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Ruhe bewahren!Wie das Nahles-Drama „AKK“ in die Karten spielt

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AKK

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU

Wenn es schlecht läuft im Leben, ist es manchmal ein Trost, auf jene zu schauen, denen es noch schlechter geht. Dann stellt sich wieder Demut ein und Mut. In einer solchen Lage ist die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrer Partei, als sie am Sonntagmorgen von dem Rücktritt ihrer SPD-Amtskollegin Andrea Nahles erfährt.

Auch die Christdemokratin ist in den vergangenen Wochen und vor allem nach dem schlechten Abschneiden der Union bei der Europawahl in den eigenen Reihen schwer unter Druck geraten. Manche sagten es offen, andere hinter den Kulissen: Die Saarländerin kann es nicht. Und das mitten in der Krise der Volksparteien, die nun auch in Deutschland von vielen Wählern als unmodern und unbeweglich angesehen werden, weil sie – ob ihrer Bandbreite – zu oft Kompromisse machen müssen. Hochkonjunktur haben derzeit Maximalforderungen wie etwa ein sofortiger Kohleausstieg.

Drama könnte hilfreich sein

Doch alle CDU-interne Kritik an Kramp-Karrenbauer, die Angela Merkels Favoritin für ihre Nachfolge an der Parteispitze war, ist nichts gegen die Attacke, die Nahles von eigenen sogenannten Parteifreunden zu ertragen hatte – und es dann nicht mehr ertrug. Und so bitter das für Nahles und so gefährlich das für den Zusammenhalt der großen Koalition ist, so hilfreich könnte das Drama in der SPD für Kramp-Karrenbauer sein. Denn die CDU hat nun parallel zu ihrer eigenen Orientierungssuche live und in Farbe die Existenznot der Sozialdemokraten vor Augen. So wollen die Christdemokraten auf keinen Fall enden. Wenn es darauf ankommt, sind sie fast noch immer zusammengerückt. Die CDU will an der Macht bleiben und nicht in die Opposition abrutschen. Das war immer das oberste Ziel.

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Deshalb dringt am Sonntag aus vielen Ecken der Partei: Ruhe bewahren! Nerven behalten! Verantwortung tragen! Und das machen die drei CDU-Spitzen dann auch im Halb-Stunden-Takt. Um 16.30 Uhr tritt Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) im Konrad-Adenauer-Haus vor die Kameras. Kaum zwei Minuten dauert ihr Auftritt. Sie sagt, sie nehme den Rücktritt von Nahles mit Respekt zur Kenntnis. Sie sagt nicht, dass sie den Schritt bedauere. Aber sie beschreibt die gescheiterte SPD-Chefin als eine „charakterstarke, aufrichtige und verlässliche Gesprächspartnerin“. Und dann betont AKK: „Die CDU wird weiterhin ihren Beitrag zu einer stabilen und funktionierenden Regierungsarbeit leisten.“

Fragen von Journalisten werden nicht zugelassen. Jetzt bloß keine Missverständnisse mehr auslösen wie nach der Europawahl. Um 17 Uhr steht Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus am Mikrofon und bedauert den Rückzug von Nahles. Aber auch er sagt: „Wir sind fest entschlossen, die große Koalition fortzusetzen, weil das Land Stabilität braucht.“

Um 17.36 Uhr schließlich kommt die Kanzlerin auf die Bühne. Sie braucht keine 90 Sekunden. Nahles sei eine zuverlässige Sozialdemokratin mit Herzblut und auch „ein feiner Charakter“, sagt Merkel. Ungeachtet der Entscheidungen der SPD gelte für die Union: „Wir werden die Regierungsarbeit fortsetzen mit aller Ernsthaftigkeit und auch mit großem Verantwortungsbewusstsein.“

Um 19 Uhr beginnt die Vorstandsklausur, die vor Wochen noch von konservativen CDU-Politikern und langjährigen Merkel-Kritikern als Chance gewertet wurde, die Karriere der Kanzlerin endgültig zu beenden. Nun steht sie aber gestärkt in der Berliner CDU-Zentrale. Ihre Beliebtheitswerte sind wieder gestiegen. Am Abend wird die Schlappe bei der Europawahl analysiert. Die CDU will Lehren daraus ziehen. Merkels Abgang als Kanzlerin kann erst einmal warten. Vielmehr warnte Kramp-Karrenbauer angesichts der guten Umfragewerte der Grünen und interner Streitigkeiten am Abend vor einem Verlust der Macht als stärkste Partei. Es sei „nicht gottgegeben“, dass die CDU stärkste Kraft bleibe. Es sei nötig, dass die Partei wieder mutig an neuen Themen arbeite, um eine eigene Agenda zu setzen. Dazu brauche es den Mut der gesamten CDU-Führung.