AhnenforschungAuf der Suche nach den Wurzeln

Mosaiksteine zusammenzufügen kann ein spannende Detektivaufgabe sein. (Bild: Anhees - Fotolia)
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Eigentlich war Geschichte in der Schule nicht gerade das Lieblingsfach von Günter Junkers. So war der gebürtige Rheydter froh, als er in den 50erJahren zumindest einmal in dem ungeliebten Fach richtig glänzen konnte. „Wir sollten damals unsere Eltern nach dem Stammbaum unserer Familie fragen“, erinnert sich der heute 69-Jährige. Tatsächlich hatte sich Junkers Großvater Jahre zuvor die Mühe gemacht, die Geschichte der Junkers einige Generationen weit zurückzuverfolgen. „Er wollte herausfinden, ob unsere Familie mit dem berühmten Flugzeugbauer Hugo Junkers verwandt ist“, weiß Dr. Günter Junkers. Als Einziger in seiner Klasse hatte er so seinerzeit einen Familienstammbaum vorlegen können.
Weniger das Interesse an Geschichte als vielmehr die Naturwissenschaftlern eigene Art „in den Dingen zu bohren“ war es, die den studierten Chemiker Günter Junkers Jahre später motivierte, sich selbst auf die Suche nach Spuren seiner Familie zu begeben. Er besuchte Archive, studierte Kirchenbücher und Urkunden, rekonstruierte so bis ins Jahr 1590 die Geschichte seiner Vorfahren – einer reformiert protestantischen Familie, die ihre Wurzeln am linken Niederrhein hat und in deren Reihen „Bauern, Weber und später Pioniere der Textilindustrie“ waren. Das berichtet der heute in Leverkusen wohnende Ahnenforscher nicht ohne Stolz.
In Deutschland gibt es 25.000 organisierte Hobbyforscher
Sieben Generationen zurück sei er tatsächlich auch auf gemeinsame Ahnen mit dem 1935 gestorbenen berühmten Flugzeugkonstrukteur gestoßen. „Da gibt es nachweislich eine genealogische Verbindung, aber der gemeinsame genetische Anteil ist wohl eher gering“, sagt der Leverkusener lachend. So wie Günter Junkers, der auch Schriftführer der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde ist und die Zeitschrift für Computergenealogie gegründet hat, gibt es viele Deutsche, die mit Leidenschaft die Geschichte ihrer Familien erforschen. Offiziell sind in Deutschland 25.000 Hobbyforscher in 70 genealogischen Vereinen organisiert.
Die Zahl der „Unorganisierten“ freilich dürfte um ein Vielfaches höher sein. Längst hat die Ahnenforschung nämlich einen Imagewandel vollzogen. Aus einem verstaubten und seit der Nazi-Zeit anrüchigen Hobby von älteren Herren, die mit handgemalten Stammtafeln von Archiv zu Archiv zogen, ist heute ein ganz normales modernes und harmloses Hobby geworden, betont Junkers.
Technologisch ist die Forschung auf der Höhe der Zeit
Vor allem dank Computer und Internet boomt die Familienforschung in den letzten Jahren und „ist heute technologisch auf der Höhe der Zeit und grenzenlos“: So urteilt Klaus-Peter Wessel, der Vorsitzende des Vereins für Computergenealogie, mit 3400 Mitgliedern die größte genealogische Gesellschaft in Deutschland. In Sekundenschnelle lassen sich heute Datenbanken durchforsten, in Internetforen Fragen stellen (und Antworten finden) oder persönliche Kontakte herstellen. Allein auf der vom Verein für Computergenealogie betriebenen Seite www.genealogy.net haben Hobby-Ahnenforscher die Möglichkeit, in einer offenen Datenbank mit 10 Millionen personenbezogenen Datensätzen kostenlos nach weiteren Mosaiksteinen in ihrer Familiengeschichte zu suchen.
