Therapeuten-Paar„Wenn sich der Sex rausschleicht, ist das für Paare eine Katastrophe”

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Wolfram und Eva-Maria Zurhorst sind beide Paarberater und seit 25 Jahren ein Ehepaar. 

  • Eva-Maria und Wolfram Zurhorst sind sich einig, dass Krisen notwendig für eine starke Beziehung sind.
  • Aus eigener Erfahrung sind die Paar-Berater überzeugt, dass selbst Seitensprünge gemeinsam überwunden werden können.
  • Warum Streit so wichtig ist und was gegen schlechten Sex hilft, erklären die beiden im Interview.

Köln – Eva-Maria und Wolfram Zurhorst sind seit 25 Jahren verheiratet, haben eine erwachsene Tochter und beraten unter anderem in Wachtberg Frauen, Männer und Paare in Beziehungsfragen. Eva-Maria Zurhorst hat sich vor allem auf die Arbeit mit Frauen spezialisiert. Beide haben zudem zahlreiche Bücher geschrieben. Die beiden gelten als Beziehungsprofis, haben aber selbst schon eine schwere Krise hinter sich, nach der sie sich beinahe getrennt hätten.

Mittlerweile sind beide davon überzeugt, dass sich Beziehungen durch Krisen weiter entwickeln. Im Interview sprechen sie über die wichtigsten Beziehungsgeheimnisse und verraten, worüber sie selbst zuhause streiten.

Sie arbeiten beide als Paar-Berater und vermeiden ausdrücklich den Begriff „Paartherapie“. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Eva-Maria Zurhorst: Die Leute sind nicht krank, sondern wollen etwas lernen. Es ist uns wichtig, dass die Paare - vor allem die Männer - nicht das Gefühl haben, sie hätten einen Knall. Uns geht es darum, dass die Leute mit einem Stück mehr Bewusstsein über sich selbst zurück in den Alltag und in ihre Beziehung gehen.

Was ist das häufigste Problem, mit dem die Leute sich an Sie wenden?

Eva-Maria Zurhorst: Es gibt ein paar Kernthemen. Einmal eine Akutkrise, die für das Paar scheinbar aus dem Nichts gekommen ist, wo einer von beiden sagt, dass er sich trennen möchte oder sich in jemand anderen verliebt hat. 

Wolfram Zurhost: Ein anderes häufiges Thema sind Paare, die nach einer gewissen Zeit nebeneinander her, aber nicht mehr miteinander leben. Sie funktionieren noch als Team oder als Eltern, haben aber das Paar-Sein komplett aus den Augen verloren. 

Eva-Maria Zurhorst: Eine dritte große Gruppe sind die etwas Jüngeren, die ihre ganzen Hoffnungen, wie eine Beziehung harmonisch zu laufen hat, nicht erfüllt sehen. Es läuft nicht ganz so, wie das Paar es sich wünscht. Das passiert auch oft, wenn ein Kind geboren wird. 

Wolfram Zurhost: Auch Sexualität ist ein Thema und dabei im Schlepptau auch das Fremdgehen. Viele Paare glauben nicht, dass Ihre Beziehung danach noch eine Chance hat. Meine Erfahrung nach 20 Jahren Coaching ist es, dass die Sexualität sich in allen Beziehungen irgendwann rausschleicht oder völlig ins Kopfkino abdriftet. Das ist für viele Paare eine Katastrophe, weil sie meinen, sie seien damit alleine und der Rest der Welt habe ständig Lust und Spaß im Bett. Oft gibt es eine gewaltige Entspannung, wenn wir einem Paar sagen, dass es gut ist, wenn der Sex auf die alte gewohnte Art nicht mehr klappt.

Warum soll es gut sein, wenn der Sex sich verabschiedet?

Wolfram Zurhost: Weil er bei den meisten Paaren irgendwann keinen emotionalen Unterbau mehr hat. Ich erlebe Paare, wo vor allem die Frauen beim Thema Sex weiter- und mitmachen, obwohl sie innerlich schon längst wissen, dass der Sex, so routiniert und schnell, wie er oft läuft, sie nicht mehr erfüllt und ihnen auch nicht guttut. Meist streikt irgendwann ihr Körper und zeigt keine Regung mehr. Da ist es gut, wenn die Frauen endlich stopp sagen und das Thema Sexualität unterbrochen wird – nicht abgebrochen, sondern rundumerneuert.

