Das kleine Blutbild ist Routine beim Arzt. Doch acht weitere Werte können frühzeitig Krankheiten aufspüren - und werden von den Kassen oft nicht bezahlt.
Blutbild und GesundheitDiese Blutwerte verraten mehr als der Standard-Check

Über ein großes Blutbild lassen sich viele Krankheiten frühzeitig erkennen, so auch Diabetes.
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Das kleine Blutbild kennt fast jeder. Der Hausarzt veranlasst es beim Check-up – die Kosten dafür sind gering und werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen. Mit der Bestimmung von Anzahl und Form der roten und weißen Blutkörperchen, der Blutplättchen, des Hämoglobins und des Hämatokrits können Patienten mögliche Hinweise auf Infektionen oder Bluterkrankungen bekommen. Doch wie gut oder schlecht es grundsätzlich um die Gesundheit steht, das geht aus einem Blutbild nicht wirklich hervor. Auch gibt es keinen Aufschluss über frühzeitige Risiken – etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Dafür gibt es andere Marker, deren Bestimmung zwar oft keine Kassenleistung ist, aber von großer Bedeutung sein kann – besonders wenn es darum geht, Krankheiten vorzubeugen. „Krankheiten fangen nicht erst bei Symptomen an, sondern bleiben oft lange unbemerkt“, sagt Laborarzt und Internist Jan Kramer. „Insofern ist eine Früherkennung mit Labor sehr wohl sinnvoll und möglich.“ Die folgenden Blutwerte können wichtige Hinweise geben:
Kreatinin und Cystatin C: Wie geht es meinen Nieren?
„Nieren sterben leise“, sagt Jan Kramer, der auch stellvertretender Vorsitzender der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) ist. Das heißt, wer ein Problem mit diesem wichtigen Organ hat, merkt das mitunter erst spät, vielleicht auch zu spät. Die Nieren spielen eine zentrale Rolle für die Reinigung des Bluts sowie für den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt. Wie gut sie funktionieren, wird meist mittels des Kreatinin-Werts überprüft. Kramer weist aber darauf hin, dass dieser erst ansteige, wenn bereits 50 Prozent der Nieren ausgefallen seien. Ein besserer Parameter für die Früherkennung von Schäden ist deshalb Cystatin C, obwohl die Bestimmung etwas teurer ist. Wer etwa extra Kreatin als Nahrungsergänzung einnimmt – und das machen vor allem recht viele Sportler –, sollte diesen Wert ohnehin ermitteln lassen, weil der Kreatin-Konsum den Kreatinin-Wert fälschlicherweise zu hoch ausfallen lassen kann. Der Experte meint: „Eine Bestimmung der Nierenwerte ist vielleicht noch nicht mit 20 für jeden Menschen nötig, aber ab um die 50 Jahre wäre es ganz vernünftig, sich checken zu lassen.“ Sollte Diabetes oder Bluthochdruck vorliegen, gehöre der Nierenwert plus die Bestimmung des Eiweißes Albumin im Urin – die sogenannte Albumin-Kreatinin-Ratio – in jedem Fall zu jeder jährlichen Vorsorge.
Hba1c: Wie steht es um meinen Langzeitzuckerzustand?
Viele Menschen laufen jahrelang mit einem erhöhten Blutzuckerwert herum, ohne es zu merken. Wenn sich daraus erst Diabetes mellitus entwickelt hat, kann dies viele weitere Komplikationen nach sich ziehen. Gut wäre es daher, die Gefahr frühzeitig zu erkennen, um rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können. 20 Prozent der Menschen in Deutschland haben eine Vorstufe von Diabetes. Dafür lohnt es sich, seinen HbA1c-Wert im Blick zu behalten. Dieser Wert zeigt an, wie sich der Zuckerspiegel in den letzten zwei bis drei Monaten entwickelt hat. Er sagt damit mehr aus als der reine Glucose-Wert, der nur den aktuellen Status wiedergibt. „Der Nüchtern-Glucose-Test kann einige Unwägbarkeiten haben“, sagt Laborarzt Kramer. „Der HbA1C-Wert ist dagegen ein sehr guter Wert, um auch eine Aussage über den Langzeitzuckerzustand des Patienten mit einzuholen. Und er sollte eigentlich zum Screening auf Diabetes mitgenutzt werden.“
Apo B und Lipoprotein (a): Sind meine Blutgefäße verstopft?
