Was vorbei ist, ist vorbei. Für Katja Lewina gilt das nicht. Für ihr Buch „Ex“ hat die Autorin sich mit den wichtigsten Männern ihres Lebens getroffen.
Autorin probiert das ausWie ist das, wenn man seine Ex-Freunde noch mal trifft?

Autorin Katja Lewina hat sich für ihr neues Buch mit den zehn wichtigsten Männern ihres Lebens getroffen und dabei viel über sich selbst gelernt.
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Im Interview spricht sie darüber, was sie dabei über sich selbst gelernt hat, welche Muster sie wiederholt und warum man nur gewinnen kann, wenn man den Kontakt zu seinen Verflossenen wieder aufnimmt.
Frau Lewina, Sie haben für Ihr neues Buch „Ex“ die zehn wichtigsten Männer Ihres Lebens noch einmal getroffen und mit ihnen über Ihre damalige Beziehung gesprochen. Sind Sie bei jedem Treffen in der Zeit zurückgereist?
Katja Lewina: Ja, absolut. Es ist erstaunlich, wie gut das funktioniert, dass man sich plötzlich wieder wie mit 16 fühlt. Man erinnert sich an Songs, die man damals zusammen gehört hat, und auch der Schmerz, den man mal wegen einander empfunden hat, wurde plötzlich wieder sehr real. Ich konnte das richtig körperlich spüren, wenn ich mit der Person zusammen war und wir über die Situation gesprochen haben. Das hat mich überrascht und auch getroffen. Ich bin sehr schnell wieder in die Gefühle von damals hinein geraten, und teilweise auch in die Verhaltensweisen. Bei einem Treffen empfand ich mich als genauso klein und unterlegen wie damals, obwohl die Beziehung lange her ist und ich jetzt eine erwachsene Frau bin, die keinen Grund hat, sich zu verstecken. Manche Begegnungen haben aber offenbar kein Potenzial, besser zu werden.
Ist es denn überhaupt möglich, eine Verbindung zwischen damals und jetzt herzustellen? Meist hat man ja viele Jahre dazwischen nicht miteinander verbracht.
Bei den meisten Treffen war es kein Problem, wir haben immer wieder abgeglichen, wie es damals bei uns war und wie es jetzt in der aktuellen Beziehung ist. Da war bei mir auch viel Sympathie für die Person, die heute vor mir sitzt, und nicht nur für den Mann aus der Vergangenheit. Manchmal habe ich mich gefragt, warum wir nicht Freunde geblieben sind. Was hätten wir es schön miteinander haben können, wenn es nicht diese große Enttäuschung darüber gegeben hätte, dass wir es als Paar nicht geschafft haben. Denn tolle Menschen sind es doch trotzdem.

Katja Lewina wurde 1984 in Moskau geboren und ist in Brühl aufgewachsen. Sie arbeitet unter anderem als freie Autorin, bei Dumont sind von ihr die Bücher „Sie hat Bock“ und „Bock. Männer und Sex“ erschienen.
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Hatten Sie Angst davor, Ihre ehemaligen Partner wieder zu sehen?
Ich war eher aufgeregt. Sie zu treffen, war wie ein Abenteuer für mich. Mir ist es allerdings nicht so leicht gefallen, überhaupt wieder Kontakt aufzunehmen, weil ich Angst vor der Reaktion hatte. Man taucht schließlich nach Jahren wie aus dem Nichts wieder auf. Das kann schon ein bisschen merkwürdig aussehen.
Es waren ja offenbar auch nicht alle Männer besonders begeistert von der Idee, Sie wieder zu sehen. Hat das weh getan?
Ein bisschen hatte ich damit gerechnet, aber nicht in so einem Ausmaß. Einige wollten mich gar nicht treffen, bei einem habe ich es auch nicht geschafft, ihn zu überreden. Aber damit konnte ich irgendwann auch leben.
Haben Sie sich im Nachhinein zurückgewiesen gefühlt?
