Interview mit Kölner VirologenWarum uns das Coronavirus noch Monate begleiten wird

Der Test für das neue Virus 2019-nCov in einem Labor
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- Wie lässt sich die Ausbreitung der Corona-Epidemie verlangsamen?
- Darüber sprach Linda Thielen mit dem Kölner Mediziner Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie.
Köln – Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat mittlerweile veranlasst, alle Großveranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern in Nordrhein-Westfalen nicht mehr stattfinden zu lassen. Halten Sie diese Maßnahme für zielführend, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen?Ja, ich halte diese Maßnahme absolut für zielführend. Die Entwicklungen in den vergangenen Tagen haben eindeutig gezeigt, dass stärkere Maßnahmen notwendig sind, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. Deshalb teile ich diese Entscheidung voll und ganz.
Mit den aktuellen Maßnahmen möchte man vor allem den zeitlichen Verlauf der Infizierungen strecken und verhindern, dass sich zu viele Menschen auf einmal anstecken. Wie schätzen Sie unter diesen Umständen die Entwicklungen ein? Müssten Veranstaltungen dann für längere Zeit ausfallen?
Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch nicht zuverlässig voraussagen. Aber die Absage von Großveranstaltungen wird mit Sicherheit keine Maßnahme sein, die nur für ein bis zwei Wochen gelten wird. Das wird sich noch über einen viel längeren Zeitraum ziehen. Ich persönlich würde denken, dass wir hier eher von mehreren Monaten sprechen. Wie lange genau, werden natürlich auch die kommenden Beobachtungen und Entwicklungen zeigen, nachdem man jetzt die ersten drastischen Maßnahmen ergriffen hat.
Warum wurde die Grenze bei 1000 Teilnehmern gesetzt? Gibt es einen Grund für diese Grenze? Was ist denn zum Beispiel mit kleineren Veranstaltungen?
Das ist natürlich erstmal eine willkürliche Entscheidung. Es gibt aktuell noch keine empirischen Studien zum Coronavirus und irgendwo musste man erstmal eine Grenze setzen. Ich denke die Zahl 1000 ist eine ganz gute Grenze, denn bei einer Veranstaltung mit mehr als 1000 Teilnehmern würde ich persönlich schon von einer Großveranstaltungen sprechen. Das heißt aber trotzdem nicht, dass man das als starre Grenze verstehen sollte. So ist das auch nicht gemeint. Auch bei Veranstaltungen mit 800 Menschen oder mit 100 Menschen können sich Besucher natürlich anstecken. Da solle in jedem Einzelfall genau überlegt werden, ob diese Veranstaltungen tatsächlich stattfinden sollte. Meiner Meinung nach sollten möglichst viele Veranstaltungen vermieden werden. Am radikalsten wäre es natürlich, gar keine Veranstaltung mehr stattfinden zu lassen, aber das wäre wohl kaum umsetzbar. Das ist auch zurzeit noch nicht berechtigt.
Aktuell gilt nicht in allen Bundesländern die Reglung, auf Großveranstaltungen zu verzichten. Wie schätzen Sie die Situation ein? Sollte die Regelung, die für NRW gilt, auch deutschlandweit umgesetzt werden oder können Bundesländer, in denen es zurzeit kaum Infizierte gibt, Veranstaltungen ganz normal durchführen?
Meiner Meinung nach sollte diese Regelung in ganz Deutschland gelten. Natürlich ist Nordrhein-Westfalen zurzeit besonders stark betroffen. Deswegen war die Regelung notwendig und auch begründbar. Wir leben in einem föderalen System, in dem die einzelnen Bundesländer selbst entscheiden. Die Infizierung mit dem Virus kann aber auch in anderen Bundesländern noch ansteigen. Nur weil in Köln ein Konzert jetzt nicht mehr stattfindet, wäre es absolut falsch, dann einfach nach Hamburg zu fahren und dort ein Konzert zu besuchen. Dazu würde ich nicht raten. Bei solchen Maßnahmen, wie sie zurzeit ergriffen werden, geht es schließlich darum, generell größere Menschenansammlungen zu vermeiden, und zwar nicht nur in NRW, sondern überall.
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Bislang gelten die Maßnahmen nur für Großveranstaltungen. Wie sieht es denn mit den Schulen und Universitäten aus? Auch hier kommen täglich viele Menschen zusammen. Sollten diese Institutionen dann nicht besser auch geschlossen werden?
Bei Schulen und Universitäten ist das etwas problematischer als bei Veranstaltungen. Natürlich ist bei abgesagten Veranstaltungen der wirtschaftliche Schaden enorm, trotzdem ist darauf verzichtbar, ohne dass ein gesellschaftlicher Schaden entsteht. Das sieht in Schulen schon etwas anders aus. Man könnte natürlich darüber nachdenken, über andere Wege anstatt im Klassenzimmer Unterricht stattfinden zu lassen, aber das wäre vermutlich keine Lösung. Viele Eltern sind berufstätig. Sie haben eine wichtige Aufgabe in der Gesellschaft und können nicht einfach mit ihren Kindern zu Hause bleiben. Das wäre schwierig. Deshalb unterstütze ich auch die Entscheidung, Schulen er stmal nicht zu schließen. Dass man natürlich in einzelnen Fällen - zum Beispiel bei Infizierung - diese Entscheidung überdenken und anders handeln muss, ist selbstverständlich und dann auch absolut sinnvoll.