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Kommentar zum MittagZerrüttung zwischen Berlin und Ankara

2 min
Deutsche Botschaft Ankara

Die deutsche Botschaft in der türkischen Hauptstadt Ankara.

Ankara – Der Fall des türkischen Anwalts Yilmaz S. spiegelt die Zerrüttung zwischen Berlin und Ankara wider. Der Anwalt arbeitete für die deutschen Behörden und wurde in der Türkei als Spion verhaftet. Er säße wohl nicht im Gefängnis, wenn es um das bilaterale Verhältnis besser bestellt wäre. Doch leider ist gegenseitiges Misstrauen das Leitmotiv einer politischen Beziehung, in der die eine Seite die andere schon längst nicht mehr versteht.

Dass sich die neue Krise ausgerechnet am Thema der türkischen Asylsuchenden in Deutschland entzündet, ist kein Zufall. Die türkische Regierung betrachtet beispielsweise die nach Deutschland geflohenen Vertreter der Gülen-Bewegung als Landesverräter, die aus der Bundesrepublik an Ankara ausgeliefert werden müssten – statt dessen aber als Schutzbedürftige aufgenommen werden. Tatsächlich ist die Verharmlosung der Gülen-Bewegung durch die deutschen Sicherheitsbehörden ein Fehler. Die Gruppe ist kein zahmer Club islamischer Demokraten. Ihre Mitwirkung am Putschversuch von 2016, bei dem 250 Menschen starben, ist kaum zu bezweifeln.

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Doch die Türkei macht es der Bundesrepublik schwer, weil sie sich vom demokratischen Grundkonsens in Europa entfernt hat. Die türkische Justiz ist zu einem Instrument der Repression geworden. Selbst in den Reihen der Regierung wird inzwischen die undemokratische Hexenjagd auf mutmaßliche Gülen-Unterstützer kritisiert. Angesichts solcher Zustände kann Deutschland die Schutzsuchenden aus der Türkei nicht einfach wieder nach Hause schicken.

Aber einen Anwalt mit einer in der Türkei zumindest heiklen Datenbeschaffung beauftragen? Vielleicht hätte sich die Bundesregierung vorher überlegen sollen, welches Risiko sie damit eingeht. Anwalt S. muss es nun ausbaden.