Vom Sodbrennen in die DemenzWie schädlich sind Magensäureblocker für die Gesundheit?

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Tablettenpackung auf einem Teller mit Messer und Gabel daneben

Oft werden auch unspezifische Beschwerden wie Bauchschmerzen mit Magensäureblockern behandelt.

Eine Studie gibt Hinweise auf ein erhöhtes Demenzrisiko durch die Einnahme der häufig verschriebenen Magensäureblocker. Was dahinter steckt.

3,7 Milliarden Tagesdosen – so viele Magensäureblocker verschreiben deutsche Ärzte pro Jahr. Hauptindikation ist das Sodbrennen. Doch diese Verordnungspraxis könnte, so das Ergebnis einer aktuellen US-Studie, durchaus zur hohen Demenzquote hierzulande beitragen.

Das Forscherteam um Kamakshi Lakshminarayan von der University of Minnesota rekrutierte rund 5700 Männer und Frauen, die durchschnittlich 75 Jahre alt waren und bei Studienbeginn noch kognitiv gesund waren. Sie wurden im Hinblick darauf beobachtet, wie viele von ihnen in der Folgezeit dement wurden und in welchem Umfang sie Säure-Blocker einnahmen. Das Ergebnis: Nach rund 5,5 Jahren waren 585 der Probanden dement. Allerdings war das Risiko hierfür bei denen, die vor Studienbeginn länger als 4,4 Jahre einen Säureblocker eingenommen hatten, um 33 Prozent höher als bei denen, die ohne das Mittel auskamen.

Niedrige B12-Werte werden mit einer Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht
Kamakshi Lakshminarayan, Neurologe

Das Ergebnis liefert zwar, wie auch Lakshminarayan betont, keine Erklärung und keinen direkten ursächlichen Zusammenhang. Denn man hat letztendlich nur zwei parallel verlaufende Ereignisse – die Einnahme der Magenmittel einerseits und die Entwicklung der Demenzen andererseits – beobachtet und beschrieben. Aber aus anderen Studien sei bekannt, so der Neurologe, dass Säureblocker die Vitamin-B12-Aufnahme hemmen können: „Und niedrige B12-Werte werden mit einer Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht.“ Überdies hätten die Medikamente im Tierversuch die Bildung von Amyloid-Ablagerungen angeregt, denen in der Alzheimer-Entstehung eine Schlüsselrolle zugeschrieben wird.

Neben der Demenz werden in den letzten Jahren auch andere Erkrankungen im Zusammenhang mit der langfristigen Einnahme der beliebten Magenmittel diskutiert. Wie etwa Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Darminfektionen, Allergien und Nierenschwäche. Die vermutete Hauptursache hinter all diesen Problemen: Das Medikament hemmt die Ausschüttung von Magensäure und beeinträchtigt dadurch die Verdauung. Mit der Folge etwa, dass man nicht genug Vitamin B12 und Kalzium aufnehmen oder auch Eiweiße nicht genug aufspalten kann, so dass sie im Darm allergische Reaktionen provozieren.

Sodbrennen wird oft durch opulente Mahlzeiten am späten Abend oder Alkohol ausgelöst

All das klingt logisch. Doch es ist, wie der Hamburger Gastroenterologe Stefan Christl betont, allein noch kein Beweis. Beispiel: Osteoporose. „Als man den entsprechenden Verdacht unter kontrollierten Bedingungen untersuchte, also eine Gruppe von Patienten mit Säureblockern und eine sonst völlig identische Vergleichsgruppe ohne Säureblocker über einen längeren Zeitraum nachverfolgte, zeigte sich, dass die Knochendichte in beiden Gruppen gleichblieb.“ Durchaus möglich, dass sich der Demenz-Verdacht ebenso wenig erhärten lässt.

Nichtsdestoweniger sieht auch Christl die derzeitige Verordnungspraxis kritisch: „Da werden oft unspezifische Beschwerden wie etwa ein bisschen Bauchweh gleich mit Säureblockern behandelt.“ Dabei gebe es Alternativen, wie etwa die basischen und säurepuffernden Antazida. Oder auch Änderungen im Lebensstil. „Oft wird Sodbrennen durch opulente Mahlzeiten am späten Abend oder Alkohol ausgelöst“, weiß der Gastroenterologe. „Wenn man sich in diesen Dingen zurückhält, kann man schon viel erreichen“.

Die Refluxkrankheit ist das klassische Einsatzgebiet für Säureblocker

Das klassische Einsatzgebiet der Säureblocker ist hingegen die Refluxkrankheit, wenn also immer wieder Säure aus dem Magen in Richtung Speiseröhre zurückfließt. „Aber auch Magengeschwüre sprechen gut darauf an“, betont Christl. In solchen Fällen sei es geradezu fahrlässig, wenn man die Mittel eigenmächtig absetzt, weil sie angeblich irgendein Krankheitsrisiko erhöhen. Dies sieht sein US-amerikanischer Medizinerkollege Lakshminarayan ähnlich. Sein Rat: Mit dem Arzt besprechen, wie man die Therapie verändern kann. „Doch wenn Sie kurzerhand die Einnahme der Säureblocker stoppen, kann das schlimme Folgen haben.“

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