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Ex-Sternekoch„Ist das Kalbsschnitzel weiß, litt das Tier unter Eisenmangel“

Lesezeit 6 Minuten
Franz Keller Schweine

Franz Keller: Aus der Küche auf die Wiese, zu seinen Schweinen

Köln – Franz Keller lässt sich ablichten, wie er entspannt zwischen zwei dicken Schweinen auf der Wiese lümmelt. „Meine Bunten Bentheimer fühlen sich auf dem Falkenhof sauwohl, denn sie leben hier eben noch ein echtes Schweineleben.“ Der ehemalige Star- und Sternekoch, der gekrönte Häupter wie die Queen, Staatschefs wie Angela Merkel, Wladimir Putin und viele andere bekocht und verwöhnt hat, lebt und arbeitet als Bauer auf seinem Falkenhof. Er hat für sich, seine Gäste, seine Geschäfts- und Privatkunden, die er mit qualitativ hochwertigen Produkten beliefert und bewirtet, ein Refugium geschaffen für die Grundlage guten Essens: Er produziert Lebensmittel, die diesen Namen verdienen. Das Tierwohl ist für Keller oberstes Gebot, aus Respekt vor der Kreatur, der Umwelt, den Menschen und deren Gesundheit.

Keller erklärt den Unterschied zwischen guter und schlechter Qualität gern so: „Wenn Sie auf einem zähen Stück Fleisch herumkauen, dann denken Sie daran, Sie kauen auf der Todesangst eines auf barbarische Weise gezüchteten und geschlachteten Tieres.“ Oder: „Ist das Kalbsschnitzel schön weiß, dann litt das Tier sein kurzes, erbärmliches Leben lang an Eisenmangel.“ Franz Keller genießt das Fleisch seiner Tiere, die bei ihm ein gutes Leben haben, bis sie geschlachtet werden. Nicht in einem der Mega-Schlachthöfe, sondern ortsnah und mit Begleitung bis hin zum Schlachter.

Zur Person

Franz Keller

Franz Keller, Jahrgang 1950, drei Kinder, lernte und kochte bei Paul Bocuse, Michel Guérard, Paul Lacombe, Jean Ducloux und eroberte mehrere Michelin-Sterne. Er führte in Köln das Sterne-Lokal „Franz Kellers Restaurant“ und die „Tomate“. Heute bewirtschaftet Keller mit Team seinen „Falkenhof“ in Heidenrod/Taunus. Er züchtet Rinder und Schweine und beliefert seinen Gasthof „Adler-Restaurant“, den seit 2010 sein Sohn führt, und Privatkunden.

BuchtippFranz Keller: „Vom Einfachen das Beste - Essen ist Politik oder warum ich Bauer werden musste, um den perfekten Genuss zu finden“, Piper, 240 S. , 24 Euro

Dem Sohn eines herrischen Vaters und einer Mutter, die im Familienrestaurant „Schwarzer Adler“ nahe Freiburg als erste Frau mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, war die Koch-Karriere in die Wiege gelegt. Aber schon in jungen Jahren entdeckte Franz Keller seine Leidenschaft fürs liebe Vieh.

„Ich habe ganz klein angefangen mit ein paar Hühnern und ein, zwei Schweinen in meinem Schrebergarten nahe dem Dorffriedhof. Immer, wenn auf einer Beerdigung Blasmusik erklang, haben meine Schweine laut mitgegrunzt.“ Der Protest der Trauergäste samt Unterschriftenaktion bescherte dem Schweinegesang ein jähes Ende. Aber die ersten Erfahrungen artgerechter Haltung hatte Keller inhaliert, inklusive all dessen, was er bei alteingesessenen Bauern im Ort lernte. „Das Schwein muss ein gutes Jahr gelebt haben, bevor es geschlachtet wird, damit man ein anständiges Stück Fleisch bekommt. Früher hieß es, ein Schwein muss zwei Winter sehen, damit es rund und fett wird. Heute will keiner mehr Fett. Total verrückt, denn Fett ist Geschmacksträger. In den Fleischtheken der Supermärkte wird daher das Fleisch von Tieren angeboten, die nicht älter als sechs oder sieben Monate geworden sind.“

Die (Lebens-) Qualität der Tiere hat ihren Preis

Nicht so bei Franz Keller, der Aufzucht und Haltung aufwändig gestaltet, „was sich heute kaum einer leisten kann oder will“. Pro Jahr hält und schlachtet Keller nie mehr als 40 bis 50 Schweine. Seine stetig wachsende Kundschaft weiß das zu schätzen. „Aber bei mir kostet eben ein Kilo Wurst über 16 Euro.“

