Anno-GymnasiumWoyzeck auch heute noch hochaktuell
Rhein-Erft – Es schrieb Theatergeschichte und galt auch noch bei der Uraufführung im Jahr 1913, fast acht Jahrzehnte nach seiner Entstehung, als bestürzend modern: das Dramenfragment „Woyzeck“ von Georg Büchner. Und es ist, das ist das Erstaunlichste, auch im 21. Jahrhundert noch hochaktuell. Vielleicht liegt es daran, dass die Mitglieder des Theaterkurses aus dem Anno-Gymnasium sich des Stücks so intensiv angenommen haben.
Mit einem bewusst schlicht gehaltenen Bühnenbild ziehen sie die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Geschichte an sich: Auf Woyzeck, den armen Tropf aus ärmsten Verhältnissen, psychisch angeschlagen und vom Doktor, vom Hauptmann und „Tambourmajor“ ausgenutzt und verlacht. Beileibe keine einfache Rolle, die Benjamin Haas so unbefangen wie überzeugend spielt. Und weil die Freundin und Mutter des gemeinsamen Kindes Marie so sehr hin- und hergerissen ist zwischen den Verlockungen des Lebens auf der einen und der Loyalität zu ihrem Freund auf der anderen Seite, haben der Deutschlehrer Nick Hellmann und Dramaturg Jochen Peters die Rolle in zwei Personen aufgeteilt: Abwechselnd gruppieren sich Natascha Flammann, Franziska Laue, Davina Burg und Stefanie Bernickel mal innig, mal berechnend, um einen signalroten Kinderwagen. Diese Freiheit nimmt sich die Regie auch beim Doktor: Fünf hochhackig beschuhte Frauen sprechen abwechselnd den Text des Doktors. Und verstärken damit die heute sehr fremd, manchmal absurd klingende Sprache Büchners.
Noch stärker aber spiegelt hier die Begleitmusik Woyzecks Seelenzustand: Jacqueline Pampuch hat den Text zu einem Titelsong geschrieben, den die Musiklehrerin Cordula Engel vertonte und mit einem siebenköpfigen Schul-Ensemble von Szene zu Szene neu moduliert. Sie verfremdet die Melodie für die Jahrmarkt- oder die Wiegenszene, zersetzt sie immer mehr, bis zum Schluss die Violine den wilden Herzschlag der Hauptperson markiert. „Das Lied erscheint immer fremder, es wird zum Fremden, so wie Woyzeck sich immer weiter entfernt“, erklärt Engel.
Ist das Gute im Menschen eine Frage der Erziehung oder der Gene? „Weil es in niemands Gewalt liegt kein Dummkopf oder kein Verbrecher zu werden“, führte Büchner einst seine These über die Macht der Gesellschaft aus, „weil wir durch gleiche Umstände wohl alle gleich würden“. Woyzeck zerbricht an der Gesellschaft. Verzweifelt greift er schließlich zum Messer - und wird zum Mörder.
Das Stück wird heute, 20 Uhr, noch einmal in der Aula aufgeführt.