1. Kölner PiratenAls Männer noch aus Eisen waren
Köln – Sie schwören „auf Seemann, Tod und Teufel“ und schießen mit echtem Schwarzpulver. - so sehen sie sich (augenzwinkernd) selbst, die Furcht einflößenden Männer, auch genannt „Original 1. Kölner Piraten von 1968 k.e.V.“ K.e.V., weil: „Kein eingetragener Verein“. „Wir sind mehr so'n Freundeskreis, Vereinsmeierei ist nichts für uns“, schmunzelt Adi Loeser, ehemals Archivar beim Deutschlandfunk und jetzt James Blood, der überlegt, seinen langen Pferdeschwanz doch abzuschneiden, weil er zwar einem 1. Deckoffizier gut zu Gesicht steht, beim Motorradfahren aber in Nullkommanix verfilzt.
Apropos Deckoffizier. Eine Dreimastbark namens Santa Colonia trägt die unerschrockenen Piraten über die Weltmeere. Am rauesten ist die See wohl an Rosenmontag, wenn die mit Freunden aus anderen Städten rund 60 Mann starke Truppe durch die wogenden Jecken vor dem Rosenmontagszoch hergeht. Die Santa Colonia ist ein prächtiges Segelschiff, das 1995 in der Dünnwalder Werft gebaut wurde und bis zum großen Auftritt auf dem Trockendock im Getränkemarkt am Marsilstein steht. Und sie ist, betont Wilfrid Wery, im Piratenleben Steuermann Long John Silver, „eines der wenigen Schiffe, das nicht schwimmen kann, aber drei Räder und eine Zugstange hat“. Neben dem Schiff gehören ein Gefängniswagen, eine zwei Meter lange Kanone, Zelte und ein Pranger zur Ausrüstung der Piraten. Ihre Spelunke liegt hinter dem Neumarkt - im „Leuchtturm“ gegenüber der Wolkenburg kippt man ne Buddel voll Rum, und hier wird am Dienstagabend auch der Nubbel verbrannt.
Die Wurzeln der Piraten gehen bis auf das Jahr 1968 zurück, als ein überdrüssiger Gremberger Hunne namens Karl-Heinz Hansmann beschloss, was anderes zu machen. Das Urgestein aus der Südstadt zog als Pirat aus der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts allein durch Köln. Es dauerte sechs Jahre, bis sich Wilfrid Wery als zweiter Pirat hinzugesellte, weitere Freunde aus dem Stamm der Hunnen hinzukamen und schließlich zu einer Truppe von heute mehr als 20 Leuten anwuchsen. Drei Frauen sind auch dabei. „Die Kajütenmäuse“, wie Wery 64, ehemaliger Siebdruckmeister, anmerkt.
Dass die Piraten heutzutage einen äußerst schlechten Ruf genießen, stört sie nicht. „Wir sind historische Piraten, bei uns hat der Gegner noch eine Chance“, sagt Wery. Auch bei den „historischen“ Piraten gibt es einfache Soldaten und Offiziere mit prächtigen Uniformen. Historische Gewandbücher, aber auch die Fantasie oder der Theaterfundus bestimmen das Aussehen.
Ein Piratenkostüm, das den Ansprüchen der Truppe genügt, kostet ein paar tausend Euro. Und wenn Rosenmontag Freunde aus Köln und anderen Städten mitgehen, dann müssen sie einem gewissen Standard genügen. Wery hat sich gerade eine Vorderladerpistole für rund 400 Euro zugelegt. Wer sich einen Entersäbel schmieden lässt, der muss 300 Euro auf den Tisch legen, hinzu kommen neben Rock, Hose und Hemd der Waffengurt, der Hut, teilweise die Perücke und die Stiefel. Begehrt sind die ausrangierten von Jan von Werth, „aber da ist schwer dranzukommen“, sagt Loeser.
In voller Montur sind die Piraten mitten im Sommer vor dem Cinedom aufgekreuzt, um sich den „Fluch der Karibik“ II und III anzusehen. Mindestens einmal im Monat setzen sie die Segel und nehmen meist in einer Stärke von sechs bis acht Mann Kurs auf Hafen- und Stadtfeste. „Der Karneval macht inzwischen den kleinsten Teil unserer Aktivitäten aus“, sagt Wery.