Clevere GeschäftsideeVom Empfangschef zum Senkrechtstarter
Köln – Der Mann steht unter Volldampf. Er selbst bezeichnet sich denn auch als „120-Volt-Typ“ - und der muss man wohl auch sein, wenn man eine derart prosperierende Firma lenken will. In 37 Jahren hat HRS, „Hotel Reservation Service“, sich vom Kölner Pionier zu einem Unternehmen entwickelt, von dem es weltweit nur eine Hand voll gibt. Gut ein Drittel des Jahres ist Tobias Ragge (32) in der Welt unterwegs, gemeinsam mit seinem Vater und Firmengründer Robert Ragge (72) führt er die Geschäfte bei HRS mit Sitz Am Blaubach. Die Geschäftsidee, die der 72-Jährige 1972 umsetzte: Er vermittelt kostenlos Hotelzimmer, erhält im Gegenzug dafür von den Hotels eine Provision. Heute liegt diese so genannte Kommission für die Vermittlung über Telefon oder Internet zwischen 10 und 13 Prozent des Preises.
In der Datenbank von HRS sind über 230 000 Hotels aller Preiskategorien weltweit enthalten, mit denen das Kölner Unternehmen Verträge geschlossen hat. Die Buchungen für Privat-, Geschäftsreisende und Firmen erfolgen nach wie vor kostenlos, in der Nebensaison kann der Kunde seinen Auftrag notfalls noch bis zum Anreisetag, 18 Uhr, stornieren, ohne Gebühren zahlen zu müssen.
So simpel Ragges Idee war, so genial war sie. Der damalige Empfangschef im Hotel Baseler Hof am Breslauer Platz registrierte eine gewisse Unzufriedenheit der Hotelgäste in Köln. „Damals kam mit Interconti die erste Hotelkette nach Köln, insgesamt bestand eine mittelständische Hotelstruktur, die Nachfrage überstieg das Angebot“, schildert der Sohn. Das starke Messegeschäft führte dazu, dass die Stadt zu bestimmten Zeiten ausgebucht war. Eine Situation, die die Hotels verwöhnte und sie nicht allzu stark um Kundschaft kämpfen ließ.
In dieser Situation war Robert Ragge davon überzeugt, dass die Kapazitätsengpässe nicht ewig bestehen würden. Er machte sich selbständig und nutzte seine Bekanntschaften und sein Netzwerk in der Hotellerie, die er auch in Zeiten aufgebaut hatte, als er noch Gäste vom Flughafen zu den diversen Hotels chauffierte. In den Anfängen war HRS auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen, Ragge sprach ausländische Gesellschaften an, die auf Messen ausstellten. „Damals haben Reisebüros vornehmlich die Flüge vermittelt“, erzählt Tobias Ragge. „Die Hotelreservierung war das Stiefkind der Reisebranche.“ Ein Grund: Noch bis Mitte der 80er Jahre buchten 75 Prozent der Privatleute Pauschalreisen. „Das Konsumverhalten hat sich grundsätzlich geändert“, so Ragge.
Inzwischen hat HRS 500 Mitarbeiter, ist in acht Ländern offiziell vertreten und hat Mitarbeiter in 20 Ländern. In Shanghai beschäftigt HRS 60 Mitarbeiter - allesamt Chinesen, die in Köln intensiv geschult worden sind. Hundert Leute sind damit beschäftigt, weltweit die Hotels zu betreuen, mit denen Verträge bestehen und neue aufzuspüren. In Köln beschäftigt HRS rund 260 Mitarbeiter, im Callcenter gegenüber des Firmensitzes am Blaubach ist man für die Bereich Deutsch / Englisch zuständig. Daneben hat das Unternehmen Dienstleister von Magdeburg über Marokko bis nach Shanghai für die Sprachen Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Chinesisch oder Japanisch engagiert. 80 Prozent aller Anrufe sollen innerhalb von 20 Sekunden beantwortet sein, „bei uns sind inzwischen 95 Prozent in 13 Sekunden geklärt“.
HRS hat sehr früh auf den elektronischen Weg gesetzt, bereits 1985 ein eigenes Computer-Reservierungssystem aufgebaut, 1986 das erste HRS-Hotel-Verzeichnis mit Festpreisen herausgegeben. 1996, als nur wenige das Internet nutzten, bediente sich HRS dieses Mediums. „Von hundert Buchungen in der deutschen Hotellerie laufen 35 bis 40 Prozent über das Internet, in den USA sind es über 50 Prozent“, sagt Ragge, er schätze, dass die Sättigungsgrenze bei 75 Prozent erreicht sei.
Weltweit führend ist das Kölner Unternehmen nach eigenen Angaben mit einigen tausend auch im Bereich mobiler Hotelbuchungen etwa über i-Phone und Black Berry. „Wir haben dort eigene Applikationen gebaut“, so Ragge. Wer beispielsweise sein Flugzeug verpasst hat und nun in einer fremden Stadt ein Hotel sucht, dem zeigt das i-Phone seinen Standort und welche Häuser im Umkreis zu finden sind.
Die Finanzkrise hat auch Auswirkungen auf die Geschäfte von HRS, „wir haben seit dem 4. Quartal 2008 einen deutlichen Zuwachs an Geschäftsreisenden bekommen, weil Kosteneinsparungen gerade im Geschäftsreisebereich immer wichtiger werden und HRS seinen Service kostenlos anbietet“. Die Leute - egal ob privat oder geschäftlich - machen kürzere Reisen und wechseln in preiswertere Kategorien. Dennoch: „Der Mengenzuwachs bei uns ist wesentlich größer als der Preisverfall“, versichert Ragge, „2008 war unser bisher bestes Jahr - und 2009 wird noch besser.“