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Bunker in KirspenichDer Mann, der aus der Kälte kam

Lesezeit 4 Minuten

Keiner mehr da: Dieter Koppenburg, der Besitzer der Bunkeranlage in Kirspenich, hält sich im Senderaum, dem Herzstück der Anlage, einen Hörer ans Ohr, aber die Leitung ist längst tot. (Alle Bilder: Larmann)

KIRSPENICH – Es ist heiß. Über 30 Grad zeigt das Thermometer. Die Tür geht auf und schlagartig wird es kalt. Rund zehn Grad sind es in den Räumen dahinter. Der Kalte Krieg ist sofort auch körperlich spürbar. Zudem liegt ein Hauch dieser Zeit in der Luft, die durch Granulat gepresst und dann durch Filter gereinigt in den unterirdischen Bau strömt.

Von außen macht das Gelände im Wald bei Kirspenich weniger den Eindruck, dass hier einmal eine der zentralen Dienststellen beheimatet war, die im Fall eines Dritten Weltkriegs die Funkverbindung unter autarkem Vollschutz über 30 Tage lang aufrechterhalten sollte. In sicherer Entfernung war der Bunker in Kirspenich eine Außenstelle des Regierungsbunkers in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Ein Grund für die Entfernung: Feindliche Kräfte sollten nicht in der Lage sein, den Regierungsbunker über eine Funkquelle anzupeilen. Außer den Antennen lässt sonst nur noch der Zaun mit den Stacheldrahtrollen, der das 55 000 Quadratmeter große Grundstück umfasst, darauf schließen, dass dort irgendetwas gewesen sein muss, in das keiner so leicht hinein gelangen sollte. Heute ist das einfach - zumindest für Dieter Koppenburg. Der Stotzheimer hat die Schlüssel, denn er hat das Gelände vom Bund gekauft - inklusive des Bunkers.

Seiner von seinem Sohn geführten Firma, dem „Forstbetrieb D & C Koppenburg GbR“, dient die Fläche als Zwischenlager. Neben den meterhohen Metall-Antennen liegen daher Baumstämme, Holzspäne und Geäst. „Zunächst hatten wir einen Pachtvertrag und dann kam ich irgendwann auf die idiotische Idee, das Ganze zu kaufen“, so der 66-Jährige während eines Rundgangs über das Gelände. Am Sonntag hat Koppenburg den Bunker erstmals für die Öffentlichkeit geöffnet. Eine Gruppe hatte eine Führung durch den Regierungsbunker in Ahrweiler und anschließend durch den Bunker in Kirspenich gebucht. Koppenburg fährt fort: Nach ein paar Schwierigkeiten habe er das Terrain schließlich gekauft. „Das war 2004 oder 2005“, so der Stotzheimer. Dann fällt ihm ein: „Da hinten haben sich die Jungs, die hier gearbeitet haben, einen kleinen See angelegt - mit einer Insel inklusive Sitzbank.“ Einen Grillplatz gibt es auch. Den hat sich Koppenburg wieder fein hergerichtet. Ein kleines Idyll also - inmitten einer Anlage, die für den Kriegsfall gebaut, im Friedensfall allerdings auch genutzt wurde. Hier wurde offiziell 24 Stunden Polizeifernschreibfunk betrieben, etwa für Fahndungen oder Haftbefehl-Übermittlungen (siehe Kasten).

Der See war unterdessen kein Zufallsprodukt. Das Wasser stammt aus der Bunkeranlage und wird von dort abgepumpt. In der Mitte des Geländes stehe die größte Antenne, so Koppenburg. Rund 50 Meter ragt sie in den Himmel und unweit daneben ist der „Papstfinger“. „Das ist eine 18 Meter hohe im Bunker versenkbare Antenne“, so Koppenburg. Sie wäre dann ausgefahren worden, wenn die anderen Antennen zerstört worden wären. „Dem Vernehmen nach hat der ,Papstfinger' aber nie funktioniert“, so der Unternehmer.

Nun geht es in die Kälte. Nach der besagten Tür kommt eine Laderampe mit heute noch voll funktionsfähigem Zwei-Tonnen-Kran. Erst dann ist das erste untrügliche Zeichen eines Bunkers zu erkennen. Eine riesige Stahltür, die wohl 30 Atü Druck standhalten kann. Sie gibt den Weg frei in die Schleuse. Der 49 mal 38 Meter große Bunker mit 1500 Quadratmetern Nutzfläche ist in drei Sektionen eingeteilt: In der Mitte befinden sich die Wache, Büros und der Senderaum, das Herzstück der Anlage.

Rechts ist der Eingang durch den „Dekonbereich“ in die Sektion „Wohnen und Arbeiten“. Zwei sehr einfache Duschen gibt es dort zum Dekontaminieren, ein Wasch- und Toilettenbereich schließt sich an. Im Schlafraum gab es früher 34 Betten. Das wäre auch die Maximalbelegung im Ernstfall gewesen. Ansonsten waren nachts zwei, tagsüber vier Personen im Bunker. Betten stehen dort keine mehr, nur Tische und Stühle. Akten mit dem Bundesadler auf den Etiketten liegen auch noch dort. „Es wurde einiges zurückgelassen“, sagt Koppenburg. Etwa ein Filter für die Luftzufuhr oder ein neuer Kopf für eine der Antennen. Auch im Senderaum steht noch ein Pult mit Telefon. Daneben befindet sich im mittleren Teil noch der Sonderraum mit Schallisolierung. „Hier wurde bestimmt gefoltert“, so Koppenburg mit einem Augenzwinkern. In Wahrheit wurden hier die Nachrichten verschlüsselt.

Es geht weiter in den linken Teil der Anlage, wo der Bereich „Versorgung“ liegt. Dort gibt es Öl-Tanks, das Wasserwerk mit Tiefbrunnen-Anschluss, inklusive der Gerätschaften zum Testen der Wasserqualität, oder auch den Raum mit den Notstromaggregaten. Dabei fällt auf, dass alles bestens in Schuss ist. Das liege daran, dass in den 1990er Jahren nochmal alles auf den neuesten Stand der Technik gebracht wurde, so Koppenburg, obwohl eigentlich schon festgestanden habe, dass der Bunker aufgegeben wird. Er selbst ist an der Ordnung nicht ganz unschuldig, denn er hat gemeinsam mit seinen Söhnen alles fein säuberlich hergerichtet und aufgeräumt.

Der nahezu originale Zustand lässt einen hautnah erleben, mit welchem Aufwand sich die Bundesrepublik auf einen das Horrorszenario Dritter Weltkrieg vorbereitet hatte. Der Rundgang neigt sich dem Ende entgegen. Aus der Schleuse geht es zur Laderampe. Die Tür nach draußen öffnet sich. Schlagartig sind es wieder 30 Grad.