Der Starkoch und Bauer erkennt die Fleischqualität bereits an der Farbe: „Das Fleisch muss rot und nicht blass sein. Aber heute ist das Schwein dazu verdammt, helles Fleisch zu liefern. Das ist weder kernig noch hat es Biss.“ Was auch für Rindfleisch gilt. „Ich halte 50 bis 60 Rinder, inklusive der Kälber. Meine Rinder leben auf der Weide. Eine Mutterkuh wird bei mir bis zu 14 Jahre alt. Wenn wir keine Färsen schlachten wollen, also geschlechtsreife, jungfräuliche, weibliche Tiere, die etwa zwei bis drei Jahre alt sind, dann kann eine Mutterkuh auf unserem Hof zehn Jahre lang jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen.“ Nicht so in den Mastbetrieben, in denen eine Kuh in ihren höchstens sechs Lebensjahren maximal drei Kälber gebiert. „Sobald ihre Milchleistung nachlässt, wird sie gnadenlos geschlachtet.“

Zudem wird dem Vieh meist noch das Wiederkäuen abgewöhnt. Rinder und Rotwild, so der Falkenhof-Bauer, sind Pflanzenfresser und Wiederkäuer. „Sie haben einen Verdauungsvorgang von sechs Stunden, bevor sie wieder fressen.“ Füttere man die Tiere mit geschrotetem Mais, klappe es mit dem Wiederkäuen noch. „Aber bei Popcorn als Nahrung, wie in den USA – aber nicht nur dort längst üblich –, können die Tiere nicht mehr wiederkäuen. Dieses Futter ist dafür viel zu fein zerkleinert. Also verlernen sie in wenigen Tagen das Wiederkäuen, fressen dadurch unentwegt, nehmen rasant zu und können schnell geschlachtet werden.“ Was sich in kaum noch existierenden Nährwerten im Fleisch niederschlägt. Nicht nur dort, sondern auch in anderen schnell und billig erzeugten Produkten: „Wenn ich einen guten Käse kaufe, ist er kristallig und hat ein wunderbares Aroma. Der billige Käse mag auch gut aussehen, schmeckt aber nicht.“

Veranstaltung „Der perfekte Genuss“

Donnerstag, 2. September, 19 Uhr, studio dumont, Breite Str. , Köln,

Der Experte:Franz Keller, Starkoch, Bauer, Buchautor. Er erklärt, was gute Qualität ausmacht, woran man sie erkennt und fordert Respekt vor Tieren, Pflanzen und dem eigenen Körper

Moderation: Marie-Anne Schlolaut

Tickets zum Preis von 16 Euro, Forum-Blau-Preis 13 Euro, sind erhältlich über www.forumblau.de/akademie oder telefonisch bei Kölnticket unter 0221/28 01.

Hinweis: Coronabedingt ist die Veranstaltung auf 100 Personen begrenzt. Es gelten die aktuellen Hygienevorschriften des Landes sowie der jeweiligen Stadt. Im Falle eines geänderten Infektionsgeschehens der Covid19-Pandemie kann die Veranstaltung kurzfristig verschoben bzw. abgesagt werden.

Genauso wenig wie qualitativ minderwertige Fisch- oder Gemüseprodukte. Auch bei Fisch aus überdimensionierten Zuchtanlagen ist Keller skeptisch. „Nicht nur, weil die Fjorde kaputt gemacht werden, sondern enorme Mengen an Futter benötigt werden. Daher werden wie in der Hühner- und Rinderzucht auch die Fische mit Lebensmitteln gefüttert.“ Dass sich folglich immer mehr Menschen vegetarisch oder gar vegan ernähren, kann Keller nachvollziehen. Er selber bevorzugt weder das eine noch das andere, sondern isst und genießt das Beste – mit und ohne Fisch und Fleisch.

Dass das Bewusstsein, sich qualitativ gut zu ernähren und selbst zu kochen, nicht in alle Köpfe will, trotz der zahllosen Ratgeber, Kochsendungen und Rezeptbücher, erklärt Keller: „Die Menschen sitzen vor dem Fernseher, gucken sich die Kochsendung an, futtern dabei ihre Chips und trinken das Bier aus der Flasche.“ Umfrageergebnisse, in denen fast jeder angibt, auf Qualität zu achten und selbst zu kochen, zieren lediglich das Papier.

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Realität ist, dass die Moral vor dem Regal versagt. „Sparsam zu wirtschaften ist grundsätzlich nicht schlecht. Nach dem Krieg haben wir für Essen und Trinken noch rund 25 bis 30 Prozent des Gehalts ausgegeben. Heute deutlich weniger, denn wir wollen ein schönes Auto, mehrmals im Jahr tolle Urlaube. Das will finanziert werden. Um das zu schaffen, müssen wir eben billig essen.“ In ein Auto, so Keller, würde man nie und nimmer minderwertiges Öl oder falschen Sprit füllen: „Aber in unseren Körper schaufeln wir ohne mit der Wimper zu zucken Produkte von fragwürdiger Qualität.“