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Taiwan-KonfliktRiskante Muskelspiele wecken Angst vor Eskalation

4 min

Untermauert wird die Bedrohungslage durch chinesische Militärhelikopter. (dpa)

Peking – Seit Jahrzehnten zählt der Konflikt um Taiwan zu den gefährlichsten der Welt. Mit den seit langem größten chinesischen Manövern rund um die demokratische Inselrepublik ist das Risiko jetzt noch einmal gewachsen. Einhellig warnten am Donnerstag Politiker aus Europa, Asien und Amerika vor einer Eskalation. Eine bewaffnete Auseinandersetzung zöge zwangsläufig auch die USA in den Konflikt hinein – und hätte katastrophale wirtschaftliche Folgen.

Der Druck nimmt zu

Die größte Gefahr geht von „Fehlkalkulationen“ und ungewollten Zwischenfällen aus, da sich zwei hochgerüstete Armeen in aufgeheiztem Klima so nahe kommen wie noch nie. Aber auch wenn der Zweck der chinesischen Übungen eine See- und Luftblockade sowie Vorbereitungen zur Eroberung sind: Niemand geht davon aus, dass China sein Ziel tatsächlich jetzt schon umsetzen will. Doch sind sich Diplomaten in Peking einig, dass der Tag eher früher als später kommen wird. Auch das US-Verteidigungsministerium warnte jüngst, der Druck habe zugenommen.

Pelosi beunruhigt über Spannungen mit Nordkorea

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Nancy Pelosi, die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, ist beunruhigt.

Auf ihrer Asien-Reise hat sich die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, beunruhigt über die zunehmenden Spannungen zwischen Nord- und Südkorea geäußert. Die Bedrohungen durch Nordkorea seien besorgniserregend, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung mit dem südkoreanischen Parlamentspräsidenten Kim Jin Pyo, die am Donnerstag in Seoul veröffentlicht wurde. Pelosi war am Abend zuvor nach ihrem umstrittenen Besuch in Taiwan in Südkorea eingetroffen. Das nordkoreanische Atomprogramm sorgt international seit Jahren für Schlagzeilen. Die Bemühungen um Nordkoreas Denuklearisierung sowie Frieden stünden auf der Grundlage einer „starken und erweiterten Abschreckung“, hieß es weiter in der Erklärung. Unter „erweiterter Abschreckung“ verstehen die USA die ganze Bandbreite ihrer militärischen Fähigkeiten, einschließlich Atomwaffen. Nordkorea hat dieses Jahr auch mehrfach wieder atomwaffenfähige Raketen getestet – ein Verstoß gegen UN-Resolutionen. Der Streit mit Nordkorea gehört zu den gefährlichsten Konflikten weltweit. (dpa)

Eine Eroberung über die 130 Kilometer breite Meeresenge der Taiwanstraße, die das chinesische Festland und Taiwan trennt, wäre allerdings eine ungeheuer komplexe Militäroperation – ungleich schwerer als Russlands Invasion in die Ukraine, wie Experten hervorheben. China müsste wohl hohe Verluste in Kauf nehmen. Massive internationale Sanktionen und eine möglicherweise globale Wirtschaftskrise träfen die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft hart.

Der Streit um den Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan – der ranghöchste aus den USA in einem Vierteljahrhundert – kommt für Peking zur Unzeit. Die chinesische Wirtschaft erlebt durch die strikte Null-Covid-Politik einen schweren Einbruch. Die bislang schwerste Immobilienkrise und zahlungsunfähige Banken, die sogar Sparer vertrösten, sorgen für große soziale Sprengkraft. Die Arbeitslosigkeit ist gerade unter Jüngeren enorm.

Trotz all seiner Macht steht Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping stärker unter Druck als je zuvor. Der 69-Jährige will sich auf einem Parteitag im Herbst als „Führer des Volkes“ für eine dritte Amtszeit bestätigen lassen. Einen Krieg um Taiwan will der Präsident deswegen nicht gerade jetzt vom Zaun brechen. Er wird aber die nationalistische Stimmung anheizen und nutzen, um Partei und Volk angesichts der heimischen Krisen hinter sich zu scharen.

China hält rund um Taiwan massive Militärmanöver ab.

Seit jeher beansprucht die kommunistische Führung Taiwan als Teil der Volksrepublik, obwohl es nie dazu gehörte. Die Inselrepublik hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg immer selbst regiert und wäre längst als unabhängiger Staat weltweit anerkannt, wenn Peking dies zulassen würde. Mit seiner „Ein-China-Doktrin“ lehnt Peking aber offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh strikt ab. Wegen des massiven politischen und wirtschaftlichen Drucks unterhalten nur wenige, meist kleinere Staaten diplomatische Beziehungen zu Taiwan. Die USA sind für Taiwan der wichtigste Garant der Freiheit. Aber würde die Supermacht die Insel im Falle eines Angriffs aus China auch verteidigen? US-Präsident Joe Biden hat die Frage bereits dreimal mit „Ja“ beantwortet. Er ging damit weiter als seine Vorgänger.

Tor zum Pazifik

Die geopolitische Bedeutung Taiwans ist für die USA auch groß. Eine gewaltsame Einnahme würde die Region destabilisieren und dem ähneln, was in der Ukraine passiert sei, begründete Biden seine Zusage zu militärischer Hilfe. Damit könnte die aufstrebende militärische Großmacht China die geografische Umzingelung durch US-Verbündete wie Japan und die Philippinen durchbrechen, sich das Tor zum Pazifik aufmachen und die USA herausfordern. Bereits die Übungen des chinesischen Militärs haben Folgen für die Nachbarn: Fünf chinesische Raketen seien in der Ausschließlichen Wirtschaftszone vor der japanischen Küste gelandet, teilte das Verteidigungsministerium in Tokio mit.

Das Staatsfernsehen berichtet rund um die Uhr – Taiwans Militär wurde in Alarmbereitschaft versetzt.

Immer schon haben die USA Taiwan mit Waffen versorgt. Bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1979 zu China, als Taiwan im Regen stehengelassen wurde, verpflichteten sich die USA mit einem Gesetz, für Taiwans Verteidigung zu sorgen. Im „Taiwan Relations Act“ verpflichten sich die USA, Taiwan „Waffen defensiver Art“ zu liefern und „in die Lage zu versetzen, eine ausreichende Selbstverteidigungsfähigkeit zu wahren“.

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Es geht aber auch um Truppen: So wird in dem Gesetz jeder Versuch, „die Zukunft Taiwans mit anderen als friedlichen Mitteln zu bestimmen“ als Bedrohung definiert. Die US-Streitkräfte sollten ihre Fähigkeit wahren, „sich jeder Gewaltanwendung oder anderer Form von Nötigung zu widersetzen, die die Sicherheit oder das soziale und wirtschaftliche System des taiwanesischen Volkes gefährdet“. (dpa)