Ex-Parlaments-Vize festgenommenWas die mutmaßliche Kaili-Korruptionsaffäre für Griechenland bedeutet

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Eva Kaili spricht während der Verleihung des Europäischen Buchpreises in Brüssel. Neben ihr sitzt ein weiterer Abgeordneter des EU-Parlaments.

Eva Kaili spricht während der Verleihung des Europäischen Buchpreises in Brüssel. (Archivbild)

Nach der Korruptionsrazzia rund um die ehemalige EU-Parlaments Vize Eva Kaili soll ihr Mann nun seine Verwicklungen gestanden haben. In Griechenland muss sich derweil Regierungschef Mitsotakis gegen Abhörvorwürfe verteidigen – und das vor den anstehenden Wahlen.

Noch ist nichts bewiesen im Fall Eva Kaili. Ließ sich die griechische Europaabgeordnete vom Wüstenstaat und WM-Ausrichter Katar schmieren? Oder gehört das in ihrer Wohnung gefundene Geld wirklich einem unbekannten Dritten, wie sie jetzt behauptet? Während der Korruptionsverdacht um Kaili Schlagzeilen macht, muss sich der konservative griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis gegen Abhörvorwürfe verteidigen. Was bedeuten die Affären für die bevorstehenden Wahlen?

Die 44-Jährige Europaabgeordnete ist eine von mehreren Verdächtigen, gegen die jetzt die belgische Justiz ermittelt. Das Golfemirat Katar soll mit Geld- und Sachgeschenken versucht haben, politische Entscheidungen im Europaparlament zu beeinflussen. Die belgische Polizei hat neben Kaili fünf weitere Verdächtige festgenommen, darunter ihren italienischen Ehemann Franceso Giorgi. Bei Durchsuchungen wurden in den Wohnungen der Verdächtigen Bargeldpakete von fast 1,5 Millionen Euro gefunden.

Ehemann Kailis soll Verwicklungen gestanden haben

Von einer neuen Wendung in dem Fall berichten jetzt die belgische Zeitung „Le Soir“ und die italienische „Republicca“. Danach soll Kailis Ehemann in den staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen seine Verwicklung in den Korruptionsskandal gestanden haben. Er sei Mitglied einer Organisation, die sowohl von Katar wie auch von Marokko genutzt wird, um Einfluss im Europaparlament zu gewinnen. Seine Rolle habe darin bestanden, „Bargeld zu verwalten“, sagte Giorgi. Seine Frau Eva Kaili habe nichts mit der Sache zu tun. „Lasst sie frei“, habe Giorgi den Staatsanwalt gebeten, schreiben die Zeitungen.

Kaili gehörte der sozialdemokratischen Pasok an, bis Parteichef Nikos Androulakis am vergangenen Wochenende ihren Ausschluss veranlasste. Politische Analysten beginnen nun auszuloten, welche Auswirkungen der Fall Kaili auf die griechische Politik haben wird. Im nächsten Frühjahr wird ein neues Parlament gewählt. Der konservative Premier Kyriakos Mitsotakis will seine absolute Mehrheit verteidigen. Pasok-Chef Androulakis erklärte jetzt zum Wahlziel, Mitsotakis in die Opposition zu schicken.

Für Kailis Partei ist der Fall ein unangenehmes Déjà-vu

Aber für die Pasok ist der Fall Kaili ein unangenehmes Déjà-vu. Jedem in Griechenland fällt sofort der Name Akis Tsochatzopoulos ein. Er war einer der engsten Vertrauten des legendären Pasok-Gründers Andreas Papandreou. Weil er als Verteidigungsminister in den 1990er Jahren bei der Beschaffung von Waffensystemen Bestechungsgelder in zweistelliger Millionenhöhe kassiert haben soll, verurteilte ihn ein Gericht 2013 zu 20 Jahren Haft. Tsochatzopoulos starb 2021 im Alter von 82 Jahren.

