Parolen gegen „den Westen"Orban profiliert sich weiter als Poltergeist

Auch unter seinen Partnern zunehmend isoliert: Viktor Orban.
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Belgrad/Budapest – Sein Licht stellt Ungarns streitbarer Premier Viktor Orban nie unter den Scheffel. Als „Intellektuellen“ preist ihn seine Website – und zeigt ihn vor einer Bücherwand. Tatsächlich pflegt der Nationalpopulist bei öffentlichen Auftritten gerne ausschweifend seine völkische Sicht auf das Weltgeschehen zu offenbaren.
Nach zweijähriger Corona-Pause zog der 59-Jährige am Wochenende bei der „Sommeruniversität“ seiner Fidesz-Partei im rumänischen Baile Tusnad erneut mit Stammtischparolen gegen „den Westen“ vom Leder. Ob EU-Partner Deutschland, Nato-Partner USA oder die im Ukraine-Krieg gegenüber Ungarn zunehmend kritischer werdenden Nachbarstaaten der Visegrad-Gruppe: Fast alle vermeintlichen Alliierten bekamen vom russophilen Poltergeist aus Budapest ihr Fett ab.
Dem „Niedergang des Westens“, der sich mit seiner „gemischtrassigen Welt“ selbst eliminiere, stellte Orban das scheinbare Modell der „nicht gemischten Rassen im Karpatenbecken“ gegenüber: „Wir sind einfach eine Mischung von Völkern, die in ihrem eigenen europäischen Heimatland leben. Diese Völker schaffen sich eine neue europäische Kultur.“
Orban witzelt über Holocaust
Schon 2014 hatte Orban in Baile Tusnad sein autoritäres Ideal einer „illiberalen Demokratie“ gezeichnet. Nun witzelte er laut der ungarischen Europaparlamentarierin Katalin Cseh in Anspielung auf den Holocaust selbst über das „deutsche Know-how“ beim sparsamen Gasverbrauch – eine Passage, die bei der englischen Übersetzung seiner Rede vorsorglich unterschlagen worden sei.
Seit seiner triumphalen Wiederwahl im April scheint sich das selbstbewusste Bugbild der EU-skeptischen Rechten keinerlei Hemmungen aufzuerlegen. Orban poltert jedoch immer mit Bedacht. Seine Attacken auf dem internationalen Parkett sollen nicht zuletzt von Ungarns mieser Wirtschaftslage und zunehmender Isolierung ablenken.
Nach dem De-facto-Rauswurf seiner Fidesz-Partei aus der christdemokratischen EVP im Europaparlament hat sich Orban wegen seines Moskau-hörigen Kurs nun auch mit seinem bisher wichtigsten Bündnispartner Polen überworfen. Wegen des Dauerclinchs mit der EU über die mangelnde Korruptionsbekämpfung und rechtsstaatliche Mängel sind noch immer die für Ungarn vorgesehen Milliardenhilfen aus dem Corona-Hilfsfonds eingefroren.
Eine Einigung mit der EU über die Auszahlung stehe unmittelbar bevor, gelobte Orban nun hoffnungsfroh: Bis 2030 werde Ungarn ohnehin ein Nettozahler der EU sein. Doch obwohl Budapest angeblich bereits zugesagt hat, künftig Gesetze nicht mehr im Eilverfahren zu verabschieden und einen Großteil der EU-Gelder zur Stärkung der Energieunabhängigkeit des Landes nutzen zu wollen, scheint das Misstrauen in Brüssel weiter angebracht.
Bislang lässt Orban den Ankündigungen keinerlei Taten folgen. Und vorige Woche reiste Außenminister Peter Szijjarto persönlich nach Moskau, um mit der Vereinbarung neuer Gaslieferungen die Energiebande mit Russland zu festigen.