Manchmal lässt der Hausarzt auch weitere Blutwerte bestimmen, zum Beispiel die Blutfette. Meist geht es um HDL- und LDL-Cholesterin. Besonders das LDL ist von Bedeutung, weil es ein Indiz für mögliche Ablagerungen in den Blutgefäßen sein und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen kann. Präziser lassen sich die Risiken dafür mit anderen Werten abschätzen. Während mit dem LDL nur die reine Cholesterinmasse gemessen wird, zeigt das Apolipoprotein B an, wie viele LDL-Partikel sich konkret im Blut befinden.
Bei beiden Parametern gilt: je niedriger der Wert, desto besser. Jede und jeder kann hier selbst zumindest ein wenig mitbestimmen, wie hoch oder besser wie niedrig der Wert ist und bleibt. Ein aktiver Lebensstil und eine gesunde, ballaststoffreiche Ernährung können einiges in die richtige Richtung bewirken. Genau das unterscheidet LDL-Cholesterin und Apo B im Übrigen vom Lipoprotein (a). Dennoch sagen nahezu alle Ärzte, die Wert auf Prävention legen: Lassen Sie diesen Wert bestimmen! Jan Kramer plädiert dafür, das Screening dafür auszuweiten: „Sein LP (a) sollte wirklich jeder einmal im Leben – und zwar möglichst frühzeitig – messen lassen.“
Der Wert gibt Hinweise darauf, wie groß die genetische Veranlagung für Arteriosklerose, also für gefährliche Ablagerungen in den Gefäßen, ist. Circa 20 Prozent liegen hierzulande mit ihrem Wert im Risiko- oder Hochrisikobereich – das heißt über 30 mg/dl. Je höher die Zahl, desto ungünstiger die Prognose. In Panik muss man trotzdem nicht verfallen, sondern einfach darauf achten, zusätzliche Risiken zu vermeiden. Konkret bedeutet das, dass der Blutdruck gut ist oder gut eingestellt wird (am besten unter 120/70 mmHg), dass nicht geraucht, mögliches Übergewicht abgebaut und Stress minimiert wird und dass das LDL-Cholesterin sowie das Apo B niedrig bleiben. Denn auch wenn Studien dazu bereits laufen: Noch gibt es keine Medikamente, die gezielt für die Senkung von LP (a) eingesetzt werden.
GPT: Ist meine Leber funktionstüchtig?
Auch Erkrankungen der Leber beginnen oft schleichend. „Es gibt infektiöse Lebererkrankungen, die zunächst symptomlos sind, im Verlauf aber bis hin zum Karzinom führen können“, sagt Kramer. „Und dann gibt es noch autoimmune Erkrankungen der Leber.“ Er halte es deshalb für sinnvoll, in gewissen Abständen danach zu schauen, und empfiehlt, den GPT-Wert zu beobachten. Dabei handelt sich um ein Enzym, das ein wichtiger Indikator für die Leberfunktion ist und „eine sehr, sehr preiswerte Möglichkeit, nach möglichen Lebererkrankungen zu screenen“. Und auch hier gilt: Werden frühzeitig Auffälligkeiten gefunden, können Langzeitschäden vermieden werden.
TSH: Schilddrüsen Unter- oder Überfunktion?
Ähnlich verhält es sich mit der Schilddrüse. Wie gut sie arbeitet, lässt sich mithilfe des TSH-Werts untersuchen. Ab einem Lebensalter von 25 sei es vernünftig, sich diesen einmal anzusehen, so Kramer. „Schilddrüsenerkrankungen sind recht häufig“, sagt er. „Beispielsweise könnten sie eine Rolle spielen bei jungen Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch.“ Und nicht nur da. Die Schilddrüse produziert Hormone, die für viele Körperfunktionen verantwortlich sind, unter anderem für den Stoffwechsel. Gesteuert wird die Produktion von der Hirnanhangdrüse mittels des Hormons TSH. Ist der TSH-Wert erhöht, kann dies auf eine Unterfunktion hindeuten. Mit zunehmendem Alter kann der Wert sich nach oben verändern. Während bei Erwachsenen in Deutschland erst ab Angaben von 4,0 mU/l von einer Unterfunktion geredet wird, ist dies in anderen Ländern schon ab 2,5 der Fall. Für eine noch präzisere Aussage, wie es um die Schilddrüse steht, sind zudem die Parameter ft3 und ft4 von Bedeutung.
