Köln soll Modellstadt für die Legalisierung von Cannabis werden, so hätte es eine Mehrheit im Rat gerne. Die Verwaltung hat mal durchgespielt, was ein solches Modell nach sich ziehen würde - und bei ihr gehen alle Alarmsignale an.
Kosten nicht kalkulierbarStadt Köln warnt vor Aufwand bei Cannabis-Legalisierung

Modellstadt für die Cannabislegalisierung möchte Köln nach dem Willen des Stadtrates werden.
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Noch ist die gesetzliche Ausgangslage unausgewogen. Zwar hat das Bundeskabinett bereits Ende August das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis beschlossen. 2024 soll es in Kraft treten. Doch das Land NRW hatte bereits im Vorfeld signalisiert, in seinem Zuständigkeitsbereich wolle es keinen Modellversuch. Zudem ist zu erwarten, dass bei Einzelaspekten auch noch die EU mitreden will. In diese Gemengelage hinein hat der Kölner Stadtrat mehrheitlich beschlossen, dass Köln Modellstadt werden soll. Wie immer das ausgehen mag: Damit sich im Nachhinein keiner beschweren kann, nicht gewarnt worden zu sein, hat Sozial- und Gesundheitsdezernent Harald Rau mal vorfühlen lassen, was das für Köln überhaupt bedeuten würde, so ein Projekt zu stemmen. Die Antwort kurzgefasst: Am Joint würde sich die Verwaltung verheben.
Bloß nicht hinterherhinken
Das Gesetz basiert auf zwei Säulen. Die eine ist der Eigenanbau von Cannabis zum Eigenkonsum. Die andere eben das regionale „Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten“. Auch wenn Köln erst bei der zweiten Säule so richtig ins Spiel käme, schon bei der ersten fürchtet sie um den sicheren Stand. Denn schon bei dem Eigenanbau zum Eigenkonsum sei bereits abzusehen, „dass zusätzliche Maßnahmen und Angebote in der Prävention, Frühintervention, Beratung und Selbsthilfe im Bereich Sucht und Psychiatrie erforderlich wären“.
Werden flächendeckend kleine Cannabis-Plantagen entstehen? In welchen Umfang werden sich Konsumenten zu Anbaugemeinschaften zusammentun? Auch das lässt das Gesetz zu. Es könnten gar nicht alle Entwicklungen und Auswirkungen vorhergesagt werden, sagt das Gesundheitsamt. Und dennoch: „Die Stadt Köln muss sich in die Lage versetzen, schnell auf Entwicklungen reagieren zu können, um Strukturen und Prozesse nicht dem Markt zu überlassen, sondern mitzugestalten.“ Die Stadtverwaltung vor der Marktlage? Schwer vorstellbar.
Kann die Suchtberatung das schaffen?
Und dann erst die zweite Säule. Sollte Köln tatsächlich Modellstadt für die Legalisierung von Cannabis werden - da gibt sich die Verwaltung keiner Illusion hin - die Domstadt dürfte mal wieder mit bundesweiter Aufmerksamkeit rechnen. Die Verwaltung sieht Wellen aus Kamerateams und Reportern auf sich zurollen. „Zudem ist vermehrt mit Anfragen bei Suchtberatungsstellen und den sozialpsychiatrischen Einrichtungen zu rechnen“, heißt es in der Mitteilung aus dem Gesundheitsamt. Doch das wäre nur eine Randerscheinung. Im Kern müssten Gesundheits-, Jugend-, Schul- und Ordnungsamt an einem Strang ziehen. Auch das ist nicht leicht vorstellbar. Alle müssten auf das Thema geschult und ausgebildet werden. Um die Jugendlichen nicht blinden Auges in Unheil rennen zu lassen, braucht es Informationsveranstaltungen an Schulen und Jugendeinrichtungen. Das Ganze müsse immer wieder analysiert und einmal im Jahr mit einem Suchtbericht flankiert werden.
Mehr Konsumenten in der Stadt
Mag vieles noch im Dunst liegen, was die Freigabe nach sich zieht, in einigen Punkten ist sich die Verwaltung jetzt schon sicher: Im öffentlichen Raum sei mit einer Steigerung des Cannabiskonsums vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu rechnen. „Insbesondere in der ersten Phase der Legalisierung kann das zusätzlich durch ein Überangebot an Cannabis verstärkt werden, da sich ein legaler Markt neben dem bereits bestehenden illegalen Markt etablieren wird“, ist in der Mitteilung zu lesen.
„Cannabis wird als Entspannungshilfe zumeist bagatellisiert“, warnen die Experten aus der Verwaltung. So sei zu erwarten, „dass die Zahl junger Menschen steigen wird, die ohne Vorbelastung durch einen missbräuchlichen Cannabiskonsum an Psychose-Schüben und anderen psychischen Beeinträchtigungen erkranken“.
Das Gesundheitsamt schafft das nicht
All das vor Augen, kommen die Verwaltung zu dem Schluss: „Die Bewerbung und auch die Realisierung des Modellprojekts mit den damit verbundenen Aufgaben sind mit der vorhandenen Kapazität im Gesundheitsamt nicht zu bewerkstelligen.“ Alleine schon für die Bewerbung brauche es zwei zusätzliche Vollzeitstellen. Bekäme Köln den Zuschlag, wären dann nochmals 2,5 Vollzeitstellen notwendig, darüber hinaus müsste die Suchtberatung verstärkt werden. Wenn überhaupt sei das Projekt nur durch externe Kräfte zu stemmen. Was das allerdings kosten würde, sei noch gar nicht kalkulierbar.