RechtsfrageOliver Pocher stellt Frau bloß – Darf er das Video auf Instagram zeigen?

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Oliver Pocher gestikuliert bei einem Auftritt auf der Bühne

Oliver Pocher bei einem Auftritt. (Archivbild)

Bei einem Auftritt macht sich Oliver Pocher über eine Zuschauerin lustig – und veröffentlicht das Video. Eine rechtliche Einschätzung.

Ein Prominenter veröffentlicht Aufnahmen von einem seiner Auftritte, in dem er eine Zuschauerin interviewt, auf seinem Instagram-Account. Darf er dies eigentlich so ohne Weiteres?

Diese Frage wirft wichtige Fragen des Persönlichkeitsrechts auf, die überdies zeigen, dass unser Grundgesetz auch 75 Jahre nach seinem Inkrafttreten die Bürgerinnen und Bürger schützt.

Zum konkreten Sachverhalt: Auf dem Sommerfest des Südwestrundfunks (SWR) vor einigen Tagen in Stuttgart, das der Sender nicht live übertrug, stellte der Comedian Oliver Pocher eine Zuschauerin bloß. Er befragte sie zu Details ihres Privatlebens, und die Frau konnte oder wollte sich den geschickt gestellten Fragen wohl nicht entziehen. Fragen und Antworten wurden auf dem Großbildschirm während der Veranstaltung gezeigt. So weit, so ungut. Aber zumindest kann man sagen: Die Zuschauerin hatte sich auf das Gespräch mit Pocher eingelassen.

Doch danach ging es weiter: Am Ende der Veranstaltung wandte sich die junge Frau unter Tränen an einen Mitarbeiter des SWR und bat darum, die Aufnahmen mit ihr nicht in der Pocher-Show zu veröffentlichen. Sie mache sich große Sorgen, dass ihr Arbeitgeber die Sendung sehen könnte. Der SWR versicherte ihr, die Videos des Auftritts seien nur für die Großbildleinwand vor Ort gedacht und somit nicht für eine Ausstrahlung eingeplant. Pocher indes lud genau die Szenen seines Auftritts, in denen sich die Frau sichtbar unwohl fühlt, bei Instagram hoch und machte sie damit für seine 1,7 Millionen Follower öffentlich.

SWR distanziert sich, Oliver Pocher begibt sich auf dünnes Eis

Juristisch hat sich Pocher, der gerne Grenzen austestet, damit auf sehr dünnes Eis begeben. Die Rechtslage und die Rechtsprechung zum „Recht am eigenen Bild“ ist eigentlich eindeutig. Bilder – und damit auch Videoaufnahmen – dürfen nach der klaren gesetzlichen Lage im Kunsturhebergesetz nur mit Zustimmung der Betroffenen veröffentlicht werden. Eine Ausnahme gilt demnach nur, wenn es sich bei dem Geschehen um ein „Ereignis der Zeitgeschichte“ handelt, dann ist eine Veröffentlichung auch ohne Einwilligung möglich.

Das Geschehen beim SWR-Sommerfest ist sicher kein Ereignis der Zeitgeschichte. Und dass die Bilder des Gesprächs auf der Großleinwand gezeigt wurden, ist eindeutig noch keine Zustimmung zur Veröffentlichung der Aufnahmen im Internet. Daher war der SWR auch sehr gut beraten, der Frau sofort zuzusagen, das Video nicht zu veröffentlichen. Der Sender hätte sich sonst rechtswidrig verhalten. Der SWR hat sich daher auch schon in einer Presseerklärung von Pochers Verhalten deutlich distanziert, insbesondere auch von seiner Art, sich über die Frau lustig zu machen.

Ohne Zustimmung verstößt das Hochladen des Videos gegen das Persönlichkeitsrecht

Was das Hochladen des Auftritts durch Pocher selbst auf seinem Instagram-Account betrifft, gilt: Solange er dafür keine schriftliche Zustimmung der Zuschauerin vorweisen kann, ist die Veröffentlichung der Aufnahmen im Internet rechtswidrig und verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Damit hat die Betroffene mehrere rechtliche Möglichkeiten: Sie kann die sofortige Löschung der Aufnahmen und die Unterlassung der Veröffentlichung für die Zukunft verlangen. Sollte Pocher das ablehnen, kann sie versuchen, ihre Ansprüche auch gerichtlich durchzusetzen: mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Zudem hat sie auch Anspruch auf Schadensersatz wegen des Eingriffs in ihr Persönlichkeitsrecht. Nach der Rechtsprechung stehen hier durchaus mehrere Tausend Euro im Raum. Und: Die Frau kann auch eine Strafanzeige prüfen, denn im Kunsturhebergesetz gibt es eine eigene Strafvorschrift für eine Bildveröffentlichung ohne Einwilligung.

Auch Prominente sind an Recht und Gesetz gebunden

Die junge Frau sollte den Mut haben, sich gegen Oliver Pocher zu wehren, auch wenn sie Kosten für die Vertretung aufwenden muss. Die bekäme sie aber – wenn sie gewinnt – erstattet. Pocher dürfte zwar sofort mit seinen Medienanwälten antworten. Aber auch Prominente sind an Recht und Gesetz gebunden.

Und wenn man sich den Glauben an das Gute im Menschen bewahrt hat, darf man ja vielleicht sogar auf Pochers Einsicht hoffen: Er hat sich falsch verhalten, könnte sich bei der Frau entschuldigen, ihr eine vernünftige Entschädigung zahlen und die Anwaltskosten erstatten. Weh täte ihm das bestimmt nicht.


Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben die Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf), die Kölner Strafrechtsprofessorin Frauke Rostalski sowie die Rechtsanwälte Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Tony Rostalski (Partner der Frankfurter Kanzlei Rettenmaier) und Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de

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