SelbstversuchResümee der ersten Rauchfrei-Woche

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Es ist ein bisschen so, als hätte ich eine lange Beziehung beendet. Als würde ich einer alten Freundin, die ich wirklich gern gehabt habe, von einem auf den anderen Tag sagen: "Ok, pass auf: Ich hab's mir überlegt. Das funktioniert so nicht mit uns beiden."
Ungefähr so habe ich mich in den ersten Tagen nach dem Rauchstopp gefühlt. Natürlich mit allen Nebenwirkungen: Grübeleien, ob das jetzt die richtige Entscheidung war. Kummer und Schlaflosigkeit, weil irgendetwas fehlt. Und das alles, obwohl mir diese Freundin pro Jahr eine Tasse Teer verabreichte.
Nikotinspray und Kaugummi
Trotzdem hat es etwas von Abschied, wenn die letzte Kippe im Aschenbecher ausraucht. Es ist ein Dienstagabend, 22 Uhr. Die letzten Überbleibsel sind aus der Wohnung entfernt- die restlichen Stummel liegen im Müll, der Aschenbecher tief versteckt im Schrank, zusammen mit den unzähligen Feuerzeugen - jegliche Versuchung scheint gebannt. Ich verbringe den Abend damit, mir Strategien zu überlegen: Um das Verlangen einzudämmen, will ich mir am nächsten Tag Nikotin-Spray kaufen. Und mir für den Notfall einen großen Kaugummi-Süßigkeiten-Knabberkram-Vorrat anlegen. Und wenn es hart auf hart kommt, dann gehe ich halt joggen. Kein Problem. Ich fühle mich einigermaßen gewappnet für meinen Ausstieg.
Allerdings habe ich die Rechnung ohne meinen Kopf gemacht. Schon die Morgenstunden des ersten rauchfreien Tages zeigen mir, wie sehr ich die Zigarette in meinen Alltag eingebaut habe. Auf dem Weg zur Arbeit hätte ich mir an dem kleinen Büdchen direkt an der U-Bahn-Station eine Schachtel gekauft. Heute nicht. Der Kiosk-Verkäufer schaut mich ungläubig an, ich blicke verlegen zurück. An der Bushaltestelle hätte ich mich zur den qualmenden Rauchern gesellt, mir genüsslich eine Zigarette angezündet und mich geärgert, dass der Bus zu früh kommt - und meine Zigarette erst halb aufgeraucht ist. Heute nicht.
Ich merke, wie ich im Verlaufe des Tages immer unruhiger werde. Jedes Mal, wenn ich den Drang verspüre, eine Zigarette zu rauchen, nehme ich eine gesprühte Dosis des Nikotin-Sprays.
Und bei jedem Mal bekomme ich eine Schluckauf-Attacke - und immer mehr die Gewissheit: Dieses Sprühzeug ist ein verdammt schlechter Ersatz. Es lindert zwar das größte Verlangen, doch es fehlt der Qualm in den Lungen und der Geschmack auf der Zunge. Unverständlich für einen Nichtraucher, doch in diesem Moment ein echter Verlust für mich. Je länger ich auf das Rauchen verzichte, desto mehr merke ich, wie mir nicht nur der Geschmack fehlt. Erste Entzugserscheinungen machen sich bemerkbar. Mein Körper versucht scheinbar mit aller Mühe, sich gegen meinen Lebenswandel zu wehren: Mit Müdigkeit, Unruhe und Frust. Dazu die Erkenntnis, dass die Zigarette mehr als nur ein Genussmittel für mich war. Mehr als nur eine Fünf-Minuten-Entspannung für zwischendurch. Ich habe ihr Nikotin wirklich gebraucht.
Überall lauert Versuchung
21 Tage dauert das "Rauchfrei"-Ausstiegsprogramm der BZgA. Ein großer Teil des Programms widmet sich Alternativen zum Rauchen und soll dazu anregen, sich Motivationshilfen bewusst zu werden und neue aufzuspüren. Selbsttests zu Motivation und Abhängigkeit dienen zur Vorbereitung. Ein "E-Mail-Coach" sendet während der Ausstiegszeit Empfehlungen.
