Auch Strafrichter menscheln
EUSKIRCHEN. Der typische Eifeler Kriminelle klebt an der Scholle. Er begeht hier seine erste Straftat und gibt auch hier, nach seinem letzten Ausrutscher, den Löffel ab! So charakterisiert - wenn auch augenzwinkernd - Richter Hilmar von der Recke seine Klientel. Der mit 34 Amtsjahren in Euskirchen dienstälteste Richter hat bereits Generationen von Ganoven zu Urteilen verholfen. Er ist einer von fünf Strafrichtern, die unter der Ägide von Amtsgerichtsdirektor Heinz-Georg Potthast in der Kreisstadt dem Strafgesetzbuch Geltung verschaffen.
Was treibt einen Juristen zum Richteramt? Es ist das freie Aktionsfeld und die uneingeschränkte Eigenverantwortung, die den Beruf reizvoll machen, sagt Dr. Fabian Krapoth. Der 47-Jährige ist seit September 2008 stellvertretender Direktor des Amtsgerichtes Euskirchen. Er ist Strafrichter im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht.
Seiner Art, mit den Beteiligten während einer Gerichtsverhandlung umzugehen, merkt man an, dass seine Laufbahn eine weite Bandbreite richterlicher Tätigkeiten umfasst: So war er abgeordneter Richter beim Bundesgerichtshof, war Presse-Dezernent am Landgericht Bonn und arbeitete auch in kleineren Dienststellen. Wer das Amtsgericht Waldbröl kennt, der kennt die Welt, sagt der Volljurist schmunzelnd.
Mit freiem Aktionsfeld meine er, dass er seine Arbeit schrankenlos einteilen kann, denn: Eine geregelte Arbeitszeit gibt es für einen Richter nicht. Es gebe Verfahren, die zögen Aktenberge von 5000 Seiten mit sich. Die Lektüre erstrecke sich dann über mehrere Wochen. Und die Verhandlung könne von 9 Uhr morgens bis 19 Uhr am Abend dauern. Das sind Arbeitszeiten, die muss man auch der eigenen Familie erst einmal klar machen, sagt der Richter.
Neben den Senior-Richtern von der Recke und Krapoth sorgen drei Jung-Richterinnen und -Richter zurzeit für frischen Wind am Euskirchener Amtsgericht. Cool, oft unkonventionell, aber souverän erleben Prozess-Beobachter das Trio in den Gerichtsverhandlungen.
Dr. Michael Nehring bringt Strafverteidiger regelmäßig zur Verzweiflung, wenn er aufzeigt, dass zuerst das Gericht von der Unschuld des Delinquenten überzeugt sein muss, bevor es eine Einstellungen des Verfahrens oder einen Freispruch gibt. Besonders renitente Straftäter müssen beim 31-jährigen Richter mit harten Urteilen rechnen. Zum Schmunzeln bringt der gebürtige Duisburger sein Publikum immer dann, wenn er versucht, den Eifeler Dialekt nachzuahmen.
Die 31-jährige Richterin Eva Roth arbeitet seit Anfang dieses Jahres am Euskirchener Amtsgericht. Bei ihrer Klientel noch recht unbekannt, lassen sich Prozess-Beteiligte mitunter zu fatalen Fehleinschätzungen hinreißen. So meinte ein Zeuge: Die sieht doch nett aus. Vor der muss man nun wirklich keine Angst haben! Der in diesem Prozess Angeklagte verließ den Gerichtssaal mit einer Haftstrafe zur Bewährung.
Ebenso gelassen wie kurz und bündig führt Richter Thomas Poell, 28 Jahre jung und noch Richter auf Probe, durch seine Verhandlungen. Schnörkellos sind seine Fragen; was nicht bedeutet, dass er sich nicht mit den Hintergründen auseinander setzt. Sich in die Person des Angeklagten zu versetzen, erleichtert dem Vorsitzenden, die richtigen Fragen zu stellen, weiß der Richter. Was wäre, wenn mir das passiert wäre, wofür der Angeklagte vor Gericht steht? Richter Thomas Poell geht mit seinen Kollegen konform, wenn er ein wenig mehr Demut bei der Ausführung des Richteramtes anmahnt.
Den Arbeitsplatz Amtsgericht Euskirchen loben die fünf Strafrichter unisono als durchaus komfortabel. Hier gehe die berufliche und die persönliche Ebene zwischen den Richter-Kollegen und den Anwälten in Einklang. Man brauche sich nicht zu beweisen, wer der Bessere ist.
Aber es gibt eine Hit-Parade der Fehlgriffe, die einem Angeklagten bei seinem Auftritt vor dem Euskirchener Gericht nicht unterlaufen sollten.
Platz eins: Die Delinquenten sollten sich merken, dass eine Gerichtsverhandlung keine Spaßveranstaltung ist. Richter Poell: Dem Angeklagten sollte klar sein, dass es um seine Zukunft geht!
Rang zwei: Keine Konfrontation mit dem Gericht suchen. Schon gar nicht bei der zur Schau gestellten Kleidung. Richter Krapoth: Da hatte ich einmal einen Angeklagten, der trug ein T-Shirt mit dem Abbild von zwei kopulierenden Schweinen. Da habe ich mich zuerst einmal gefragt, wen ich da vor mir hatte!
Und schließlich: Hände aus den Taschen, Kaugummi 'raus und Mütze vom Kopf. Bei Richter von der Recke musste ein Angeklagter solange der Verhandlung stehend beiwohnen, bis er das begriffen hatte. Das hat auch viel mit der Würde des Gerichtes zu tun. Wir agieren hier nicht vor der Kulisse eines Fernseh-Gerichts, so der ansonsten nicht kleinliche Jurist. Manchmal menschelt es auch, wenn sich während einer Gerichtsverhandlung unvermutete Probleme auftun. Ich hatte einen Angeklagten wegen eines Bagatellvergehens zu einer geringfügigen Strafe zu verurteilen, erinnert sich Richter Dr. Fabian Krapoth. Es sei die Zeit kurz vor Weihnachten gewesen und der angeklagte Mann habe gefleht, ihn doch ins Gefängnis zu schicken. Dort sei es warm, und es gebe auch geregelte Mahlzeiten, habe der Mann argumentiert. Indes habe das angeklagte Delikt eine Gefängnisstrafe nicht zugelassen, und der Mann sei zwar verurteilt aber auf freien Fuß gesetzt worden. Tage später habe ich mich noch einmal mit der damals protokollierenden Gerichtsschreiberin über den Vorfall unterhalten, führt Richter Krapoth fort. Und da haben wir uns dabei erwischt, dass wir beide, unabhängig voneinander, dem Verurteilten nach der Verhandlung jeweils zehn Euro zugesteckt hatten! Außerdem sorgte der Richter dafür, dass der Mann über die Weihnachtstage eine Bleibe in einem Männerhaus fand.