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AU nicht mehr per TelefonWie Corona-Infizierte eine Krankschreibung bekommen

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Seit dem 1. Juni ist die telefonische Krankschreibung bei einer Corona-Infektion nicht mehr möglich.

Köln – Die Corona-Fallzahlen steigen in Köln und der ganzen Bundesrepublik derzeit wieder an – die Sommerwelle ist in vollem Gange. Zugleich sind mittlerweile viele Regelungen und Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit dem Virus weggefallen. Seit dem 1. Juni etwa können sich Corona-positiv getestete Personen nicht mehr telefonisch vom Hausarzt krankschreiben lassen, wie es zuvor der Fall war.

Diese Erfahrung musste gerade auch ein Kollege aus der Redaktion machen: „Mein Hausarzt darf mich nur noch arbeitsunfähig schreiben, wenn ich vorher bei ihm in der Praxis war. Da darf ich aufgrund der Corona-Quarantäne aber gar nicht hin“, berichtet er. „Und würde ich es trotzdem machen, würde ich frisch infiziert quer durch die Stadt fahren und mich dann ebenso infiziert in eine Praxis voller kranker Menschen begeben müssen. Völliger Irrsinn!“

Der Kollege hatte Glück im Unglück: Sein Hausarzt bietet Videosprechstunden an. Diese liefern noch eine Alternative, um Covid-Patienten ohne direkten Kontakt krankzuschreiben. Das Problem: Die meisten Hausarztpraxen bieten keine digitalen Sprechstunden an. Welche Möglichkeiten bleiben Infizierten also, sich möglichst kontaktlos krankschreiben zu lassen? Und was gilt, wenn man im Sommerurlaub an Corona erkrankt? Ein Überblick.

Bleibt nun nichts anderes übrig, als infektiös und krank in die Praxis zu kommen, um sich arbeitsunfähig schreiben zu lassen?

Wer positiv auf das Corona-Virus getestet wird und Symptome entwickelt, sollte sich krankschreiben lassen, um sich gründlich von der Infektion zu erholen und das Risiko für einen schweren Verlauf oder Folgeschäden zu minimieren. Dazu rät auch Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbands Nordrhein. Dass infizierte Patienten seit Anfang Juni die häusliche Isolation verlassen müssen, um sich arbeitsunfähig schreiben zu lassen, hält auch der Allgemeinmediziner für ein völlig vermeidbares Infektionsrisiko.

Er rät daher dazu, Patienten auch ohne Praxisbesuch zunächst für drei Tage krankzuschreiben. „Wenn dann Besserung eintritt, aber noch weiter Beschwerden auftreten, sind nochmals drei Tage möglich“, erklärt Funken. „Wenn aber eine Verschlechterung eintritt, muss individuell entschieden und in die Praxis einbestellt werden.“ Dieses Vorgehen unterlaufe die politische Entscheidung, die telefonische Krankschreibung nicht zu verlängern, keineswegs. Vielmehr sei es ärztliches Ermessen, „und dies kann Politik nicht beurteilen. Deshalb ist der Arztberuf auch ein verkammerter Beruf mit eigener Rechtsnormung“, betont der Hausärzteverbandschef.

Wenn mein eigener Hausarzt keine Videosprechstunde anbietet: Kann ich für das Attest zu einem anderen Arzt gehen, der mich digital krankschreiben kann?

Seit dem neuen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen (G-BA) von November 2021 besteht auch für Patienten, die zum ersten Mal in einer Praxis vorstellig werden, die Möglichkeit, sich per Videosprechstunde krankschreiben zu lassen. Jedoch nur für eine Dauer von drei Kalendertagen.

Grundsätzlich gilt für die Krankschreibung per Video, dass für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit keine körperliche Untersuchung notwendig ist. Das Attest kann zudem für maximal sieben Kalendertage ausgestellt werden. Für eine Folgebescheinigung reicht die Videosprechstunde nicht aus: Bestehen also weiterhin Symptome, müssen die Patienten persönlich in die Praxis kommen.

Reicht nicht auch der positive Corona-Test als Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?

Nein. Denn ein positiver Corona-Test bedeutet nicht automatisch, dass man Symptome entwickelt. Wer sich also gut genug fühlt, kann während der Corona-Infektion aus dem Homeoffice weiterarbeiten. Anders sieht es bei Arbeitnehmern aus, die keine Möglichkeit haben, ihren Beruf von zu Hause aus zu verrichten. In diesem Fall reicht tatsächlich meist der positive Testnachweis.

Was bedeutet der Wegfall der telefonischen Krankschreibung für meinen Urlaubsanspruch, wenn ich während des Urlaubs an Corona erkranke?

Große Verunsicherung herrscht auch bezüglich der Frage: Was passiert mit meinem Urlaubsanspruch, wenn ich im Urlaub an Covid erkranke und keine Krankschreibung habe? Muss der Arbeitgeber den Urlaub dann nachgewähren? In diesem Fall sind sich selbst die Gerichte nicht einig.

Paragraf 9 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) besagt, dass wer während seines Urlaubs erkrankt, diese Urlaubstage nachholen kann. Der Grund: Urlaub soll der Erholung dienen, weshalb Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen. Dieses Recht gilt aber explizit nur bei einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit, also einer Krankschreibung.

Eine behördlich angeordnete Quarantäne aufgrund einer Corona-Infektion allerdings ersetzt kein ärztliches Attest. So sehen es zumindest die Richterinnen und Richter der Landesarbeitsgerichte (LAG) Köln und Düsseldorf, die Klagen von Arbeitnehmern abgewiesen haben, deren Arbeitgeber die Nichtanrechnung ihrer Urlaubstage auf ihren Urlaubsanspruch aufgrund eines fehlenden Attests abgelehnt hatten.

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So auch die Richterinnen und Richter, mit der Begründung, dass es allein Sache eines Arztes oder einer Ärztin sei, die Arbeitsunfähigkeit von Arbeitnehmenden zu beurteilen. Zumal eine Infektion mit dem Corona-Virus nicht zwangsläufig zu einer Arbeitsunfähigkeit führe. Und die individuelle Nutzbarkeit des Urlaubs kein Kriterium für eine Nachgewährung sei. Eine analoge Anwendung des Paragrafen 9 BUrlG für den Fall der Quarantäneverordnung komme also nicht infrage.

Das LAG Hamm ist allerdings anderer Meinung und befürwortete zuletzt eine analoge Anwendung des Paragrafen 9 BurlG. Da die Anordnung einer Quarantäne einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraums diametral entgegenstehe, unabhängig davon, wie der Betroffene sie persönlich empfinde. Auch könnten sich Corona-erkrankte und in Quarantäne-befindliche Arbeitnehmende in der Regel nicht so erholen, wie geplant.

Wie geht es jetzt weiter?

Nun bleibt abzuwarten, dass und wie die Frage durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) höchstrichterlich geklärt wird. Auch vor dem Hintergrund dieser uneinheitlichen Rechtsprechung und der damit einhergehenden Unsicherheit wäre eine zeitnahe Wiedereinführung der telefonischen Krankschreibung von Nöten. Das würde auch das Vorgehen in den Hausarztpraxen wieder erleichtern, zumal sich viele  Mediziner für die telefonische Krankschreibung aussprechen. Nicht zuletzt würde eine politisch einheitliche Regelung auch wieder Klarheit für die Patienten schaffen.

Die Wiederauflage der telefonischen Krankschreibung ist grundsätzlich möglich. Der G-BA will das Pandemiegeschehen im Blick behalten. Sollte es regional oder bundesweit wieder notwendig werden, kann die Regelung wieder aktiviert werden.

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