B12: Muss ich Vitamine zuführen?
Dieses Vitamin wird gemeinhin oft noch unterschätzt, obwohl es ebenfalls für viele Körperfunktionen wichtig ist – beispielsweise für das Nervensystem, die Zellteilung oder die Blutbildung. Ein Mangel kann deshalb zu verschiedenen Störungen führen und ist gar nicht so selten. Vor allem kommt er bei Älteren vor und bei Menschen, die sich vegan ernähren, denn B12 ist hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch oder Eiern zu finden. Vor allem für Veganerinnen oder Vegetarier, die das Risiko einer Mangelernährung hätten, sei es sinnvoll, diesen Wert checken zu lassen, so Kramer. „Denn ein B12-Mangel kann eine Anämie (zu wenige rote Blutkörperchen, Anm. der Redaktion) und noch andere Symptome auslösen.“ Im Alter ist es sogar möglich, dass zu wenig von dem Vitamin zu leichter Verwirrtheit führt. Deshalb sollte man den Status immer mal wieder testen. Ein Wert von mehr als 400 ng/l sollte es mindestens sein. Manchmal ist es ratsam, anstelle des B12 das Holotranscobalamin (Holo-TC) messen zu lassen. Dies ist die aktive Form von B12 und zeigt am schnellsten an, ob ein B12-Mangel vorhanden ist. Die gute Nachricht: Ist dieser erkannt, können Mittel recht schnell Abhilfe schaffen.
Ferritin: Wie gut wird Eisen gespeichert?
Das Protein Ferritin bindet und speichert Eisen. Der Wert ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Eisenwert. „Der Eisenwert im Serum sagt nicht viel aus, wichtig ist der Eisenspeicher-Wert, also Ferritin“, sagt Labormediziner Kramer. Ist der Ferritin-Wert zu gering, sollte der Patient oder die Patientin zusammen mit dem Arzt über Gegenmaßnahmen wie Nahrungsergänzungsmittel sprechen.
Die besten Quellen für Eisen
- Tierische Lebensmittel: rotes Fleisch, Innereien, Geflügel, Fisch und Meeresfrüchte, Eier
- Pflanzliche Lebensmittel: Hülsenfrüchte, Nüsse, Kürbiskerne, dunkles Blattgemüse, Haferflocken, Hirse, Buchweizen, Trockenfrüchte, Rote Bete
- Die Aufnahme von Eisen im Körper wird verbessert, wenn man Vitamin C hinzugibt – also beispielsweise Beeren zu Haferflocken.
- Die Aufnahme von Eisen kann gehemmt werden durch Calcium, Tannine (wie in schwarzem Tee) oder Oxalsäure (wie in Spinat).
Der Referenzwert kann hier jedoch manchmal trügerisch sein. So ist es möglich, dass der Laborbericht durchaus einen Ferritin-Spiegel innerhalb der sogenannten Norm ausweist. Dennoch heißt das nicht zwangsläufig, dass er wirklich gut ist. Denn als Referenz dient immer der Durchschnittswert in der Bevölkerung. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen unter einem Mangel leiden, kann die Referenz also ziemlich niedrig sein. Schätzungen zufolge weisen in Deutschland gut 20 Prozent aller Frauen einen Eisenmangel auf. Das liegt zum einen an ihrer Periode, die je nach Stärke mit einem Verlust einhergeht, und zum anderen daran, dass Frauen im Durchschnitt zum Beispiel weniger rotes Fleisch essen als Männer. Ein guter Ferritin-Wert sollte im Bereich von mindestens 75-130 ng/ml liegen, bei Männern durchaus auch etwas höher. Zum Vergleich: Viele Labore und Ärzte kennzeichnen bereits einen Wert ab 20 als „normal“. Ein Mangel an Ferritin kann verschiedenste Symptome nach sich ziehen, von Müdigkeit über Blässe bis hin zu Haarausfall.
Dieser Artikel erschien zuerst beim „Tagesspiegel“ in Berlin.