Pflegefall in der FamilieWas Angehörige wissen müssen – Service, Infos, Adressen

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Pflege

Die Betreuung bringt Angehörige oft an ihre Grenzen.

  • 77 Prozent der pflegebedürftigen Menschen werden zuhause versorgt.
  • Hier sind die Angehörigen in einer besonderen Rolle und kommen auch manchmal an ihre Grenzen.
  • Von der Kurzzeitpflege bis zum Wohnungsumbau: Wir erklären, welche Entlastungsangebote es in und um Köln gibt.

Herbert G., selbstständig, erfolgreich, wollte bis ins hohe Alter arbeiten. Doch dann wurde er mit 76 ein Pflegefall. Mehrere Schlaganfälle, Darmkrebs. Er war halbseitig gelähmt und auf umfangreiche Hilfe angewiesen. Was seine Frau Ursula für ihn kochte, sollte lecker, gesund und verträglich sein, denn Herbert G. hatte einen künstlichen Darm- und Blasenausgang. Schläuche, Beutel und Katheter mussten stets kontrolliert werden.

Viermal täglich kam ein ambulanter Pflegedienst. Ursula G. passte auf, dass die wunden Stellen gut versorgt waren, dass ihr Mann die sieben verschiedenen Medikamente richtig einnahm, dass er genug trank. Und sie half ihm, die Zeitung zu lesen oder sich im Bett umzudrehen. Es wurden 16 Jahre. So lange pflegte sie ihren Mann.

„Das hat ihr zugesetzt“, sagt die Tochter, Kathrin G., heute, „deshalb haben wir Kinder ihr immer dazu geraten, sich ab und zu mit einer Kurzzeitpflege zu entlasten.“

Nicht immer läuft alles optimal im Pflegeheim

Diese Möglichkeit ist extra dafür gedacht, Pflegebedürftige für kurze Zeit in einer stationären Einrichtung unterzubringen, damit die pflegenden Angehörigen Zeit für sich haben und durchatmen können. Oder auch, falls nach einem Klinikaufenthalt ein Umbau nötig ist. Für die Kurzzeitpflege gibt es bis zu 1612 Euro von der Pflegekasse. Diese Unterstützung kann sehr wertvoll sein. Kurzzeitpflege soll Engpässe überbrücken und Pflege zu Hause in der gewohnten Umgebung längerfristig absichern.

Aber Kathrin G., selbst Ärztin, merkte schnell, dass nicht immer alles ideal lief, wenn ihr Vater im Heim war. „Meine Mutter ist nicht in Urlaub gefahren, sie brauchte Zeit für ihre eigenen Arzttermine und mal ein bisschen Erholung. Aber sie wusste, wenn mein Vater nach Hause zurückkam, ging es ihm meist schlechter als zuvor.“

Denn die Kurzzeitpflege im Pflegeheim musste sich den Abläufen der Einrichtung unterordnen. Mal konnte Herbert G. mit seinen Schluckstörungen das Essen nicht zu sich nehmen, mal wurden Medikamente verwechselt, mal das Gebiss nicht gesäubert, mal Sprudelwasser statt stilles Wasser hingestellt. „Vor allem aber saß mein Vater oft stundenlang im Rollstuhl, teils mit eingeklemmtem Katheterbeutel oder nasser Windel.“ Ihr Rat: Angehörige sollten sich intensiv darum kümmern, dass die Pflege individuell richtig gemacht wird – sowohl bei der Betreuung zu Hause durch ambulante Pflegekräfte als auch bei der Kurzzeitpflege im Heim.

Die Pflegeeinrichtung muss sorgfältig ausgewählt werden

Denn im Heim gibt es keine 1:1-Betreuung wie zu Hause. Vielmehr müssen sich die Pflegekräfte innerhalb kürzester Zeit auf den neuen Gast einstellen. Deshalb ist ein enger Kontakt zu den Pflegekräften wichtig. „Angehörige“, sagt Verena Querling von der Verbraucherzentrale NRW, „dürfen kritisch nachfragen und sollten die Bedürfnisse des zu Pflegenden genau mitteilen: Was isst er gerne? Wann steht er auf? Benötigt er besondere Maßnahmen, welche Medikamente nimmt er?

Bei der Wahl der Einrichtung sollte man auf die Atmosphäre achten: Wie ist das Essen? Werden die Bewohner freundlich angesprochen?“ Dazu solle man sich auf jeden Fall die Einrichtung anschauen, am besten dort etwas Zeit verbringen und mit dem Personal sprechen.

Bei der Verhinderungspflege bleibt Pflegebedürftiger zu Hause

Neben der Kurzzeitpflege gibt es die sogenannte Verhinderungspflege, ein ganz ähnliches Instrument der Entlastung. Sie macht es möglich, dass pflegebedürftige Menschen weiter zu Hause bleiben können, wenn zum Beispiel pflegende Angehörige verhindert sind. Die Pflegekasse übernimmt die Kosten einer Ersatzpflege, wenn der oder die Pflegende ausfällt. Auch hier zahlt die Pflegekasse ab Pflegegrad 2 bis zu 1612 Euro pro Jahr.