Die Pasok ist in den vergangenen Jahren durch Höhen und Tiefen gegangen. 2009 gewann Giorgos Papandreou, ein Sohn des Parteigründers, die Parlamentswahlen mit 44 Prozent Stimmenanteil. Nachdem die Regierung Papandreou wegen der Schuldenkrise harte Sparmaßnahmen umsetzen musste, fiel die Partei bei den Wahlen von 2015 auf 4,7 Prozent zurück – ein beispielloser Absturz. Der seit einem Jahr amtierende neue Pasok-Chef Androulakis will die Partei erneuern und zu alter Größe zurückführen. In Umfragen vom November lag die Pasok mit rund 14 Prozent Stimmenanteil auf dem dritten Platz hinter der regierenden konservativen Nea Dimokratia (ND) von Ministerpräsident Mitsotakis und dem radikalen Linksbündnis Syriza des Ex-Premiers Alexis Tsipras.

Herber Rückschlag für die Pasok

Für die Pasok und ihren Vorsitzenden ist der Korruptionsfall ein herber Rückschlag. Androulakis, selbst Europaabgeordneter, muss sich fragen lassen, warum er nicht schon nach einer umstrittenen Rede seiner Fraktionskollegin im Europaparlament Verdacht schöpfte und Konsequenzen zog. Dort verherrlichte Kaili im November Katar als „führend bei den Arbeitsrechten“ und wegen angeblichen Reformeifers als „Inspiration für die arabische Welt“.

Aber der Fall Kaili färbt nicht nur auf die Pasok ab. Die politische Kultur Griechenlands erscheint jetzt in einem schlechten Licht. Willkommen kann die Affäre deshalb keinem sein, auch nicht der konservativen Regierung. Sie könnte allerdings darauf hoffen, dass der Korruptionsfall von den Abhörvorwürfen ablenkt, mit denen Premier Mitsotakis seit Monaten konfrontiert ist.

Der griechische Geheimdienst hatte im Herbst 2021 drei Monate lang die Telefone des Europaabgeordneten Androulakis angezapft. Auch Dutzende weitere Politiker, Journalisten und Unternehmer sollen mittels einer Spionage-Software abgehört worden sein. Mitsotakis will davon nichts gewusst haben. Ob neben dem Geheimdienst auch private Kreise in die Bespitzelungen verwickelt waren, ist unklar.

Noch kein Termin: Aber der Wahlkampf hat schon begonnen

Die Abhöraffäre beherrscht den Wahlkampf. Er hat längst begonnen, auch wenn noch gar kein Termin für die Abstimmung feststeht. Sie muss spätestens im Juni stattfinden. Während die griechische Öffentlichkeit in der Abhöraffäre seit Monaten vergeblich auf eine Klärung wartet, erschüttert nun der Korruptionsverdacht gegen Kaili das ohnehin angeschlagene Vertrauen in die Politik. Die Abhörvorwürfe und die Causa Kaili scheinen alle gängigen Vorurteile über die griechischen Politiker als eine korrupte, charakterlose Kaste zu bestätigen.

Welche Folgen die Affären für den Wahlausgang haben werden, ist schwer abzuschätzen. Wichtig wird sein, wie die Wählerinnen und Wähler der politischen Mitte votieren. Die drei großen Parteien buhlen um die Stimmen aus diesem Segment. Umfragen zeigen, dass bisher nicht wenige Wechselwähler aus dem politischen Zentrum in der erneuerten Pasok eine Alternative zu der konservativen Nea Dimokratia und der radikal-linken Syriza sahen.

Doch gerade diese Wähler reagieren Politikforschern zufolge besonders empfindlich auf politische Skandale. Stimmenverluste für die Pasok könnten die Folge sein. Dass die Nea Dimokratia davon profitieren kann, ist angesichts der Abhöraffären eher unwahrscheinlich. Deshalb hofft das radikale Linksbündnis Syriza auf Zulauf. Ob sich das bestätigt, wird die Wahl zeigen. Sicher scheint nur eines: Die Politikverdrossenheit in Griechenland dürfte infolge der Skandale weiter wachsen - und die Wahlbeteiligung zurückgehen.

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