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Psychologin gibt TippsWie Sie den ersten Schultag trotz Corona schön feiern können

Lesezeit 8 Minuten
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Maske und Schultüte: Ein Erstklässler auf dem Weg zur Schule.  

Köln – Die Brüder Leon (9) und Mads (7) sind nur zwei Jahre auseinander. Sie besuchen dieselbe Grundschule im Kölner Westen. Und doch sah der Tag ihrer Einschulung komplett anders aus. „Bei Leon gab es vor vier Jahren eine große Feier in der Turnhalle mit allen Schülerinnen und Schülern. Die älteren Kinder haben eine Aufführung gezeigt. Dann wurde Leon von seinem Paten, einem Drittklässler, mit ins Gebäude genommen“, erinnert sich Vater Christian Mertens. Weil die Familie anonym bleiben möchte, haben wir alle Namen geändert.

Mads hingegen wurde im vergangenen Sommer während der Corona-Pandemie eingeschult. Für ihn gab es keine Abschiedsfeier in der Kita, die Einschulung fand draußen auf dem Schulhof, in kleinem Rahmen mit Masken und ohne Aufführung statt. „Es war trotzdem festlich, die Schule hat das Beste aus der Situation gemacht“, sagt Mutter Tanja Mertens „aber dieses Gefühl der Schulgemeinde hat einfach gefehlt.“ Auch in diesem Jahr kann es für die Erstklässler keine typische Einschulung geben. Das beginnende Schuljahr wird überschattet von steigenden Inzidenzen, Delta-Variante und fehlenden Luftfiltern. Doch wie kann trotz Pandemie ein schöner Schulstart gelingen? Und wie helfen Eltern ihren Kindern generell dabei, den schwierigen Übergang von der Kita in die Schule zu meistern?

Die Einschulung

„Für die meisten Kinder ist die Einschulung unter Corona-Bedingungen ganz normal, da sie es nicht anders kennen“, beruhigt Dr. Monja Thiebach vom Schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln. „Es sind eher die Eltern im Hintergrund, die die Gestaltung des Tages vielleicht nicht als angemessen empfinden.“ Die Grundschulen haben auf jeden Fall Willkommensfeiern für die neuen Schülerinnen und Schüler vorbereitet. Thiebach findet, dass Familien den Tag trotz Pandemie schön gestalten können: Eine prall gefüllte Schultüte, festliche Kleidung, eine kleine Familienfeier oder ein Ausflug am Nachmittag. „Für die Kinder ist es ein großer Schritt von der Kita in die Schule. Das sollten Familien auf jeden Fall feiern – aber das ist ja auch in kleinem Rahmen möglich.“

Die ersten Schultage

Nach dem festlichen Tag der Einschulung ändert sich vieles im Leben der Kinder: Der Tag beginnt nun zu einer festgelegten Uhrzeit und dauert häufig länger als in der Kita. Die Kinder müssen länger still sitzen und können weniger spielen. Es gibt neue Regeln und Rituale. Der Weg ist anders, das Gebäude größer und in der Klasse sieht man viele zunächst fremde Gesichter – die Lehrerin eingeschlossen. „Die Einschulung bringt auf vielen Ebenen große Umstellungen mit sich – nicht nur für die Kinder, sondern für die ganze Familie“, sagt Monja Thiebach. „Es ist wichtig, dass Eltern diesen Übergang gut begleiten.“

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Monja Thiebach vom Schulpsychologischen Dienst in Köln

Sie rät, die Nachmittage in den ersten Schulwochen nicht so voll zu planen, sondern Raum zum Runterkommen und Verarbeiten, für Pausen und Gespräche zu lassen. Eltern sollten Interesse zeigen und fragen, was dem Kind in der Schule gut gefallen habe – aber auch respektieren, wenn das Kind nicht reden will. Manchmal kann dann dieser Trick helfen: „Als neues Ritual vor dem Schlafengehen zählen das Kind und man selbst drei schöne Dinge aus dem Tag auf.“ Generell sei ein positiver Blick auf das Thema Schule hilfreich.