Eva-Maria Zurhorst: Es geht dann darum, einen neuen Weg zu finden. Wenn der Sex weg geht, ist das kein Drama sondern ein Indikator – so als ob eine Orchidee ihre Blätter verliert. Paare kommen dann zu uns und fragen, ob Sie jetzt die Pflanze wegschmeißen müssen. Aber dass die Orchidee die Blätter verliert, liegt ja nicht daran, dass sie schlecht oder falsch ist, sondern dass ihr was fehlt. Wenn der Sex nicht mehr funktioniert, dann muss man sich angucken, was der Beziehung fehlt. Ich finde dann heraus, wo die Pflanze steht, und sie erzählen mir dann, dass sie irgendwo in einer Ecke steht und kein Wasser bekommt. Wenn die Beziehung in der Ecke steht und die Gefühle keinen Raum mehr haben, dann schlägt das auf den Sex. Wenn man den Zusammenhang nicht erkennt, glaubt man, die Beziehung ist zu Ende. Wenn man aber hinterfragt, ob die Pflanze am richtigen Platz steht und genug Wasser bekommen hat, kommt auf einmal raus, dass ganz andere Dinge nicht mehr funktionieren, ausgespart oder totgeschwiegen werden. Der Sex ist nur das letzte Glied in der Kette, das sich meldet.

Wie läuft ein Coaching bei Ihnen normalerweise ab?

Wolfram Zurhost: Wenn ein Paar zu mir kommt, arbeite ich meistens erstmal mit dem Mann alleine, um zu hören, wie es ihm geht und ihm auch die Möglichkeit zu geben, dass er alleine erzählen kann,  ohne dass die Frau neben ihm sitzt und vielleicht die Augen verdreht oder sich aufregt. Der Mann bekommt so die Möglichkeit, alleine zu erzählen, wo er gerade steht, was aus seiner Sicht nicht mehr geht und was er sich wünscht.  Danach habe ich das Gespräch mit der Frau. Dann gibt es eine Pause und anschließend habe ich zwei Stunden zusammen mit dem Paar.

Eva-Maria Zurhorst: Aus unserer Erfahrung ist das sehr wichtig. Wir haben mit tausenden von Paaren gesprochen und ich weiß nicht, wie oft ich nach dem ersten Gespräch mit einem von beiden das Gefühl hatte: „Ah ja, so ist das also bei denen.“ Und dann geht die Tür auf und der andere kommt rein und ich habe das Gefühl, der muss eindeutig auf einem anderen Planeten gelebt haben. Deswegen ist uns das Einzelgespräch so wichtig. Zum einen, damit keiner dem anderen reingrätscht,  zum anderen auch, damit wir sehen, wo die beiden sich verrannt haben.

Frau Zurhorst, kommen zu Ihnen eher die Frauen und zu Ihrem Mann die Männer?

Eva-Maria Zurhorst: Mein Mann ist bei uns hauptsächlich der Paar-Coach. Ich arbeite seit zwei Jahren vor allem mit Frauen. Ich gehe jedes Jahr mit tausenden Frauen durch ein „Liebe kann alles“-Programm, wo ich ihnen zeige, alleine in ihre Kraft zu kommen und diese Kraft in ihre Beziehung und ihren Job zurück zu bringen. Das ist für mich aus der Paararbeit entstanden, als ich gemerkt habe, dass die Frauen immer wollen, dass ihre Männer die Psychobücher lesen und endlich irgendwas kapieren. Tendenziell gehen sie dabei aus ihrer Kraft heraus, machen sich zum Opfer und beginnen zu klammern. Ich wollte mit den Frauen alleine arbeiten, damit sie lernen, wie Liebe wirklich funktioniert: Dass man in seine eigene Freude und Liebe kommen muss, dass das etwas bewegt und andere anzieht – auch den eigenen Mann.