77 Prozent werden zu Hause versorgt

Von den 3,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden 2,65 Millionen zu Hause gepflegt, das sind gut 77 Prozent. Davon wiederum wird der Großteil alleine von Angehörigen versorgt (1,76 Millionen), nur bei 830.000 Pflegebedürftigen sind ambulante Dienste im Einsatz.

818.000 Menschen werden dauerhaft in Pflegeheimen versorgt („vollstationär“), das entspricht einem Anteil von 24 Prozent. In den 14 500 Pflegeheimen arbeiten 764 600 Menschen. Ambulante Pflegedienste gibt es 14.100, also fast ebenso viele. Dort sind 390 300 Menschen beschäftigt.

Vor allem in der Kurzzeitpflege gilt jedoch: Die Nachfrage ist groß, die Plätze sind rar. Die Versorgungsquote ist regional sehr unterschiedlich. Für Nordrhein-Westfalen ermittelte das IGES-Institut im Dezember 2017, dass nur in 28 Prozent der 53 Kreise und kreisfreien Städte das Angebot für Kurzzeitpflege ausreichend sei. Welche Pflegeheime Kurzzeitpflege anbieten, kann man bei der Pflegekasse (Krankenkasse) erfragen oder auch bei der jeweiligen Stadt- oder Kreisverwaltung.

Der Mangel an Kurzzeit-Pflegeplätzen ist nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW auch eine Folge der Politik. Denn aus Sicht der Pflegeheime bedeuten solche Plätze einen höheren Personalaufwand und höhere Verwaltungskosten, und so wandeln sie Kurzzeitpflegeplätze teils in stationäre Langzeitpflegeplätze um.

Pflegegeld für Angehörige

Deshalb sei es wichtig, dass „feste, solitäre Kurzzeitpflegeplätze eingerichtet werden“, fordert die Verbraucherzentrale. „Eine tagesaktuelle Übersicht sollte die freien Pflegeplätze schnell und einfach transparent und zugänglich machen. Dies wird in NRW bereits angedacht. Zukünftig soll es eine Online-Plattform geben, auf der man sich über freie Plätze informieren kann“, sagt Verena Querling.

Doch was tun, wenn zunächst die Pflege zu Hause organisiert werden muss? Dass viermal pro Tag ein Pflegedienst kommt, wie bei Herbert G. aus Münster, ist nicht Standard. Die Pflegeversicherung finanzierte bei ihm zwei Termine pro Tag, die anderen beiden zahlte die Familie selbst. Manche Angehörige organisieren Putzhilfen, Essensdienste, Fußpflege oder eine Friseurin.

Wie viel die Versicherung zahlt, hängt vom Pflegegrad ab. Wer zu Hause von Angehörigen, Freunden oder Bekannten gepflegt wird, erhält das sogenannte Pflegegeld. Wer professionelle ambulante Pflegedienste beauftragt, erhält Pflegesachleistungen. Hierbei zahlt die Pflegeversicherung direkt an den Pflegedienst.

Pflegende Angehörige sind versichert

Angehörige, die mehr als zehn Stunden in der Woche pflegen, sind automatisch renten- und unfallversichert. Aber: Medizinisch versorgt werden darf ein Pflegebedürftiger nur durch einen ambulanten Pflegedienst mit Krankenkassenzulassung (Verbände wechseln, Spritzen setzen, Medikamente geben). Alle anderen Helfer, vom Angehörigen bis zur 24-Stunden-Hilfe, dürfen kochen, putzen und einkaufen, den Pflegebedürftigen waschen, anziehen und umbetten.

Die Verbraucherzentralen raten, vor einer Entscheidung genau zu überlegen, welche Hilfe für Pflege, Hauswirtschaft oder Betreuung notwendig ist. „Hinweise finden sich im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung“, sagt Petra Hegemann von der Verbraucherzentrale Berlin. Ebenfalls sollte geklärt sein, wie viel Pflege oder Betreuung Familienmitglieder oder Freunde leisten können.

Heimplätze werden finanziell stärker unterstützt

Die Preise für Hilfeleistungen anerkannter Pflegedienste können unterschiedlich sein. Deshalb sei es sinnvoll, vor einem Vertragsabschluss mehrere Anbieter konkret anzufragen und deren Angebote zu vergleichen. „Die Anschriften der Pflegedienste in Ihrer Nähe erhalten Sie bei Pflegestützpunkten.“ Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) empfiehlt Angehörigen, darauf zu achten, dass die Medikamentengabe der ärztlichen Anordnung entspricht und Wunden nach dem aktuellen Wissensstand versorgt werden.

Auf jeden Fall deckt die Pflegeversicherung in der Regel nur einen Teil der Kosten ab. Wer zum Beispiel möchte, dass sein Vater oder seine Mutter trotz Pflegebedürftigkeit zu Hause bleibt, sollte den Aufwand durchrechnen. Selbst wer Tag und Nacht Hilfe braucht, erhält in Pflegegrad 4 nur 728 Euro Pflegegeld monatlich. Für einen Heimplatz würde die Pflegekasse hingegen 1775 Euro bezahlen.

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