Die fehlenden Kita-Monate

Erschwerend hinzu kommt in diesem Jahr, dass manche Kinder wenig in der Kita gewesen sind – sei es durch Quarantäne oder weil die Eltern sie viel zu Hause behielten. Dadurch haben manche Kinder Teile des Vorschulprogramms verpasst, vor allem aber hatten sie weniger soziale Kontakte. Und zwar nicht nur in der Kita, sondern auch zu Hause. „Wie finde ich neue Freunde? Wie halte ich mich an Regeln? Wie reagiere ich in Streit-Situationen? In diesen Bereichen fehlen manchen Kindern nun die Erfahrungen. Wir merken zudem, dass sich mehr Eltern bei uns melden, deren Kinder Ängste haben“, sagt Psychologin Thiebach. Dafür könne es verschiedene Gründe geben: Manchen Kindern fällt es schwer, sich von ihren Eltern zu trennen, andere haben Angst vor schulischen Situationen oder auch vor Ansteckung.

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Am Donnerstag werden die Erstklässler eingeschult.

Das Kind dann zu Hause zu behalten, sei aber der falsche Weg. „Die Eltern sollten stattdessen in Ruhe mit dem Kind sprechen, um herauszufinden, was es braucht, um in die Schule zu gehen.“ Nur in der Schule könne es erleben, dass seine Befürchtungen nicht eintreten und positive Erfahrungen machen. „Das ist wichtig, damit die Ängste weniger werden.“ Hilfreich ist, wenn das Kind schnell Freunde in der Klasse findet. Hier dürfen die Eltern nachhelfen und die Verabredungen mit anderen Kindern anregen.

So haben es auch Tanja und Christian Mertens gemacht. „Mads kannte nur ein anderes Kind in seiner Klasse. Wir haben ihn dann gleich nach der Einschulung darin unterstützt, sich privat mit anderen Kindern zu treffen“, erzählt Vater Christian Mertens. „Rückblickend hat Mads sehr davon profitiert, weil er so vor dem Lockdown schon Freunde gefunden hatte.“ Die Mertens raten den neuen Erstklässler-Eltern es ähnlich zu tun, und jetzt im Spätsommer noch viele Kontakte zu knüpfen.

Das erste Jahr

Das ganze erste Schuljahr hindurch bleiben die Eltern als Unterstützung wichtig. Sie sollten dem Kind beispielsweise helfen, seinen Tagesablauf zu strukturieren. Dazu gehört, morgens pünktlich aufzustehen, genauso wie Zeiten für Hausaufgaben, Pausen und Spielen einzuplanen, und das Kind abends früh genug ins Bett zu schicken. „Sollte es in diesem Schuljahr nochmal in den Wechsel- oder Distanzunterricht gehen, ist es besonders wichtig auf Struktur zu achten“, sagt Monja Thiebach. „Vielen Familien hat es im vergangenen Schuljahr geholfen, eine Art Stundenplan für zu Hause zu erstellen.“

Tipps von Monja Thiebach

- Vermitteln Sie Ihrem Kind ein positives Gefühl von Schule!

- Reduzieren Sie – vor allem am Anfang – das Freizeitprogramm und lassen sie Raum, um die Eindrücke zu verarbeiten.

- Versuchen Sie alte Routinen zu erhalten und neue zu etablieren. Das gibt Stabilität.

- Bringen Sie Struktur in den Tagesablauf.

- Zeigen Sie Interesse am Schulleben Ihres Kindes. Nehmen Sie sich Zeit für Ihr Kind, wenn es erzählen möchte, aber respektieren Sie auch, wenn es das nicht möchte.

- Fördern Sie die Selbstständigkeit Ihres Kindes. Nehmen Sie ihm nichts ab, was es schon selbst kann.

- Erinnern Sie Ihr Kind schon abends daran, seinen Ranzen für den nächsten Tag zu packen.

- Loben Sie Ihr Kind auch für kleine Fortschritte.

- Konzentrieren Sie sich nicht nur auf das, was nicht klappt, sondern blicken Sie auf die Stärken Ihres Kindes. Das Kind sollte wissen: Meine Eltern lieben mich, wie ich bin - das hängt nicht vom Erfolg in der Schule ab.