Wolfram Zurhost: Es gibt aber auch ein Paar-Programm, das wir zusammen anbieten. Das mache ich hauptsächlich. Wenn ein Paar uns beide haben möchte, gibt es ergänzend zu unserer oben beschriebenen Arbeitsweise noch ein Einzelgespräch, das meine Frau mit der Frau führt und ein Gespräch, das wir am Ende zu viert miteinander führen. Wir als Paar und die beiden als Paar. Nur mit Männern oder Männergruppen arbeite ich eigentlich nicht. Mir macht es Spaß, an dem Thema Beziehung zu arbeiten, und dafür brauche ich am besten beide.

Wie stehen Männer zum Thema Beziehungsberatung? Ist das für sie nicht eher schwierig?

Wolfram Zurhorst: Seit einigen Jahren kommen sie immer selbstverständlicher mit dazu. Viele machen längst selbst einen Tagestermin aus – ohne zu wissen, worauf sie sich einlassen. Aber sie kommen und gehen oft ziemlich erleichtert und überrascht wieder raus, weil es gar nicht wie beim Zahnarzt war. 

Eva-Maria Zurhorst: Das Ganze hat sich zum Glück in den letzten 20 Jahren echt geändert. Früher waren es wirklich meistens arme Wesen, die von ihren Frauen mitgezerrt und zum Coaching quasi als letzte Option vor der Trennung genötigt wurden. Das ist jetzt wirklich total anders.

Herr Zurhorst, glauben Sie, es ist für die Männer einfacher, dass sie mit Ihnen mit einem anderen Mann auf Augenhöhe sprechen können?

Wolfram Zurhost: Es gibt Männer, für die ist es leichter, dass sie mit mir als Mann reden können. Es gab aber auch früher Männer, die haben sich meiner Frau gegenüber leichter öffnen können. Die waren mit mir in so einem gefühlten Konkurrenzding nach dem Motto: „Ich kann vor einem Mann keine Schwäche zeigen.“ Genauso verhält es sich mit den Frauen. Manche denken, sie werden nur von meiner Frau verstanden. Und es gibt Frauen, die total dankbar sind, wenn sie mit einem Mann reden können, der sich beruflich damit beschäftigt und vielleicht für ihren Mann übersetzen kann.

Eva-Maria Zurhorst: Wenn die Frauen partout nur mit mir reden wollen, dann weiß ich innerlich, dass sie am besten mit meinem Mann reden sollten, um eine andere Sichtweise zu bekommen und ihr Herz überhaupt mal wieder für einen Mann zu öffnen. Die haben sich aus Angst vor weiteren Enttäuschungen so in der Frauenecke verkrümelt, dass es ganz wichtig ist, mal wieder zu merken, dass da ein Mann ist, der bereit ist, sie zu hören und zu verstehen. Das kann oft viel Gutes bewirken.

Sie hatten selbst in Ihre Ehe eine größere Krise und hätten sich beinahe getrennt, weil eine andere Frau im Spiel war. Hilft Ihnen diese Erfahrung bei Ihrer Arbeit? Haben Sie das Gefühl, dadurch Ihre Klienten besser zu verstehen?

Wolfram Zurhorst: Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, das ist eines unserer Erfolgskriterien, das wir über Dinge reden und aus Erfahrung ableiten, die wir selber durchlaufen haben. Das ist eine unglaubliche Kraft. Ich höre immer wieder, dass es Leute einfach beruhigt, dass wir nicht über irgendetwas reden, das wir gelesen oder gelernt haben, sondern selbst durchlebt haben. Sie vertrauen uns mehr. 

Eva-Maria Zurhorst: Zu uns kommen relativ oft auch Menschen, die schon Paartherapie bei einem Therapeuten gemacht haben. Wir hören oft, dass das tendenziell anonymer ist. Weil ich selbst den Schmerz kenne, kann ich zu Frauen, die von ihrem Mann betrogen wurden, mit offenem Herzen, authentisch, warmherzig und nicht oberlehrerhaft sagen: „Wissen Sie, ich habe auch sehr gelitten und mich zum Opfer gemacht, aber Aufopfern und dem anderen die Schuld in die Schuhe schieben ist Quatsch.“ Dann sind wir beide zusammen beim Bergsteigen. Ich habe den Berg nur vor ihr bestiegen. Ich weiß, dass man da Angst hat und dass man runterfallen kann. Ich weiß aber auch, dass man auch oben ankommen kann.

