Online-Todesrechner UbbleDas Tool, das den Tod vorhersagt

Die Seite Ubble will mit zwölf Fragen das Sterblichkeitsrisiko ermitteln.
Copyright: Screenshot http://ubble.co.uk/ Lizenz
Köln – Bin ich in fünf Jahren noch auf dieser Welt? Und, falls nicht: Will ich das wirklich wissen? Mit diesen existenziellen Fragen beschäftigen sich dieser Tage Millionen Internetnutzer auf der ganzen Welt. Der Grund ist "Ubble", ein auf Englisch verfasster Online-Fragebogen, der verspricht, dass jeder zwischen 40 und 70 Jahren mit ihm sein persönliches Sterberisiko ermitteln kann. Allein anhand der Antworten auf ein Dutzend einfacher Fragen (elf für Frauen, 13 für Männer) glauben schwedische Forscher vorhersagen zu können, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Mensch in den nächsten fünf Jahren stirbt. Und zwar besser als durch eine körperliche Untersuchung, einen Gentest, eine Blutprobe oder Daten wie den Body-Mass-Index.
"Allein in den ersten vier Tagen hatte die Webseite mit unserem Online-Test 3,5 Millionen Besucher", sagt Andrea Ganna, Epidemiologe am Stockholmer Karolinska Institut und einer der Erfinder von "Ubble" (UK Longevity Explorer, zu Deutsch: UK Langlebigkeits-Erforscher). Der in Anspielung auf das Weltraumteleskop "Hubble" benannte Fragebogen ist tatsächlich kein Scherz, sondern wissenschaftlich seriös: Die dazugehörige Studie haben Ganna und sein Ko-Autor Erik Ingelsson, Kardiologe an der Universität von Uppsala, gerade im renommierten Fachjournal "Lancet" veröffentlicht. "Wir konnten zeigen, dass die Beantwortung von ein paar simplen Fragen das Sterberisiko eines Menschen innerhalb der nächsten fünf Jahre mit größerer Zuverlässigkeit voraussagt als jeder andere Weg, den wir heute kennen", sagt Ingelsson. Der Test könne jedem dabei helfen, seine eigene Gefährdung zu erfahren und davon ausgehend seinen Lebensstil zu verbessern.
Große Worte. Wer erfährt, nach welchen Vorgaben der Algorithmus von "Ubble" die Antworten seiner Nutzer analysiert, wird über solche Aussagen zunächst den Kopf schütteln. "Wer schneller geht, ist später tot" ist eine der Thesen, von der das Programm ausgeht. Eine andere: "Ein großer Fuhrpark verlängert das Leben." Und: "Eine Großfamilie im Haus schützt vor einem plötzlichem Tod." Meinen die das ernst?
Daten von 500.000 Personen ausgewertet
In "Lancet" erklären Ingelsson und Ganna, wie sie auf ihre Annahmen und die dazugehörigen Fragen gekommen sind. Die Forscher haben dafür zunächst die Gesundheitsdaten von 500 000 Freiwilligen analysiert, die für die britische Großstudie UK Biobank zwischen 2007 und 2010 umfassend untersucht worden waren. Innerhalb von fünf Jahren sind von diesen rund 8500 Personen gestorben. Anhand des Wissens, wer gestorben ist und wer nicht, untersuchten die Mediziner anschließend 655 unterschiedliche Faktoren darauf, wie gut sich diese für eine Vorhersage des Sterberisikos eignen. Auf diesen Analysen beruht der Fragebogen von "Ubble". Alter und Geschlecht sind dabei nur der Ausgangspunkt. Es folgen Fragen, die auf den ersten Blick abseitig erscheinen: "Über wie viele Autos verfügen Sie?" , "Wie viele Personen leben in Ihrem Haushalt?" Mit ein wenig Nachdenken findet man heraus, was die Antworten über uns verraten könnten: So ist, wer mehrere Autos besitzt, vermutlich reich - und allein deshalb statistisch gesehen weniger suizid- und unfallgefährdet. Wer mit mehreren Menschen zusammenlebt, fühlt sich womöglich weniger einsam - was die Anfälligkeit für Krankheiten nachweislich sinken lässt. Laut einer aktuellen US-Studie erhöht ständiges Alleinsein das Risiko für einen vorzeitigen Tod sogar ähnlich stark wie 15 Zigaretten am Tag.
Auch die Schrittgeschwindigkeit habe sich als gutes Maß entpuppt, um die Lebenserwartung zu beurteilen, erklärt Andrea Ganna: "Das Risiko binnen fünf Jahren zu sterben, ist bei Langsam-Gehern 3,7 Mal höher im Vergleich mit Menschen mit normaler Schrittgeschwindigkeit." Dass Antworten auf weitere Fragen wie "Rauchen Sie?" oder "Hatten Sie je Diabetes, Krebs oder hohen Blutdruck?" einen Hinweis auf das Sterberisiko liefern, versteht sich von selbst. "Betrachtet man ausschließlich gesunde Menschen, ist das Rauchen der größte Risikofaktor für einen Tod in den nächsten fünf Jahren", erklärt Erik Ingelsson.
