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Neues GesetzNRW-Justizminister will religiöse Symbole bei Arbeit verbieten

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Kreuz Gericht

Ein Kruzifix in einem Gerichtssaal. In NRW sind religiöse Symbole in öffentlichen Gebäuden häufiger in der Diskussionen gewesen.

Düsseldorf – „Religion gehört nicht in den Gerichtssaal. Neutralität ist gerade vor Gericht die Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Rechtsstaat“, sagt Landesjustizminister Peter Biesenbach (CDU). Deshalb habe sein Ministerium das sogenannte Neutralitätsgesetz auf den Weg gebracht. Der Anfang Oktober vorgestellte Entwurf sieht vor, das Kreuz als öffentlich sichtbares Symbol – genauso wie das Kopftuch oder die jüdische Kippa – für Justiz-Mitarbeiter während der Arbeitszeit zu verbieten.

Ende Februar soll der Landtag über das Gesetz entscheiden – mit politischem Widerstand ist kaum zu rechnen. Doch über die tatsächliche Notwendigkeit des Gesetzes gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Der Minister begründet das Vorhaben damit, dass er für klare Verhältnisse sorgen wolle: „Das Neutralitätsgesetz soll zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaates beitragen“, sagt Biesenbach. „Das äußere Erscheinungsbild der Justizbeschäftigten darf mit Blick auf die Neutralitätspflicht des Staates nicht den geringsten Anschein von Voreingenommenheit erwecken.“

Kaum Fälle bekannt

Eine Umfrage unserer Redaktion bei den 151 Gerichten in NRW ergab jedoch, dass solche Fälle bislang weitestgehend unbekannt sind. Von den knapp 100 antwortenden Gerichtssprechern gab keiner an, einen Fall zu kennen, bei dem religiöse Kleidungsgegenstände beispielsweise für Befangenheitsanträge oder Beschwerden gesorgt hätten. Statistisch ausgewertet werden solche Fälle nicht.

Dennoch bekommt der Minister von juristischer Seite viel Zuspruch: „Das geplante Gesetz schafft Rechtssicherheit“, sagt Christian Friehoff, Vorsitzender des Bundes der rund 6000 Richter und Staatsanwälte in NRW. Bislang lag es im Ermessen des Richters, zu entscheiden, ob religiöse Symbole im Gerichtssaal zugelassen sind. Ganz ähnlich bewertet Ulla Sens den Entwurf. Sie ist Vorsitzende der Schöffenvereinigung in NRW. Ihr ist vor allem wichtig, dass das Gesetz das Ehrenamt einschließt: „Schöffen sitzen neben den Berufsrichtern auf der Richterbank und entscheiden mit gleichen Rechten, gleichen Pflichten und gleicher Verantwortung“, sagt Sens. „Wenn unterschiedliche Maßstäbe an die Verpflichtung zur Neutralität gelegt worden wären, hätte der Stellenwert der Ehrenamtlichen angezweifelt werden können.“

Gesetz mit geringen Auswirkungen

Für den Justizvollzug in NRW mit seinen 36 Anstalten und rund 5700 Mitarbeitern hat das Gesetz zunächst wenig Auswirkungen, meint Beate Peters, Leiterin der JVA in Düsseldorf. „Es gibt nur wenige Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die überhaupt entsprechende Gegenstände sichtbar tragen“, sagt Peters.

Die neue Vorschrift ist jedoch mit klaren Einschränkungen verbunden: „Die Verbote sind zeitlich auf ein Minimum reduziert und greifen nur in gerichtlichen Verhandlungen und wenn mit einer Wahrnehmung durch Dritte zu rechnen ist“, betont ein Ministeriumssprecher. Somit seien die Vorschriften „das mildeste Mittel, um die Neu-tralität in der Justiz zu stärken.“

Von Seiten der Religionsvertreter kommt dennoch teils harsche Kritik an dem Gesetzentwurf. „Das Grundgesetz garantiert nicht nur die Freiheit, eine Religion zu haben, sondern auch die Freiheit, danach zu leben“, sagt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, auf Anfrage. Und Antonius Hamers, Leiter des Büros der katholischen Kirche, das alle fünf Bistümer des Landes vertritt, sagt: „Der vollständige Ausschluss von religiösen Symbolen geht zu weit, weil wir in Deutschland religiös offen und frei sind und entsprechende Symbole auch gezeigt und getragen werden dürfen.“