Können Sie rückblickend zusammenfassen, was ihre Beziehung nach der Krise gerettet und sogar stärker gemacht hat? 

Eva-Maria Zurhorst: Dass wir wissen, dass eine wirklich verarbeitete Krise immer eine Sache bringt, die einen erweitert. Wir sind vor 25 Jahren in unsere Ehe gestartet und haben geglaubt: „So bin ich, das ist Beziehung, so wird das.“ Und dann ist nichts so geworden. Aus meiner heutigen Sicht kann ich sagen: „Gott sei Dank.“ Als das alles nicht eingetreten ist, als meine Orchidee das erste, zweite und dritte Mal die Blätter und Blüten verloren hat, musste ich immer wieder etwas Neues herausfinden, was ihr fehlt und was sie braucht. Ich bin heute ein viel besserer Gärtner! Ich weiß heute, wenn die Blume die Blätter verliert, dass ich weder abhauen, noch den Kopf unter die Decke stecken, sondern was verändern und mehr auf mein Herz hören muss. Das habe ich gelernt. Auch, dass es mir guttut, wenn ich die Sicht meines Mannes integriere, statt sein Anderssein zu verurteilen. Und ich habe immer wieder gelernt, dass die Krise mir das Leben nicht vermasselt sondern wie ein Navi funktioniert, das mir sagt: „Hör‘ mal, du bist auf dem Holzweg.“

Wie machen Sie das konkret, die andere Sichtweise mit einzubeziehen?

Wolfram Zurhorst: Ich habe in den Jahren immer mehr gelernt, dass ich mich - am Anfang ziemlich widerwillig - darin üben musste, den Fokus immer wieder auf mich zu richten. Dass ich nicht sage: „Ich fühle mich jetzt so schlecht, weil DIE das und das gemacht oder nicht gemacht hat.“ Stattdessen konnte ich immer mehr erkennen, was ICH nicht gemacht habe, was MIR gefehlt hat. Wenn es mir nicht gut ging, konnte ich mich immer mehr fragen, was ICH selbst tun muss, um das zu ändern.

Eva-Maria Zurhorst: In einer Beziehung gibt es fast immer zwei Grundbewegungen. Da ist tendenziell einer, der eher weg geht, der eher zumacht und abtaucht. Der hat meistens einen Partner, der eher festhält, der eher klammert, der alles so erhalten will, wie es ist. Ich war bei uns eher das Modell klammern, ich wollte, dass er dieses tut und jenes lässt. Sobald ich anfing mit dem, was ich wollte, war er weg, ob innerlich oder äußerlich. Da habe ich dann da gesessen und geschimpft: „Wie kann er nur, wie rücksichtslos.“ Was ich im Laufe der Jahre gelernt habe, ist ihn loszulassen und erst mal mit mir selbst dadurch zu kommen. Dann habe ich gelernt, statt zu jammern und mich abhängig zu machen, wie ich mein eigenes Wesen so richtig in den Saft bringen kann und mal nachzuhorchen, was meine Träume sind. Das ist auch meine Hauptarbeit mit den Frauen. Als junge Mutter ging es mir wie vielen anderen auch, ich wollte unbedingt, dass er nach Hause kommt und sich mehr kümmert. Als er dann immer wieder weg war, weil er gerade mit seiner Karriere beschäftigt war und ich zuhause getobt und geheult habe, bin ich irgendwann bei einem Paarcoach gelandet, der mich fragte: „Aber was wollen SIE denn eigentlich?“ Ich sagte: „Wissen Sie, ich habe mal in Afrika gelebt, ich war Managerin: Ich kann die Sandkästen nicht mehr sehen! Ich bin hinter meinem Mann hergezogen, wir haben keine Großeltern, die uns helfen. Ich bin es so leid.“ Da kam mal alles raus. Und da sagte er: „Darum geht es. Dass Sie einen Weg finden, wie Sie Ihre eigenen Freiräume wieder kriegen und wie Sie wieder Dinge tun, die Sie erfüllen.“ Das war für mich ein komplett neuer Weg. Ich musste mich gar nicht trennen und meinen Mann in den Wind schießen.  In dem Maße, in dem ich mir mein Leben zurückerobert habe, sah ich meinen Mann mit anderen Augen. Es entwickelte sich bei uns eine Dynamik, er kam auf eine ganz andere Art und Weise – auf einmal zugewandt - nach Hause zurück.

