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In Sachen LiebeAngst vor zu viel Nähe – Wie halte ich meine Beziehung aufrecht?

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau und ein Mann sitzen auf einem Sofa und denken nach.

In bisherigen Beziehungen immer einen Rückzieher gemacht? Wenn das nicht wieder passieren soll, hilft es, sich bestimmte Fragen zu stellen.

Wer immer wieder einen Rückzieher macht, wenn die Beziehung enger wird, sollte analysieren, was die Panik auslöst.

Ich wünsche mir eine innige Beziehung und eigentlich auch Familie. In meinen letzten Beziehungen war es allerdings so, dass ich mich nach einiger Zeit, wenn meine Partnerin auch dazu bereit war, entfernt und Schluss gemacht habe. Jetzt habe ich eine neue Partnerin. Wie kann ich dafür sorgen, dass es nicht wieder so passiert?“ (Phillip, 33 Jahre)

Was Sie beschreiben, klingt nach dem inneren Ringen Ihres Wunschs nach einer verbindlichen Beziehung und der gleichzeitigen Angst davor. Sie werben um Ihre Partnerin, solange sie noch nicht bereit ist, sich ganz auf Sie einzulassen, das heißt, solange Sie davor geschützt sind, dass Ihr Wunsch in Erfüllung geht. Ist es dann so weit, dass auch sie mehr Verbindlichkeit möchte, übernimmt Ihre Angst das Kommando, und Sie steigen aus.

Das ist einerseits sehr verständlich. Eine enge Beziehung und natürlich auch Familie bedeuten Abhängigkeit und die Bereitschaft sich einzulassen, das heißt auch sich anzuvertrauen und ein Stück weit auszuliefern. Sie machen sich verletzbar. Sie geben bestimmte Dinge auf. Sie sind nicht mehr so frei, müssen sich mehr erklären und Kompromisse machen. Andererseits verbauen Sie sich durch Ihr Zurückschrecken auch immer wieder die Möglichkeit, jene Tiefe und Nähe und Verlässlichkeit zu erfahren, die Sie sich so sehr wünschen.

Die Angst steht im Weg

Dieser Widerspruch liegt ein bisschen auch in der Natur der Sache. Viele Menschen teilen Ihren Konflikt. Wenn die Angst so stark ausgeprägt ist, dass sie Ihnen im Weg steht, ist es erstmal interessant zu verstehen, woran es bei Ihnen persönlich liegt, dass Sie den Konflikt nicht auflösen können.

Dazu könnten vielleicht folgende Fragen helfen: Wie haben Sie enge Beziehungen bisher erlebt? Was verbinden Sie damit? Wie war die Beziehung Ihrer Eltern? Haben die es geschafft, ein gutes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz aufzubauen? Konnten sie gemeinsam leben und Verantwortung für die Familie übernehmen, oder haben sie sich gegenseitig eingeengt, kontrolliert, ständig darüber gestritten, wer zuständig ist oder wer zu viel oder zu wenig Freiheiten hatte? Und wie wurden Sie als Kind erzogen? Bedeutete Nähe zu einem Elternteil oder zu beiden immer auch Einengung und Verpflichtung, oder durften Sie als Kind Ihren Eltern nah sein, wenn Ihnen danach war und Sie sie brauchten, und dann aber auch wieder alleine fröhlich „in die Welt“, in Ihre Welt ziehen?

Bewusst auf die Kipppunkte achten

Das alles ist interessant, um Ihre starke Ambivalenz zu verstehen. Für heute kann das zweierlei bedeuten: Einmal, dass Sie ganz bewusst darauf achten, an welchen Punkten es bei Ihnen kippt und die Angst sich meldet.

Dann können Sie diese Angst nochmal genau anschauen: Hat sie gerade mehr damit zu tun, wie sich die neue Beziehung entwickelt, oder vielleicht doch mehr damit, was Sie früher erlebt haben? Meist ist es von beidem etwas.

Über die Angst sprechen

Wenn Sie sich damit auseinandersetzen, haben Sie die Möglichkeit, es einzuordnen. Sie können gucken: Möchte meine neue Partnerin mich wirklich so einengen, wie ich es befürchte, oder schrecke ich zurück aus der Angst, dass etwas Altbekanntes wieder passiert? Wenn das so ist, kann es helfen, erneut zurückzuschauen, sich das früher Erlebte noch einmal vor Augen zu führen, und aber auch genau dort zu anzusiedeln, wo es damals seinen Platz hatte.

Wenn Ihnen Ihre „Trigger“ bewusst sind, können Sie auch mit Ihrer Partnerin über Ihre Angst sprechen. Sie ermöglichen es damit, dass auch sie von ihren Ängsten erzählt. Wenn Sie sich selbst und einander besser verstehen, werden die Ängste kleiner. Und wenn wieder die Angst vor Nähe auftaucht, besteht die Chance, dass Sie nicht sofort weglaufen müssen, sondern sich mehr einlassen und eine neue Art von Beziehung wagen können.


Leserfragen

Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald, Sexualberaterin Gitta Arntzen sowie der Urologe Volker Wittkamp. Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de