Dieses Experiment war ganz allgemein eine sehr harte Konfrontation, bei der mir eine Menge Dinge um die Ohren geflogen sind. Mir wurden meine Fehler und die Verletzungen, die ich hinterlassen habe, noch einmal sehr genau gespiegelt. Ich habe mich teilweise unterirdisch verhalten, war unreflektiert und rücksichtslos. Und in manchen Beziehungen habe ich auch ganz schön einstecken müssen. So sind wir Menschen nun mal, wir tun einander weh. Darum war es auch so wichtig, darüber reden zu können, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich ein Stück weit zu versöhnen.
Ihre Recherche sollte auch dazu dienen, Ihre typischen Muster in Beziehungen aufzuzeigen. Welche haben Sie entdeckt?
Die vielen Treffen haben gezeigt, wie sehr ich bestimmte Verhaltensweisen wiederhole, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Sie wollen eine Kostprobe? Ich wollte so dringend gerettet werden und habe mich von einer Beziehung in die nächste geworfen, immer in der Hoffnung, dass irgendwer mich auffangen wird. Gleichzeitig war ich total ängstlich, was Liebe angeht. Ich war immer in Sorge davor, losgelassen zu werden und die Liebe wieder zu verlieren. Deshalb habe ich oft sehr schnell zurückgeschlagen, noch bevor der andere überhaupt ausholen konnte. Diese Dinge passieren vielen von uns, wenn auch auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Es sind die Klassiker in Beziehungen: Sich nicht wirklich einlassen können und gleichzeitig überhöhte Forderungen an die Liebe stellen. Sich nicht klar mitteilen, weil man sich selbst nicht richtig spürt. Diese Muster sehe ich auch bei vielen anderen.
Wie könnte man das ändern?
Zum Beispiel, indem man seine Ex-Freundinnen und Ex-Freunde anruft. Gespräche mit Freunden oder eine Therapie können zwar auch helfen, aber am Ende drehen wir uns immer nur um uns selbst und erzählen uns die immer gleichen Geschichten. Wir haben diese eine Version von uns selbst und denken, dass wir alles richtig machen. Was uns oft fehlt, ist ein Korrektiv von außen. Wir müssen lernen, auch anzunehmen, wenn uns jemand kritisiert.
Warum muss diese Reflexion unbedingt mit den Ex-Freunden sein und nicht mit Freunden oder Verwandten?
Weil Freunde und Verwandte einen meiner Erfahrung nach meist in dem bestärken, was man ohnehin schon glaubt. Das ist bei der Rückschau mit den Ex-Freunden anders. Mit ihnen kann man abgleichen, wie man jeweils die gemeinsame Zeit erlebt habt. Jeder von uns geht mit seiner eigenen emotionalen Vorgeschichte in eine Beziehung. Wenn man da nicht gut aufpasst und sich immer wieder über die eigenen emotionalen Themen austauscht, verliert man sich leicht aus den Augen. Die meisten Konflikte, die wir in Beziehungen haben, haben wir aus unserer Kindheit mitgebracht. Ein ehemaliger Partner kann das gut spiegeln, der hat das alles schon mal mit uns durchgemacht. Meistens schneidet man Ex-Partner einfach aus seinem Leben heraus oder bleibt zwar vielleicht befreundet, redet aber nie mehr über das, was damals war. Dabei ließe sich so viel von ihnen lernen.
Wenn man seine Ex-Partner wieder trifft, kann das aber auch alte Verletzungen wieder aufreißen.
Das tut es auf jeden Fall, da müssen wir uns nichts vormachen. Auch bei mir sind durch die Treffen viele Verletzungen wieder aufgebrochen, manche Gespräche waren schmerzhaft und unangenehm. Aber Schmerzvermeidung ist nicht die cleverste Strategie, wenn man im eigenen Leben etwas verändern möchte. Ich bin sicher nicht die einzige Person, die von Beziehung zu Beziehung geht, immer hofft, dass es besser wird und dann jedes Mal wieder kolossal scheitert. Wenn man möchte, dass sich etwas verändert, lohnt es sich sehr, in die Vergangenheit zu schauen. So kann man erkennen, was man schon immer falsch gemacht hat und was man daraus für zukünftige Beziehungen lernen kann.
Buchtipp: Katja Lewina – „Ex“, Dumont-Verlag, 201 Seiten, 22 Euro