Zum Weiterlesen

Eva-Maria Zurhorst: Liebe kann alles. Wie du mit deiner weiblichen Kraft zur Schöpferin deines Lebens wirst. Arkana Verlag, 20 Euro.

Warum war das so, Herr Zurhorst? Fanden Sie Ihre Frau wieder attraktiver, als sie wieder ihr eigenes Ding gemacht hat?

Wolfram Zurhorst: Absolut. Wenn jeder wieder sein Profil bekommt, ist das deutlich attraktiver. Ich habe in einem unserer Bücher geschrieben, dass ich nach unseren ganzen Auseinandersetzungen und Streitereien irgendwann erkannt habe,  dass es meiner Frau nicht darum ging, mich verändern zu wollen. Davor hatte ich jahrelang Panik, dass sie mich nicht so will, wie ich bin.  Sie wollte mich nicht anders, sie wollte mir vor allem näher kommen und mich besser kennenlernen. Wenn ich Männer heute an den Punkt führen kann, dass es nicht mehr um Kritik geht, wovor so viele Männer Angst haben, sondern darum, sich gemeinsam tiefer und weiter zu entwickeln, dann ist das eine wahnsinnige Erleichterung und Freude für den Mann.

Eva-Maria Zurhorst: Viele Männer haben gar nicht gelernt, sich nach innen zu fokussieren und die eigenen Gefühle zu entdecken und zu berühren. Wenn dann die Frauen auf sie zukommen, kriegen sie Panik. Wenn der Mann sich selbst kennenlernt, merkt er, dass es nicht darum geht, zum Opfer seiner Frau zu werden. Er lernt das Gegenteil, nämlich viel klarer mitzukriegen, was er wirklich gerade fühlt und braucht: „Aha, an der Stelle fühle ich mich unsicher oder es ist viel zu viel.“ Nach 25 Jahren kann ich nur sagen, dass eine Beziehung Krisen braucht, um Entwicklung zu haben. Das ist so, als wenn sie bisher 100 Meter gelaufen sind und jetzt mal 200 Meter laufen wollen. Dann haben sie tendenziell Muskelkater. Und so geht es weiter. Das ist in allen Dingen so. Auch die Liebe braucht zwei Leute, die üben. Keiner von uns ist ein Wunderkind, setzt sich mit drei an den Flügel und ist dann gleich Mozart. Genauso ist Quatsch, dass Zwei sich treffen, füreinander geschaffen sind und von da an glücklich und zufrieden sind, immer Sex haben wollen und nie streiten.

Wolfram Zurhorst: Um weiter zu kommen, müssen Männer wie Frauen an sich selbst arbeiten und sich darüber bewusst werden, was sie in Sachen Beziehung in der Kindheit geprägt hat und was sie selbst aus der Vergangenheit in die Beziehung mitbringen. Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass sie sich in Beziehungen fast wie ferngesteuert benehmen. Wir müssen herausfinden, was unser eigener Weg als Frau, Mann, Mutter oder Vater ist.

Also ist es ein Trugschluss, dass eine Beziehung immer harmonisch sein muss?

Eva-Maria Zurhorst: Absolut. Wenn Paare zu uns kommen und sagen: „Wir haben nie gestritten und verstehen gar nicht, was jetzt ist“, dann weiß ich schon: „Alles klar, genau da liegt der Hase im Pfeffer.“ Die haben das Problem einfach unglaublich lange weggepackt.

Wolfram Zurhorst: Krisen sind ein Bestandteil von Beziehungen. Das wird auch nie aufhören. Unsere Krisen stellen sich heute anders dar als damals, aber trotzdem singen wir jetzt auch nicht permanent im Chor.

Streiten Sie sich zuhause auch? Und wenn ja, worüber?

