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In Sachen LiebeMeine Affäre war ein Fehler – Wie gehe ich damit um?

4 min
Mann sitzt nachdenklich traurig auf der Couch.

Die Partnerin ist verletzt, man selbst kann sich nicht verzeihen: Eine Affäre hinterlässt Spuren.

Eine Affäre hebt alles aus den Angeln. Wer Partner oder Partnerin verletzt hat, steht häufig vor einem inneren Trümmerhaufen

Ich habe meine Frau betrogen und mich auf eine Affäre eingelassen. Ich liebe meine Frau und möchte mit ihr zusammenbleiben. Die Affäre habe ich beendet und es meiner Frau gesagt. Sie ist sehr verletzt. Ich bin verzweifelt und kann mir das selbst nicht verzeihen. Wie gehe ich damit um?
Felix, 38 Jahre

Von außen betrachtet scheint der Fall klar: Jemand wurde betrogen. Ein Vertrauensbruch. Schmerz auf beiden Seiten. Doch wer sich in dieser Lage befindet, erlebt nicht nur Reue und Schuld, sondern oft auch eine tiefe innere Zerrissenheit.

„Wie konnte ich das tun?“ – „Wie konnte ich ihr das antun?“ – „Was ist falsch mit mir?“ Ihre Verzweiflung ist nachvollziehbar. Wer seine Partnerin verletzt hat, steht häufig vor einem inneren Trümmerhaufen – ein lähmendes Gefühl, dass man sich selbst nicht mehr in die Augen sehen kann und das Gute, das man auch ist, nicht mehr erkennt.

Verantwortung zu übernehmen, ist wichtig. Aber Selbstverurteilung blockiert Heilung. Schuldgefühle zeigen, dass Ihnen etwas an Ihrer Partnerin und Ihrer Beziehung liegt. Doch der Weg zu echter Veränderung beginnt dort, wo Verurteilung in Verständnis übergeht: Verständnis für sich selbst und für das, was passiert ist.

1. Verantwortung anerkennen, ohne sich selbst zu zerstören

Ein Vertrauensbruch erschüttert. Es ist gut, dass Sie erkennen, welchen Schmerz Sie verursacht haben. Doch Verurteilung allein verändert nichts. Wenn Schuldgefühle alles überlagern, verhindern sie oft gerade das, was so dringend gebraucht wird: Einsicht, Entwicklung, eine innere Versöhnung. Um einen neuen Weg zu finden, ist es wichtig, nicht in der Selbstanklage zu verharren. Verzeihen – auch sich selbst gegenüber – ist ein innerer Entwicklungsprozess. Er beginnt mit dem Verständnis dafür, warum es überhaupt so weit gekommen ist.

2. Warum ist das passiert? Der Blick nach innen

Die Affäre war nicht „grundlos“. Ein Perspektivwechsel kann hilfreich sein und bedeutet, sich nicht nur als „der Schuldige“ zu sehen, sondern als Mensch mit Emotionen, unerfüllten Bedürfnissen, vielleicht Einsamkeit oder einem Wunsch nach Lebendigkeit, der in einer destruktiven Handlung seinen Ausdruck fand. Vielleicht stand dahinter ein innerer Mangel, eine tiefe Sehnsucht oder Überforderung. Vielleicht ging es um Nähe, um Bestätigung, um das Gefühl, wieder gesehen zu werden, oder um Flucht. Diese Fragen helfen weiter:

  1. Was hat mir in der Beziehung oder in mir selbst gefehlt?
  2. Was habe ich gesucht und warum gerade auf diese Weise?
  3. Welche alten Muster oder Ängste könnten mich gelenkt haben?

Ein ehrlicher Blick nach innen ermöglicht es, nicht nur den Fehler zu sehen, sondern auch die verletzliche Person dahinter.

3. Selbstvergebung

Sich selbst zu vergeben ist kein Geschehen auf Knopfdruck, sondern ein Prozess. Dieser beginnt dort, wo Sie sich erlauben, sich als ganzer Mensch zu sehen mit Licht- und Schattenseiten. Sie sind nicht nur der, der verletzt hat. Sie sind auch der, der fühlt, leidet, bereut und verstehen will. Sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen, bedeutet nicht, den Schmerz zu verharmlosen. Es bedeutet, sich als Mensch ernst zu nehmen. Dazu gehört auch, sich die eigene Verletzlichkeit einzugestehen. Denn hinter einer Affäre können innere Konflikte, emotionale Leere oder alte Wunden stehen.

4. Ihre Partnerin: Schmerz anerkennen, Nähe ermöglichen

Ihre Frau ist verletzt. Sie können ihre Reaktion nicht kontrollieren, aber ehrlich mit ihr sein. Dazu haben Sie sich bereits entschieden, als Sie ihr die Affäre gestanden haben. Das hat sicherlich Mut erfordert und zeigt, dass Sie das Vertrauen in sich selbst und Ihre Beziehung wieder aufbauen möchten. Versuchen Sie, mit ihr zu teilen, was Sie bewegt und was Sie verstanden haben, auch Ihre Reue und Ihre Bereitschaft zu wachsen. „Ich habe einen Fehler gemacht. Ich sehe deinen Schmerz. Und ich möchte verstehen, was du brauchst und was wir gemeinsam brauchen könnten.“ Verzeihen geschieht in einem offenen Gespräch zwischen zwei Menschen, das wieder Nähe und Würde entstehen lässt. Das bedeutet nicht, dass alles wieder gut ist, sondern dass wieder Verbindung möglich wird.

5. Unterstützung suchen

Wenn die Schuld zu groß wird oder der innere Dialog nur noch Selbsthass kennt, ist es hilfreich, sich Unterstützung durch eine Therapie oder Beratung zu holen. Hier können Sie lernen, Ihre Muster zu verstehen und sich selbst wieder zu stabilisieren.Möglicherweise ist auch ein gemeinsames Gespräch mit professioneller Begleitung sinnvoll, um neue Nähe und Vertrauen aufzubauen. Vergebung entsteht nicht aus dem Wunsch nach einem schnellen „Zurück zum Vorher“, sondern aus einem bewussten, gemeinsamen Weg nach vorn.

Ein Fehler macht Sie nicht zu einem schlechten Menschen. Ihre Reue zeigt, dass Ihnen Ihre Beziehung und Ihre Integrität wichtig sind. Seien Sie mitfühlend mit sich selbst, um zu lernen, zu wachsen und in Beziehung zu bleiben, mit Ihrer Frau und mit sich selbst. Stellen Sie sich vor, wie Sie mit einem befreundeten Menschen sprechen würden, wenn Sie an seiner Stelle wären. Würden Sie sagen: „Du bist ein schlechter Mensch und darfst nie wieder glücklich sein“? Oder würden Sie sagen: „Du hast einen Fehler gemacht, und jetzt ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen und zu wachsen“?

Sich selbst zu vergeben, ist kein Akt der Schwäche, sondern ein Zeichen innerer Reife.


Zur Kolumne

Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald, Sexualberaterin Gitta Arntzen sowie der Urologe Volker Wittkamp. Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.