Nur für Personen zwischen 40 und 70 Jahren
Überraschend ist dagegen, wie sehr wir drohende Gesundheitsgefahren offenbar selbst im Gefühl haben. Zumindest bei Männern gilt laut der "Lancet"-Studie die Selbsteinschätzung der Gesundheit als wichtigster Faktor. Hält man den eigenen körperlichen oder psychischen Zustand für gefährdet, erhöht sich auch statistisch das Risiko, in den nächsten fünf Jahren zu sterben. Die Wahrscheinlichkeit dafür spuckt "Ubble" aus, wenn alle Fragen beantwortet sind. Und zwar in Prozent und als sogenanntes "Ubble"-Alter, das sich als biologisches Alter verstehen lässt. Bekommt man als 45-Jähriger ein "Ubble"-Alter von 78 diagnostiziert, verheißt das also nichts Gutes.
Allerdings, so schränken die Wissenschaftler ein, gilt ihre statistische Risiko-Abschätzung nur für 40- bis 70-Jährige - und nur für die nächsten fünf Jahre. Also nur für die Altersspanne der Probanden und den Zeitrahmen der UK Biobank-Datensammlung. Zudem weist Andrea Ganna darauf hin, dass ein Programm wie "Ubble" kein Todesurteil fällen kann: "Natürlich darf man den Wert nicht als Vorbestimmung verstehen."
Jeder habe selbst in der Hand, das Ergebnis wieder geradezurücken: "Die allermeisten, die ein hohes Sterberisiko prognostiziert bekommen, können das in den nächsten fünf Jahren durch körperliche Bewegung, den Verzicht aufs Rauchen und gesunde Ernährung stark verringern", so Ganna.
Andere sehen aber auch in "Ubble" selbst eine Gesundheitsgefahr. "Es könnte sein, dass dieser Test einfach nur die Hypochondrie der Nutzer verstärkt", schreibt Simon Thompson, Direktor des Instituts für Öffentliche Gesundheit an der Cambridge-University, in einem Beitrag für "Lancet".
Das Risiko binnen fünf Jahren zu sterben, ist bei Langsam-Gehern 3,7 Mal höher.
zum Sterberisiko-Rechner „Ubble“
Die Fragen von „Ubble“ finden Sie im nächsten Abschnitt.
Hier sind die Fragen:
1. Wie alt sind Sie?
Das Alter ist eines der wichtigsten statistischen Kriterien für die Ermittlung des Sterberisikos – aus naheliegenden Gründen.
2. Männlich oder weiblich?
Männer haben eine kürzere Lebenserwartung als Frauen.
3. Wie viele Autos stehen Ihnen zur Verfügung?
Reiche Menschen haben statistisch gesehen weniger Unfälle und verüben seltener Suizid.
4. Wie viele Personen leben in Ihrem Haushalt
Dauerhafte Einsamkeit ist laut einer US-Studie ebenso schädlich für die Gesundheit wie täglich 15 Zigaretten.
5. Rauchen Sie?
6. Wie häufig haben Sie früher geraucht?
Rauchen lässt das Sterberisiko am stärksten ansteigen.
Die restlichen Fragen von „Ubble“ finden Sie im nächsten Abschnitt.
7. Wie schätzen Sie Ihren aktuellen Gesundheitszustand ein?
Interessant: Die Selbsteinschätzung ist laut „Ubble“ besonders bei Männern eines der besten Prognoseinstrumente.
8. Mit welcher Schrittgeschwindigkeit gehen Sie?
Verrückt, aber datenmäßig gut belegt: „Das Risiko, binnen fünf Jahren zu sterben, ist bei Langsam-Gehern 3,7 Mal höher im Vergleich mit Menschen mit normaler Schrittgeschwindigkeit“, sagt Andrea Ganna.
9. Wurde Ihnen jemals ein Diabetes diagnostiziert?
10. Wurde Ihnen jemals eine Krebsdiagnose gestellt?
11. Hatten Sie jemals Bluthochdruck oder eine Herzerkrankung?
Aktuelle Erkrankungen machen einen frühen Tod wahrscheinlicher.
12. Haben Sie in den letzten zwei Jahren Ereignisse wie eine Trennung, finanzielle Engpässe oder den Tod eines nahen Verwandten erlebt?
Seelisches Leid und Stress schlägt oft auf den Körper durch – und erhöht das Sterberisiko.
13. Haben Sie einen Schwerbehindertenausweis?
Schwere Behinderungen gehen in seltenen Fällen mit einer Einschränkung der Lebenserwartung einher.