Diese einzelnen Mosaiksteine schließlich zusammenzufügen ist bisweilen eine „spannende Detektivaufgabe“, weiß Familienforscher Junkers. Und schneller als so mancher Hobbygenealoge denkt, hat man „Blut geleckt“ und kommt vom Hobby nicht mehr los, weil man eben „mehr erfassen will als nur die blanken Daten seiner Ahnen.“ „Das Interessante ist doch, wenn man ein bisschen Fleisch an die Knochen bekommt“, umschreibt Junkers. „Ich habe so viel von geschichtlichen Zusammenhängen gelernt, die mich in der Schule gar nicht interessiert haben.“
Schnell hineingezogen in den Strudel der Familiengeschichte
Genauso erging es auch Helmut Belthle. Wie in einen Strudel sei er mit 17 in die Erforschung seiner Familiengeschichte hineingezogen worden. Dem heute 57-jährigen Mitarbeiter des Stuttgarter Wissenschaftsministeriums ließ es als junger Mann keine Ruhe, dass in der Reihe seiner Vorfahren ein Scharfrichter in Tübingen gewesen sein soll. Er bohrte nach, schaute Kirchenbücher und Familienregister durch und fand tatsächlich sechs Generationen zuvor mit dem 1757 geborenen Georg Friedrich Belthle jenen Scharfrichter, über den mancher in seiner Familie nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen hatte – der aber in der Familiengeschichte keineswegs der Einzige mit diesem Beruf war.
Eine solche Erkenntnis sei natürlich nicht schön und wühle einen auf, gesteht Belthle. „Aber ich kann nichts daran ändern. Deshalb gehe ich offen damit um“, sagt er. Im Arbeitskreis Scharfrichterforschung bemüht sich Belthle heute vor allem auch um Aufklärungsarbeit, denn „das Bild, das in vielen Filmen von Scharfrichtern gezeichnet wird, hat nichts mit der Realität zu tun.“ Scharfrichter seien pflichtbewusste und verantwortungsvolle Menschen mit fest umrissenen Rechten und Pflichten gewesen. „Sie waren in der Regel gut situiert und viele studierten sogar Medizin. Letztlich handelten sie ja nur im Auftrag der Obrigkeit“, betont Helmut Belthle.
Das Internet ist bei der Suche nicht alles
Bei seinen Recherchen, so Belthle, sei das Internet eine sehr nützliche Hilfe gewesen. Passionierte Familienforscher wie er und Junkers wissen aber: „Man findet im Internet viel, aber nicht alles.“ Um die Lücken im Stammbaum zu schließen und Familiengeschichte mit Inhalt zu füllen, sei immer auch die Arbeit im Archiv und das Lesen alter Schriften wichtig. Noch wichtiger sei aber, mit den noch lebenden Verwandten zu sprechen, rät Günter Junkers.
Weitere Informationsquellen können das Familienstammbuch und in manchen Familien auch ein Ahnenpass liefern. Nächste Adresse seien die Standesämter, die seit 1875 das komplette Personenstandswesen in Deutschland verwalten, hier liegen Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden, die allerdings dem Datenschutz unterliegen und innerhalb bestimmter Fristen ausschließlich direkten Nachkommen zugänglich sind. Vor Einführung der Standesämter wurden Geburten, Taufen, Eheschließungen oder Beerdigungen in Kirchenbüchern der jeweiligen Pfarreien registriert. Viele Kirchenbücher und die Zweitschriften der Zivilstandregister aus dem Bereich der Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf liegen im Personenstandsarchiv Brühl auch schon in digitalisierter Form vor. Die Duplikate der Register des Standesamts Köln wurden im letzten Jahr bis 1875 digital lesbar gemacht – die Originale lagen in den Trümmern des Historischen Archivs an der Severinstraße, sagt Junkers.
„Mein Vorfahr hat ihren enthauptet
Wie viele andere Genealogen haben Junkers und auch Helmut Belthle schon auf vielen Tagungen über ihr Hobby referiert und die Ahnenforschunghat sie so mit „den unterschiedlichsten Menschen aus den verschiedensten Ecken der Republik“ zusammengebracht. Die ungewöhnlichste Begegnung ist ihm bis heute in Erinnerung geblieben: In einem Archiv las er auf einem Stammbaum eines anderen Familienforschers einen Namen, der ihm bekannt vorkam. „Bei mir läutete sofort etwas“, erinnert sich Belthle und deshalb habe er gleich nachgehakt: „Gibt es in ihrer Familie einen Verwalter des Klosters Hirsau, der 1739 wegen Unterschlagung hingerichtet wurde?“, habe er gefragt und als der Befragte das bejahte, hat er sich umgehend geoutet: „Gestatten Belthle, mein Vorfahr hat ihren enthauptet.“
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