Eva-Maria Zurhorst:  Ja klar! Aber nicht in dem Sinne, dass wir uns als Paar in Frage stellen oder als Menschen zerhacken. Unser ganzes Leben ist eine Entwicklung. Wenn ich auf die beiden, die wir damals waren, zurückschaue, sehe ich, dass es diese beiden so nicht mehr gibt. Die sind gestorben. Das ist auch gut so. Dafür gibt es immer neue Entwicklungen. Wir probieren neue Sachen aus, wir sind in andere Städte und Länder umgezogen, wir haben immer wieder aus einer Krise heraus irgendetwas gewagt. Dann gibt es unterwegs immer mal wieder einen Stopp, weil der eine sagt: Das will ich so nicht und der andere sagt, das ist genau richtig so.

Wolfram Zurhorst: Das ist für mich auch ein Zeichen  von Lebendigkeit und Dynamik. Wir versuchen nicht mehr so wie früher, weg zu packen oder zu verdrängen, wenn es gerade zäh bei uns wird. Wir sprechen jetzt einfach die Dinge an. Das ist nicht immer nur in einem säuselnden Ton, sondern kann auch tatsächlich mal ein bisschen deutlicher werden. Aber es ist nicht mehr verletzend und nicht mehr so, dass ich das Gefühl habe: „Boah, ist das unfair. Die will mich doch tatsächlich zu einem anderen Mann machen oder ich mache etwas grundsätzlich verkehrt.“ Ich sehe es jetzt tatsächlich so wie im Sport – wenn mir da etwas Freude macht, will ich mich weiterentwickeln und Neues ausprobieren. 

Eva-Maria Zurhorst: Das heißt jetzt nicht, dass wir versuchen, ein ideales Paar zu werden. Es gibt einfach immer etwas, dass sich verändert. Es geht um die Bewegung.

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Das klingt so, als würden Sie, wenn Sie streiten, sehr konstruktiv streiten. Gibt es auch Alltags-Zickereien bei Ihnen? 

Eva-Maria Zurhorst: Natürlich gibt es die auch. Es ist ja immer, dass der eine meint A sei richtig und der andere meint B. Und dann geht es ab. Bei uns gibt es ganz normale Alltagsstreitereien, aber relativ schnell gibt es bei uns auch den Satz: „Ach komm, jetzt lass uns mit dem Käse aufhören, das ist doch Quatsch.“

Wolfram Zurhorst: Es gibt Alltagsstreitereien, ja, aber ich merke, dass wir mittlerweile nach kürzester Zeit darüber lachen können und uns nicht mehr persönlich angegriffen fühlen. Humor finde ich unvorstellbar wichtig, dass man auch in der Lage ist, über sich selbst zu lachen.

Vor einigen Jahren haben Sie eine Audio-Datei mit den drei größten Geheimnissen für eine glückliche Beziehung aufgenommen, die man auf Ihrer Homepage abrufen kann. Aus heutiger Sicht: Was sind die drei wichtigsten Geheimnisse für eine Beziehung?

Eva-Maria Zurhorst: Für mich ist es super wichtig, dass ich verstehe: ich habe mir da jetzt einen Menschen ausgesucht, der definitiv anders ist, als ich mir das in meiner anfänglichen Verliebtheit vorgestellt habe. Und deshalb wird es definitiv Schwierigkeiten mit diesem Menschen geben. Und das ist o.k.

Wolfram Zurhorst: Ein anderes großes Geheimnis ist sicherlich, dass Krisen kommen und für Beziehungen gut sind. Außerdem, dass es die Wahrheit in der Beziehung braucht, auch, wenn die nicht immer leicht ist. Wahrheit ist ein ganz großes Geheimnis für eine echte Verbindung. Wenn wir nicht ausdrücken, was wir wirklich wollen oder verheimlichen und es trotzdem tun, dann macht das unsichtbare Mauern in die Partnerschaft.

Eva-Maria Zurhorst: Die Wahrheit tut manchmal weh, wenn ich zum Beispiel sage, mir bringt das nichts mehr, die Art wie wir reden tut mir nicht gut, unsere Sexualität ist für mich nicht befriedigend. Aber kann das vorrübergehend Stress bringen, aber irgendwann neue Möglichkeiten und ein gottseidank ein bisschen mehr Abenteuer im Alltag. Wenn ich dagegen anfange, mich zu verschweigen und mich zurückzunehmen oder gar nicht mehr zu sagen, was ich mache, dann gibt es immer mehr Starre und Distanz.

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