- Bleiben Sie im Kontakt mit der Schule: Nutzen Sie zum Beispiel Elternabende oder Sprechstunden.

So etwas hatte Familie Mertens zwar nicht. Doch: „Wir hatten einen groben Tagesplan, haben immer geschaut, dass die Kinder morgens ihre Schulsachen erledigen und nachmittags Zeit zum Spielen haben. Das hat sich bewährt“, sagt Tanja Mertens. Sie hat eine halbe, ihr Mann eine volle Stelle, beide konnten die ganze Zeit über von zu Hause aus arbeiten und fühlen sich sehr privilegiert. „So konnte ich mich auch mal für eine Stunde rausziehen und das Homeschooling begleiten. Das war schon ein großes Glück“, sagt Christian Mertens. Denn, so die Erfahrung der beiden: Drittklässler Leon konnte sich schon viel selbst organisieren, bei Erstklässler Mads klappte das nicht. „Da mussten wir viel daneben sitzen und ihm helfen die Aufgaben zu strukturieren“, so Vater Christian. 

Der Schulstoff

Eines jedoch taten die Mertens nicht: Den Kindern die Aufgaben abnehmen. „Lesen, schreiben, rechnen, das haben beide komplett alleine gemacht“, sagt Christian Mertens. Und genau so sollte es sein, sagen nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch Psychologin Monja Thiebach: „Eltern sind keine Lehrkräfte, sondern Lernbegleiter.“ Das gelte auch ohne Pandemie. „Wenn bei den Hausaufgaben Fragen aufkommen, sollten Eltern sich in ihren Erklärungen eng an das Buch halten oder einfach der Lehrkraft zurückmelden, dass es noch Klärungsbedarf gibt.“ Denn: Erklären Eltern Sachverhalte anders als die Lehrer, verwirrt das die Kinder nur.

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Eine Erstklässlerin in der Schule

Besonders fatal sei es, wenn Eltern aus der Angst heraus, ihr Kind würde nicht genug lernen, Extra-Aufgaben machen wollten oder ihr Kind immer wieder korrigierten. Das setze alle unnötig unter Druck. „Ein Kind im ersten oder zweiten Schuljahr kann noch nicht alle Wörter korrekt schreiben. Im Gegenteil: Es ist toll, wenn es ein Wort nach Gehör richtig schreiben kann. Und dafür sollte man sein Kind dann auch loben.“ Und wenn bei den Hausaufgaben oder im Homeschooling gar nichts mehr geht? „Einfach mal eine Pause machen“, rät die Psychologin.

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Mads, so erzählen seine Eltern, habe sich zwar trotz Distanzunterricht als Schulkind gefühlt. Doch: „Wir haben gemerkt, wie sehr ihm das Feedback der Lehrerin und die Interaktion im Klassenverband gefehlt haben“, sagt Christian Mertens. „Er konnte nur schwer einschätzen, ob er etwas richtig macht, weil er ja die anderen Kinder nicht erlebt hat. Dieser Abgleich fand dann in seinem Kopf statt und dadurch hat er sehr hohe Ansprüche an sich selbst gesetzt.“

Grundsätzlich seien sie als Familie zum Glück unbeschadet durch dieses komplizierte Schuljahr gekommen. Sie wissen aber auch von anderen Familien, bei denen es viel schwieriger war. Die Mertens hoffen, dass ihre beiden Söhne in diesem Jahr den Unterricht in der Schule haben und dass die Politik die Rahmenbedingungen dafür schafft. „Das Wichtigste ist aber: Man muss die Bälle nehmen, wie sie kommen“, resümiert Tanja Mertens, „und weder sich noch die Kinder zu sehr unter Druck setzen.“

Wenn Sie in Köln wohnen, können Sie sich auch selbst an den Schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln wenden: 0221-221-29001 und 0221-221-29002

schulpsychologie@stadt-koeln.de

Wenn Sie nicht in Köln wohnen, wenden Sie sich bei Fragen bitte an den Schulpsychologischen Dienst in Ihrer Stadt oder Ihrem Kreis.