BZgA-Telefonberatung: ? 0 18 05/31 31 31 (kostenpflichtig: Festnetz 0,14 Euro/Min; Mobilfunk max. 0,42 Euro/Min)
Die ersten drei rauchfreien Tage sind die schwersten. Ich kann mich tagsüber schwer konzentrieren und nachts kaum schlafen. Überall lauern Verführungen verschiedenster Art: Betrete ich meine Wohnung, kommt mir der leicht süßliche Duft kalten Rauches entgegen. Ein zweiter Mitbewohner, der über Monate hinweg ganz unauffällig bei mir eingezogen ist. Und nun nicht mehr so richtig ausziehen möchte. Schalte ich den Fernseher an, sehe ich als erstes Jean-Paul Belmondo mit Jean Seberg, wie sie in ihrer Pariser Wohnung eine Zigarette nach der anderen wegrauchen. "Außer Atem" heißt der französische Gangsterfilm - welch Ironie.
Doch die schwierigste Verführung ist meine Schlaflosigkeit. Wenn ganze Nächte vergehen, in denen ich durch die Wohnung streife - literweise Tee trinkend und stapelweise Zeitschriften durchblätternd. Nur eine Zigarette und ich könnte diese Quälerei beenden. Ich denke an Belmondo, wie er in seinem Bett sitzt und sich seine dritte Chesterfield anzündet. Alte Überlegungen überfallen mich: Die nächste Tankstelle ist fünf Minuten entfernt. Nur kurz einbiegen, fertig. Schnell und unkompliziert.
Kurzerhand ziehe ich meinen Mantel an und fliehe - vor dem Dunst meiner Wohnung und meinen üblen Gedanken. "Finden Sie Aktivitäten heraus, die Sie vom Rauchen ablenken", rät die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Eine halbe Stunde gehe ich spazieren, es ist kurz nach fünf Uhr. Ich bin mir sicher: Wäre ich nach dieser Nachtwanderung nicht müde gewesen, hätte ich mir an der nächsten Tankstelle eine Schachtel gekauft. Doch nicht in dieser Nacht.
Rückkehr der Sinne
Und dann - von einem Tag auf den anderen - beginne ich, meine Umgebung ganz neu wahrzunehmen. Ich rieche Kleinigkeiten, vom Reinigungsmittel bis zum Dönergewürz. Ich weiß zwar, dass sich der Geruchs- und Geschmackssinn vom Zigarettensmog erholen wird, doch erst jetzt erfahre ich am eigenen Körper den Unterschied. Und der ist wirklich gewaltig. Ich beginne, andere Raucher zu erkennen. Schon von weitem rieche ich ihre qualmigen Klamotten. Mir wird bewusst: Vor nicht allzu langer Zeit habe ich selbst so gerochen. Und das erste Mal während des Rauchstopps bin ich innerlich wirklich zufrieden mit meiner Entscheidung. Ich möchte nie wieder so riechen.
Ablenkung, nur nicht ans Rauchen denken - ein weiterer Tipp der Gesundheitsberater. Das erste rauchfreie Wochenende stopfe ich also voll mit Shoppingprogramm, Sport und Spaziergängen. Es hat funktioniert. Sogar der bisher letzten großen Versuchung habe ich widerstanden: Einer einsamen Zigarette, die in ihrer Packung aus einer Hosentasche zum Vorschein kommt. "Komm schon", scheint sie zu sagen. "Es muss doch keiner mitbekommen." Ich halte einen Moment inne und denke ernsthaft über das Angebot nach.
Doch ich weiß: Wenn ich diese Zigarette rauche, bin ich in alten Gewohnheiten gefangen. Ich knülle die Packung zusammen und werfe sie weg. Es tut mir leid, aber: Es ist vorbei.