – neben militärischen Fähigkeiten auch charakterliche Eignung verlangt. Die Aktivitäten in Chatgruppen sollen genauso wie auffällige politische Überzeugungen beleuchtet werden.

Und was wird aus Kreitmayr? Die Zukunft des KSK-Kommandeurs ist noch ungewiss. Die Frage ist, ob eine Reform ohne den Reformer überhaupt noch möglich wäre. Kreitmayr findet im KSK viel Zustimmung mit seinem Kurs, heißt es aus der Truppe, er habe schon viel bewegt. Viele der Elitesoldaten seien sauer auf die wenigen Rechten in ihren Reihen. Ministerin Kramp-Karrenbauer dürfte deshalb wohl so lange an Kreitmayr festhalten, wie sie kann.

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