Der Sohn des schwedischen Migrationsministers war kurzfristig bei einem rechtsextremen „Aktivklubb“ aktiv; die Opposition fordert eine Untersuchung.
„Politische Bombe“Sohn von schwedischem Migrationsminister war Neonazi

Johan Forssell
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„Eine politische Bombe“: So nannte der öffentlich-rechtliche Sender SVT am Wochenende die Aussage des schwedischen Migrationsministers Johan Forssell. Der Politiker hatte zuvor in einem Fernseh-Interview eingestanden, dass sein minderjähriger Sohn bis vor kurzem Mitglied eines Neonazi-Kampfsportvereins war.
„Ich habe einen sehr wuterfüllten 16-jährigen Sohn“, versuchte der Minister, Mitglied der bürgerlichen Partei „Die Moderaten“, sich zu rechtfertigen. Der Junge habe den Kontakt zur rechtsextremen Vereinigung „Aktivklubb“ inzwischen abgebrochen. Ministerpräsident Ulf Kristersson sprach Forssell das Vertrauen aus: „Er hat als verantwortliches Elternteil gehandelt.“ Von seinem Posten will der 45-Jährige nicht zurücktreten, seine Partei steht hinter ihm. Die linke Opposition im Parlament fordert dagegen einen Untersuchungsausschuss.
Die Verbindung des Sohns zum „Aktivklubb“ hatte das Magazin „Expo“ vor mehr als einer Woche veröffentlicht, jedoch ohne Namen zu nennen. Darauf bestätigten der schwedischen Inlandsgeheimdienst Säpo sowie Justizminister Gunnar Strömmer den Fall. Schließlich veröffentlichte die Zeitung „Västerbottens Kurir“ den Namen des Ministers. Das Blatt argumentierte mit der „nationalen Sicherheit“ – die Nazi-Vereinigung steht immerhin offiziell unter Terrorverdacht.
Martialisches Training für junge weiße Männer
Die Mitglieder des „Aktivklubb“ treten maskiert auf, im Internet sieht man sie bei Aufmärschen mit Fackeln, beim Kampfsport – oder wie sie auf der Regenbogenfahne herumtrampeln. Die Organisation ist ein Import aus den USA: Dort gründete 2021 der Rechtsextremist Robert Rundo das Netzwerk, das sich seitdem auch in Kanada, Australien und in Europa verbreitet. Mittels martialischem Training sollen sich junge weiße Männer auf „eine zukünftige Auseinandersetzung der Rassen“ vorbereiten.
Die Vereinigung, die auch in Deutschland aktiv ist, gibt es in Schweden seit 2022. Der erste rechte Kampfsportverein wurde dort in der Kleinstadt Deje auf die Beine gestellt – dort gründete 1924 der Tierarzt Birger Furugard, der sich zuvor mit Adolf Hitler getroffen hatte, Schwedens erste Nazi-Partei.
Mittlerweile soll es 139 „Aktivklubb“-Ableger im Königreich geben, die Zahl hat sich laut „Expo“ binnen eines Jahres verdoppelt. Der Inlandsgeheimdienst will Verbindungen der schwedischen Organisation zu terrorverdächtigen Personen in den USA bemerkt haben.
Problematisch an dem Fall ist zudem, dass der Migrationsminister als wichtiger Kämpfer der bürgerlichen Minderheitsregierung gegen die organisierte Kriminalität auftritt, deren Drogenkriege vor allem von jungen Menschen mit Migrationshintergrund ausgetragen werden. Forssell nahm bislang die Eltern in die Pflicht, mehr auf ihre Zöglinge zu achten; er selbst will jedoch nichts von den Aktivitäten seines Sohnes gewusst haben.
Rechtspopulistische Kräfte gewinnen auch in Schweden immer mehr an Bedeutung. Nach einer aktuellen Umfrage genießt Jimmie Åkesson, Chef der rechten Schwedendemokraten, das Vertrauen von 38 Prozent der Befragten. Das sind zwei Prozent mehr als bei Regierungschef Kristersson. Die Schwedendemokraten tolerieren seit 2022 die bürgerliche Minderheitsregierung im Parlament. Für die Wahlen im kommenden Jahr hat Åkesson angekündigt, Kristersson im Amt beerben zu wollen.
Und dies, obwohl gleichzeitig ein Weißbuch publiziert wurde, das die Ideengeschichte der Partei von der Gründung 1988 bis zum Parlamentseintritt 2010 offenlegte. Das Fazit: Rassistische und antisemitische Gedanken gehörten zwar nicht zum Parteiprogramm, konnten aber intern ohne Konsequenzen geäußert werden. Die Partei, deren Gründer zu mindestens 40 Prozent aus Neonazis bestanden, hat sich jedoch erfolgreich von ihrer Vergangenheit distanzieren können.
Die „Aktivklubbs“ hoffen derweil, von der derzeitigen Aufmerksamkeit der Medien zu profitieren. „Unsere Zeit hat nun begonnen“. postulierten sie jüngst auf X.