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Bentele & FriedrichZwei, die sich gefunden haben

Lesezeit 3 Minuten

Ein Duo, das sich perfekt versteht: Paralympics-Siegerin Verena Bentele und Begleiter Thomas Friedrich. (Bild: Schmülgen)

KÖLN. So trocken das Thema klang, so kurzweilig war das, was Verena Bentele und Thomas Friedrich aus Anlass des Tags des Behindertensports an der Deutschen Sporthochschule in Köln zu erzählen hatten. "Motivation und Kommunikation als Schlüssel zur sportlichen Höchstleistung" - was abstrakt wirkt, füllten die blind geborene fünffache Paralympics-Siegerin im Langlauf und Biathlon von Vancouver sowie ihr Begleitläufer vor einem aufmerksam lauschenden Auditorium mit Leben.

Die Geschichte der in München Germanistik studierenden 28-Jährigen und des in Bonn im Gesundheitsmanagement tätigen 40-jährigen Diplomsportlehrers ist ebenso außergewöhnlich wie Mut machend für behinderte Menschen, egal ob sie sportlich aktiv sind oder nicht, ob sie im Spitzen- oder Nachwuchssport eine Herausforderung suchen.

Zunächst begann alles mit einer "Katastrophe": Verena Bentele wurde von ihrem Begleitläufer bei den deutschen Meisterschaften 2009 fehlgeleitet, stürzte einen Abhang hinunter, zog sich einen Kreuzbandriss und innere Verletzungen zu. Dennoch entschloss sie sich im Frühsommer zum Versuch, die Teilnahme in Vancouver zu schaffen.

Was sie suchte, war ein neuer Begleiter. Jemand, dem sie in des Wortes wahrster Bedeutung blind vertrauen konnte. "Da bin ich auf Thomas gekommen, der auch meinen ebenfalls blinden Bruder Michael von 2000 bis 2006 unterstützt hatte. Und ich habe es geschafft ihn für ein Dreivierteljahr zu überreden", erzählt Verena Bentele.

Länger war "das Projekt", wie es Thomas Friedrich gerne bezeichnet, trotz aller Motivation der beiden nicht angelegt. Aus verständlichen Gründen: Er lebt in Bonn, sie in München. Eine blinde Skilangläuferin aber ist noch mehr auf ihren Begleiter angewiesen als eine Straßenläuferin. Das Tempo ist wesentlich höher, Richtungswechsel sind häufiger und es geht ständig auf und ab. Das will geübt, die Abstimmung gefunden werden.

Es ging, "weil jeder von uns kompromissfähig und flexibel war, und wir ein Konzept mit straffer Organisation hatten", so die beiden. Zudem stimmte der Arbeitgeber von Thomas Friedrich zu, so dass er zeitweilig freigestellt werden konnte und weil der Deutsche Behindertensportverband Verdienstausfälle ausglich.

Während diese Steine aus dem Weg geräumt waren, wog ein anderes Problem wesentlich schwerer. "Normalerweise dauert es bis zu zwei Jahre, ehe man perfekt aufeinander abgestimmt ist. Bei uns ging es optimal schneller", erzählt der Begleitläufer.

Das war eine Frage des Vertrauens. Und das fand Verena Bentele wieder. "Bewegung, vor allem mit höherem Tempo, ist für einen Blinden oder stark Sehbehinderten immer mit etwas Resthemmung verbunden. Ich musste die Barriere im Kopf, die durch meinen schweren Sturz wieder vorhanden war, überspringen."

Die Schlüsselsituation dafür war neben der guten Abstimmung der beiden ausgerechnet ein weiterer Sturz. Der geschah allerdings schuldlos und ließ die Langläuferin beim Training auf dem Dachsteingletscher kopfüber im Tiefschnee landen. "Da wurde mir der Kopf gewaschen."

Der war dann so befreit von allen Ängsten, dass das Duo bei den Paralympics einen nie erlebten Erfolg feierte. Thomas Friedrich führte Verena Bentele vor oder neben ihr laufend mit seinen richtungweisenden Hopp-Rufen und ständiger Kommunikation über das Streckenprofil, Gefahrenstellen und den Rennverlauf zu fünf Goldmedaillen. Die Medien überschlugen sich, beim Deutschen Behindertenverband jubelte man über das Sieger-Duo.

Doch mit dem letzten Zieldurchlauf sollte laut Plan alles vorbei sein. War es auch - bis jetzt. "Das Ergebnis von Vancouver kann man ja nicht toppen. Aber es hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir dabei sind, einen neuen Anfang zu suchen. Wir wollen schauen, ob wir Strukturen aufbauen können, um Training und Beruf bei uns beiden zu verbinden. Dabei hoffen wir natürlich auch auf die Sportorganisationen", verriet Thomas Friedrich in Köln. Und worauf richtet sich der Fokus? "Für Welt- oder Europameisterschaften machen wir das nicht. Unser Ziel sind die Paralympics 2014 in Sotschi", sagt Verena Bentele lächelnd.