TransplantationÄrzte konstruieren Ohr aus körpereigenem Knorpel

Sherrie Walters mit ihrem neuen Ohr. Es fehlt nur noch die Öffnung zum Gehörgang.
Copyright: Johns Hopkins Clinic Lizenz
Hautkrebs hatte bei Sherrie Walter Ohr und Gehörgang angegriffen. Beide mussten chirurgisch entfernt werden. Dass die Amerikanerin heute, nach 20 Monaten, ein neues Ohr hat, ist dem Können eines Chirurgenteams aus Baltimore zu verdanken. Aus körpereigenen Knorpeln formten sie das neue Körperteil und pflanzten es in den Unterarm, damit Haut auf dem Ersatz-Ohr wächst. Sechs Operationen später trägt die Patientin ihr neues Ohr an der vorgesehenen Stelle. Außerdem setzten die Ärzte ihr ein Hörgerät ein, damit stellten sie ihr Hörvermögen fast vollständig wieder her.
"Meine Haut, mein Knochen"
Um eine Abstoßungsreaktion durch das Immunsystem zu verhindern, verwendeten die Mediziner ausschließlich körpereigenes „Material“. „Es ist meine Haut, mein Knochen und der beste Ersatz für mein Ohr“, sagt Sherrie Walter. Da nach ihrer Operation auch der Teil ihres Schädelknochens fehlte, an dem eine Prothese hätte befestigt werden können, blieb nur die exotische Möglichkeit, ein neues Ohr wachsen zu lassen. Die Patientin: "Als meine Ärzte mir sagten, eine Rekonstruktion sei möglich, dachte ich, das wäre zu schön um wahr zu sein; es hörte sich an wie Science Fiction."
Der leitende Chirurg, Dr. Patrick Byrne, und sein Team schnitten zuerst nachwachsende Knorpelstücke aus dem Brustkorb, um diese dann zu einer neuen Ohrmuschel-Struktur zusammenzusetzen. Dieser - hautlose - Ohrknorpel wurde für vier Monate unter die Haut von Mrs. Walters Unterarm transplantiert, sodass er sich dort mit Haut überziehen konnte. Per Laserscanner stellten die Ärzte fest, wo die Arterien und Venen langführten, die das Gewebe versorgten. In einer weiteren Operation entnahmen sie das Ohr aus dem Arm, verbanden die Blutgefäße mit ihren Gegenstücken im Kopf und nähten das Ohr schließlich dort fest.
Mit einem letzten Eingriff soll bald ein Loch in das Ohr geschnitten werden, sodass wieder ein Zugang zum Gehörgang entsteht. So wird Sherrie Walters ein natürliches, körpereigenes Ohr zurückbekommen. Es soll wieder möglichst so aussehen, wie vor ihrer Krebserkrankung.
Behandlung von Unfallopfern
Ähnlich spektakuläre Erfolge hatten die plastischen Chirurgen um Dr. Byrne schon vorher. Zum Beispiel mit der Rekonstruktion der Nase eines US-Soldaten, der diese im Irak verloren hatte. Die Ärzte in Baltimore behandeln vor allem Unfallopfer und Hautkrebspatienten wie Sherrie Walters. „Allein das Wissen, dass die Wiederherstellung meines Ohres machbar war, hat mir so viel emotionale Stärke gegeben“, sagt die glückliche Besitzerin des „dritten Ohres“. (pm)